Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Volksblatt (1) — 1868

DOI Kapitel:
Nr. 43 - Nr. 50 (4. November - 28. November)
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.43805#0193

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
——

Nr. 48.

Samſtag, den 21. November 1868.

1. Jahrg.

Erſcheint Mittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Untereſtr. 9

und ber den Trägern Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Die Rache des Bettlers.
Erzählung aus dem Bauernkriege von Karl Seifart.
(Fortſetzung.)

„Da mach mich ein anderer klug, Vater,“ fuhr die-

ſer fort, „wie es möglich iſt, daß ſich nach ſolch erleb-
ten Gräueln Dein Taubenherz nicht in ein Drachen-
herz verwandelt. Verzeih's, Vater, Du biſt allzugut

und ein blöder Mann, ſonſt würde Dir's hell ſein,

daß Gott der Gräuel und Bedrückungen, die der Adel

ausgeübt, müde iſt und daß er den Bedrückten jetzt das
Racheſchwert zum Strafgericht in die Hand gegeben

hat. Heh! warum denn, Alter, flammt das ganze
Schwaben⸗ und Frankenland in heller Lohe! Warum
hat Gott es zugelaſſen, daß die armen getretenen Leute
ſich zu Tauſenden zuſammengeſchaart haben und die

Klöſter der übermüthigen Pfaffen und die Raubneſter

der adeligen Schächer in den Grund brechen?! Gott
will es, ſonſt hätte er das Wetter längſt zerſtreut, wel-
ches auch gegen unſer Eichsfeld donnernd heraufzieht
und drüben von Mühlhauſen ſchon in grimmem Wet-
terleuchten herüberblitzt. Hah! den Tag gebe ich nicht
für meine Seligkeit, der da in kürzeſter Friſt kommen

wird und an welchem dieſe einzige, mir noch geblie-

bene, geſunde Hand das Meſſer umkrallt und es ſich

unter brennenden Trümmern, unter Heulen und Ge-
ſchrei ſatt ſaufen läßt im Blut und Fett des vermale-

deieten Edelvolks, das ſich eben nur von unſerem Blut
und Schweiß gefettet hat! Mann, Weib und Kind muß

nieder, damit die ganze Brut vertilgt werde, und der

Gott⸗geſandte Mann drüben in Mühlhauſen, der Tho-

mas Münzer, dem der Herr ſelbſt das Schwert Gide-

ons in die Hand gedrückt, wird uns die rechten Wege
weiſen zum zermalmenden Vernichtungskampf. Fluch
jedem Gefühle der Milde! Fluch der Gnade! Der

beſte Sontz (Edelmann) und die beſte Sontzin iſt des

Hängeſtrickes gar nicht werth; ſie müſſen alle an das
Meſſer!“ ‚

„Hah! Du gottesläſterlicher, boshafter und ketzeri-
ſcher Menſch!“ fuhr jetzt Ziligar ganz entſetzt auf, „hat

mich doch meine Ahnung nicht betrogen, daß es mit

Du ſeit Monden in der Herberge und vor dem Berg-
thor allerlei heimlich Verſtändniß mit den Kameſirern,
Sündregern und anderm unchriſtlichen Bettelvolk, ja

gewettert hat.

verlogenſten aller Landſtreicher.

Dir zum Schlimmſten ſteht. Alſo ein Genoſſe der blut-
gierigen Schwarmgeiſter, der räuberiſchen und mörde-
riſchen Bauern biſt Du, die jetzt das Reich in Brand
ſetzen und Gottes Erde mit Blut tränken. Darum haſt



ſelbſt mit dem mordbrennenden Feuerfink und mit dem
Acgypter gehabt. Um Mord und Verderben anszuſin-
nen, habt ihr allnächtlich eure heimlichen Zuſammen-
künfte gepflogen. Mit Räubern und Mördern, ja mit

huſitiſchen und lutheriſchen Ketzern wollt ihr im Dienſte

des Satans die heilige Kirche bekriegen. Aber des

Herrn Zorn, der ſeine Kirche auf eheruem Fels ge-

pflanzt hat, wird euch niederwettern, wie er bereits
tolle, mordwüthige Bauernhaufen in Schwaben nieder-
Biſt Du denn taub. geweſen, Du Böſe-
wicht, bei der Zeitung, die geſtern der vom Rhein kom-
mende Bettelſtudent überbracht? haſt Du kein Ohr da-
für géhabt, daß der Churfürſt von der Palz und der

Truchſeß von Waldburg als rächende Werkzeuge Got-

tes die verteufelten Bauern zu Tauſenden hingeſchlach-
tet haben —“

„Gemach! Gemach! Vater! ereifere Dich nicht,“

erwiderte mit großer Ruhe und höhniſchem Lächeln der
Heinz dem zornigen Alten, „wenn alles wahr wäre, was

das leichtfertige Volk der Bettelſtudenten überbringt,

ſo müßte es allerdings ſo toll und wüſt in der Welt

ansſehen, wie in dem ewig weinbenebelten Hirn dieſer
Und, geſetzt auch, és
ſei einmal ein Haufe der Unſrigen durch Gottesfügung
und im Wechſel des Kriegsglücks niedergelegt, ſo wer-
den zehn andere dafuͤr ſiegen und fortfahren, die Klö-
ſter und Raubtſſter auszubrennen, wie ſie es ſchon im
Allgäu, in Schwaben und in Franken mit Hunderten
gethan. Hört wohl zu, Alter, kein Bettelſtudent, ſon-
dern ein abgeſandter, reitender Bote, hat, wie wir
ſicher erkundſchaftet, geſtern dem biſchöflichen Statthal-
ter auf dem Ruſteberge die Schreckenskunde überbracht,
daß unſere armen Leute und Brüder Weinsberg er-
ſtürmt und den Grafen von Helfenſtein durch die

Spieße gejagt, ja, daß das ſiegreiche Heer der Gottes ⸗

ſtreiter Tag und Nacht, wie ein Regen⸗getränkter Strom
anſchwellend, ſchon gegen das Thüringer⸗ und Sachſen-
land heranbrauſt. Der Oberamtmann, der Schelm da
oben auf dem Ruſteberge, ſoll Acht haben und wohlge-

rüſtet ſein mit der Eichsfeldiſchen Ritterſchaft, hat ihm

der hochmüthige Pfaff von Mainz ſagen laſſen; aber
wart' nur, der rothe Hahn wird über eure Neſter hin-
fliegen, bevor ihr noch ein Pferd aus dem Stalle ge-
zogen, oder einen Harniſch umgeſchnallt. Iſt auch beſ-
ſer ſo, fährt euch doch mein Meſſer leicher in den
Wanſt, als wenn ihn die Platten decken!ꝰ
„Das ſollſt Du mir nicht umſonſt geſagt haben,
Unmenſch,“ ſprach mit zitternden Lippen Ziligar und
 
Annotationen