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Heidelberger Volksblatt (1) — 1868

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Nr. 7 - Nr. 15 (1. Juli - 29. Juli)
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Miittwoch, den 15. Juli 1868.

Erſcheint Mi ttwo ch. und Samſta 9. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonmrt in der Druckerei, Untereſte. 9

——



und ber den Trägern Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten

Das Bekenntniß auf dem Todtenbette.
Aus den hinterlaſſenen Pavieren eines ehemaligen Wundarztes.
(Fortſetzung )
Drei Monate verfloſſen, ehe eine vollkommene
Heilung des Beinbruchs möglich war. Während die-

ſer Zeit hatte ich manche Veranlaſſung, den Charakter

des Mannes kennen zu lernen, deſſen ausgebreitete
Kenntniſſe und hohe Bildung ſeiner chriſtlichen Men-
ſchenliebe gleichkamen. Bei manchen Unterhaltungen,
die ich mit ihm führte, fand meine frühere Meinung
Beſtätigung, daß mein Patient von der Erinnerung
irgend einer jugendlichen Unbeſonnenheit oder Schuld

beunruhigt werde, die, ſo ſchien es mir, ſein zu em

pfindſames Gemüth glaube, daß ſie ſelbſt nicht in je-
ner Ma wo doch die Qual des Böſen aufhört und
die Müden der Ruhe ſich erfreuen, gebüßt werden könne.

Ich wurde jetzt bei hundert Handlungen, die aus dem
reinſten Wohlwollen herfloſſen, der Vertraute des alten
gütigen Herrn. Ein zweiter Howard, fand ich, däß

er ſich angelegen ſein ließ, Unglückliche und Beküm-
merte zu tröſten — * ö
„Thue Gutes im Stillen, daß die Welt
es nicht ſieht!“ ö
Meine eigene Angelegenheit war indeß, wiewohl
ſich äuf Empſehlung der Madame Smith einige Pa-
tienten an mich gewendet hatten, ſo bedenklich gewor-
den, daß ich ſie nicht länger verbergen konnte. Einige
Tage nach der Entfernnng meines Patienten befand

ich mich wirklich in einer drückenden und quälenden

Lage.

Ich hatte kaum zwei Pfund im Hauſe, und mein
armes Weib war wirklich untröſtlich. Nachdem ich

Alles erwogen, fand ich nur ein Mittel, mir hinrei-
chend Geld zu verſchaffen, um meines Hauswirths For-
derung zu befriedigen. Ich entdeckte dem Herrn Ben-
field in einem Briefe meine augenblickliche Verlegen-
heit und bat ihn um Darlehn von zwanzig Pfund.

Dieſer Schritt verurſachte mir manche Unruhe; aber

indem ich noch ängſtlich einer Antwort entgegenſah,

kam Herr Benfield in einer Kutſche bei mir vorge-
fahren. Es ſiel mir auf, daß er ungewöhnlich bleich

und verſtört ausfah. In aufgeregter, ja krampfhafter
Weiſe faßte er mich deim Arme und fuhrte mich in
meine Studirſtube, deren Thür er ſogleich verſchloß.
„Wie war es doch möglich, daß ich das nicht be-
ſorgte?“ ſagte er. „Sie ſind arm, Sie gebrauchen
Geld, ſind in Praxis und gebrauchen Geld; warum
haben Sie mir das nicht ſchon früher geſagt?“

zu bekennen.
„O ich kenne den Stolz eines graduirten Mannes!
Auch ich war einſt ein Arzt — arm. Wäre ich es doch
geblieben; aber die Verſuchung kam wie der böſe
Feind, und mit ihr die Gelegenheit, — und ein langes
Leben von Qual ging daraus hervor.“ Der bewegte
alte Mann bedeckte ſein Geſicht mit den Händen. Ich
wur gerührt. Z. —
„Sie werden fagen, dies ſei Schwäche,“ fuhr er
fort, „doch wenn Sie alles wüßten, ſo würden Sie ſich
nicht über die Zerknirſchung eines reuigen Herzens
wundern. —— * *
Die Aehnlichkeit Ihrer Lage mit meinem erſten Auf-
treten in der Welt, hat alle meine Gefühle aufgeregt.
Ich bete zum Himmel,, daß Sie die verhängnißvolle
Klippe vermeiden mögen, woran meine Hoffnung' zum
ewigen Glück zertrümmerte. Doch kommen Sie, gehen

Ich ſtand einen Augenblick an, ihm meine Gründe

wird mir wenigſtens ein Augenblick der Freude erblühen.“
Schnell ſchrieb er mir eine Anweiſung von zweihundert
Pfund. ᷣ ***
— Ein ſo nnerwartetes bedeutendes Geſchenk raubte
mir anfänglich die Macht, dafür zu donken, und ich
zögerte, eine Summe anzunehmen, auf deren vierten
Theil ich nicht gehofft hatte. Doch er beſtand darauf
in ſeiner gevöhnlichen dringenden Weiſe, wenn es ſich
darum handelte, Jemand aus einer Geldverlegenheit
zu ziehen. e
Vund warum ſollten Sie es nicht behalten?“ fügte
er hinzu, „es iſt ehrenvoll in Ihrem Stande erworben.
Ich fühle mich in dieſem Augenblicke glücklicher, als
ich es ſeit 10 Jahren geweſen bin. Ach!“ ſeufzte er

mit zum Himmel gerichteten Blicken, indem helle Thrä-

nen über feine gefurchten Wangen floſſen, „ach, dab
in der Zeit meiner Noth mir Jemand ſo eine Hände.
treten wäre!“ — und ſein Haupt ſaͤnk in ſeine Hände,
er ſchien verſunten in dem einen ſchrecklichen Gedanken,
der an ſeinem Leben nagte.

Als er mein Haus verließ, rief et: „Der Himmel
ſegne Sie! Sie haben mich glücklich gemacht, wenn
ich zu Ihrem Wohlergehen etwas beigetragen habe.
Mögen Sie in Verlegenheiten, im Unglück, im Elend
immer im Stande ſein, der Verſuchung zum Böſen zu
widerſtehen. Daß ich es nicht gethan habe, macht mich
elend, wie Sie ſehen. Wenn ich ruhiger geworden bin,
will ich wieder dei Ihnen vorſprechenn...
3Zboei Tage verfloſſen, und ich hötke Nichts von

Herrn Benfield. Am dritten erinnerte mich meine

Sie mir Feder und Dinte, aus Ihrer Verlegenheit
 
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