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Heidelberger Volksblatt (1) — 1868

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Nr. 51 - Nr. 58 (2. December - 30. December)
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Heiclelberger Volk Att.

N. r. 58.

Mittwoch, den 30. December 1868.

1. Jahrg.

Erſcheint Wittwoch und Samſtag. Preis monatlich 12 kr. Ei

nzelne Nummer à& 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Untereſtr. 9
und bei den Trägern Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. * q2



Der Comtoiriſt.
Erzählung von Ewald Auguſt Rönig.
(Schluß.) ö

Als Friedrich am nächſten Morgen erwachte, fühlte

er einen ſtechenden Schmerz im Kopfe, mit Schwindel
und Uebelkeit verbunden. Es koſtete ihm unſägliche
Mühe, ſich ſo lange aufrecht zu halten, daß er die Thür

Nöfffnen und die Schelle ziehen konnte. Er ſchickte die
Magd zum Arzte und ließ auch den Rentner von dem

ihm ſo plötzlich befallenen Unwohlſein benachrichtigen.
Wenige Minuten ſpäter ſtand Wirz bereits vor dem
Bette des jungen Mannes. Ihm war beim Eintritt
in das Zimmer ein eigenthümlicher, penetranter Ge-
ruch aufgefallen. Seine Nachforſchungen führten zur
Entdeckung einer anſehnlichen Doſis Saffran, welche
unter dem Kopfkiſſen des Kranken lag. Er entfernte
das ſſtark duftende Gewürz, öffnete das Fenſter und
wuſch Stirn und Schläfen des jungen Mannes mit
kaltem Waſſer. Bald hatte dieſer ſich ſo weit erholt,
daß er das Bett verlaſſen konnte, der Rentner entfernte
ſich, um Friedrich, der ſich zur Arbeit unfähig fühlte,
bei ſeinem Prinzipal zu entſchuldigen. Gleich darauf
trat Steinborn ein. Friedrich erſchrak, als er in das
verſtörte Antlitz ſeines Prinzipals blickte.
„Ich verlange Ihre Schlüſſel!“ waren die erſten
Worte, welche der alte Mann in rauhem, gebieteriſchem
Tone ſprach. „Sie haben mein Vertrauen mißbraucht
und können Gott danken, wenn ich aus Rückſichten für
meine Tochter Sie nicht dem Gericht überliefere!“
Friedrich blickte beſtürzt dem alten Herrn in's Auge.
Im erſten Moment vermuthete er, der Verſtand deſſel-
den habe gelitten. —1
WWird's bald?“ herrſchte Steinborn ihn an. „Ich
verlange Ihre Schlüſſel, und zwar nicht allein die zu
meiner Kaſſe, ſondern auch die zu Ihren Mobilien.
Sie haben wohl nicht vermuthet, daß ich den Diebſtahl

ſo bald entdecken würde? Ich fand heute Morgen die

Thür des Geldſchrankes angelehnt und konnte dem
Wunſche, mich von Ihrer Rechtlichkeit mit eignen Au-
—— zu überzeugen, nicht widerſtehen. Zu meinem
lück gab ich dieſer Neugierde nach, ich fand, daß
zehn Actien zu zweihundert, und fünfzehn. zu hundert

Thaler fehlten. Vermuthlich iſt es Ihnen noch nicht

gelungen, dieſelben zu verſilbern; es ſoll mich freuen,
wenn

folgung abſtehen.“ ö

in dieſem Falle werde ich von der gerichtlichen Ver-
Der junge Mann erhob ſich; ehrlicher Stolz leuch-
tete in ſeinen Augen. „Ich werde Ihnen dieſe Schlüſ-
ſel nicht ausliefern,“ entgegnete er in feſtem Tone, „weil
Sie zu einer Hausſuchung nicht berechtigt ſind! Haben
Sie die Kaſſe offen gefunden und jene Werthpapiere
vermißt, ſo iſt ein Andrer der Dieb. Ich vermuthe
die Gründe, welche Sie zu der Beſchuldigung, daß ich
den Diebſtahl begangen habe, veranlaſſen; Sie wählen
dieſen Weg, um Ihr Wort, welches mir die Hand
Emma's zuſagte, zurück nehmen zu könnenn L
„Leere Ausflüchte!“ fiel Steinborn ihm in's Wort.
„Ich rathe Ihnen, zu ſchweigen und, ſobald wie mög-
lich dieſe Stadt zu verlaſſen: hier blüht für Sie kein
Weizen mehr. Glauben Sie, ich habe es dabei bewen-
den laſſen, die Kaſſe zu ſtürzen und ihren Beſtand mit
dem Saldo des Kaſſabuchs zu vergleichen? Ich nahm
einen Commis und meine Tochter zu Zeugen und ver-
ſichere Sie, daß dieſe Beiden bereit ſind, den Defect
zu beſchwörenn. ö
„Ihre Drohung fürchte ich nicht,“ entgegnete Frie-
drich, der gewaltſam an ſich halten mußte, „ich dringe
ſogar darauf, daß Sie dem Gerichte den Diebſtahl an-
zelgen. Thun Sie dies nicht, ſo werde ich der Polizei
die nöthige Mittheilung machen..
„Wie es Ihnen beliebt!“ verſetzte Steinborn mit
eiſiger Ruhe. „Jetzt erſuche ich Sie nochmals, Ihre
Kiſten und Kaſten zu öffnen. “ —
In dem Augenblick, in welchem der junge Mann
dieſem Verlangen nachkam, tauchte die Erinnerung an
den geſtrigen Abend in ſeiner Seele auf. Eine Schub-
lade ſeiner Kommode ließ ſich ſchwer öffuen, nie hatte
Friedrich früher Laſt damit gehabt. Er bemerkte
dies ſeinem Prinzipale und äußerte die Vermuthung,
daß ein fremder Schlüſſel in dem Schloſſe geweſen
ſein müſſe. —
„Natürlich!“ erwiederte Steinborn, deſſen Lippen
ein Lächeln des Hohns umſpielte. „Eine Hinterthür
muß man ſtets offen halten. — Da ſind ja meine
Pappenheimer!“ fuhr er fort, während er aus der

halbgeöffneten Schublade ein Päckchen hervorzog und

und die Werthpapiere, welche daſſelbe enthielt, haſtig
zählte. „Wagen Sie jetzt noch, den Diebſtahl mit
frecher Stirne zu leugnen? Zweitauſend Thaler wären
gerettet; wo ſind die fünfzehn Actien zu hundert
Thaler??? ?

ich ſe in Ihrer Wohnung vorfinde, denn nur

Friebrich wußte keine Antwort zu geben, das Räth-
 
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