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Heidelberger Volksblatt (1) — 1868

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Nr. 43 - Nr. 50 (4. November - 28. November)
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Ksblatt.

WMittwoch den 4. November 1868.1

erſcheint Mittwoch und Samſtag.

* ö bei den Trägern Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten. *

In Zuchthauſe.
Erzählung aus der Wirklichkeit on W. Wauer.
Wortſetzung. ) ö

„Herr von⸗ Norrmann!“ rief die Direktorin über-

wältigt von ihrem Schmerz. Sie urtheiten mit furcht-
barer Strene über den Dahingeſchiedenen, während
Sie ſich grenzenlos mild und gmig gegen die größten
N ei ten.“ — * ö
kann den Verbrecher bemitleiden, den Böſe-
wicht muß ich verachten,“ erwiederte Norrmann. „Das
iſt der Unterſchied. Herr von Jerſowich war ein Bo.
ſewicht und keiner Erhebuns meyr fäyig, Ich habe mich
Jahre lang bemüht, ihn empor zu ziehen und ich gad
ihn erſt auf, als ich ſap, daß Ales dergeblich war.
Von da an hielt ich mich, wenn ich nur konnte, ſo
fern von ihm, wie jetzt von ſeiner Leiche.
„Ach, und wollen Sie dieſen Ekel, dieſen Abſchen
vor dem Todten denn auch dadurch offentlich bezen,
gen, daß Sie nicht bei ſeinem Begrabuiz erſcheinen
lich auſehend.

m Gott, nicht dieſe furchtbare Erregung! Ich
en Gatt, e ſi ch will auch dies noch jur
ich will ſeiner Beſtartung
beiwohnen; dech nun gebieten Sie Ihrem Schmerz;

itte Sie ie ſich!
Litte Sie, faſſen Sie ſich!
Sie, für I Horde thun;

66 thut mir unendlich weh, ihn verurſacht zu haben!“
enn Sie rſen Sn veruvfachten,“ autwor-
tete Frau von: Jerſowich, ſich aufrichtend, „ſo haben
Sie ihn auch wieder geſtillt, edlet, Rrobmütdiger
Mann; haben Sie Dant, tauſendmal Dam! Si er-
hob ſich zum Fortgehen, dabei ergriff ſie ſeine Hand
und wallte ſie an ihrr Lippen ziehen. Er aber in ſei-
ner chevaleresken Weiſe wußte die Sache geſchickt ju
wenden, küßte die ihre und geleitete ſie dis zur Thür
Wohnung. ö
ihren e ve Leaigen beerdigt und die Ruhe des Hauſee
wieder hergeſtellt war, betrieb Norrmann eifrig ſeinen
Abgang aus der hieſigen Anſtalt. Auf ſeine Verwen-
dung wurde der Inſpektor Wiednet dum Direttor der-
ſelben ernannt und ebenſo rückten einige Unterbeamte
in die Stellen des Oberinſpektors, des Juſpettors und
des Hausvaters. Endlich kam die Zeit der Abreiſe
heran; die der Direktorin war ſchon früher erfolgt.

Sie reiſte nach der Hauptſtadt, wo ſie an einem, von
der Kronprinzeſſin eben geſtiſteten Krankenhauſe die

Stelle der Vorſteherin erhalten hatte. „Bewegt und
mit Gefühlen des Dankes trennte ſie ſich von Norr-

Den Oberinſpektor bittend und äuczſt⸗ hielm habe eine Anſtellung als

Stelle beworben, ich wußte gar nichts davon! Wie

beſchloſſen, die Reiſe nach dem nenen

zuſammen zu machen. ö

bald erheiterte ſich dieſelbe. M.

Zeit ihres Aufenthaltes hier nnendlich viele Freund-
lichkeit und Aufmerkſamkeit erwieſen hatten. ö

1. Jahrg.

Preis monatlich 1 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Drackerei, Untereſtr. 0

mann und den Seinen, die ihr noch in dieſer letzten

Noch einen Todesfall und eine Höchzeit erlebten ö

Dieſe, bevor ſie aus ihrer Heimath ſchieden. Die alle
Gefangene Jekobi ging nach wenigen Tagen, mehr der
Schwäche als der Krankheit, zur ewigen Nuhe ein.

Auch hier harte Curt, mehr noch als der herbeigeru-
feue Rabbiner, die Stelle eines geiſtlichen Rathes und

Beiſtandes vertreten und bewirlt, daß die Sterbende

gefaßt und vortrauend auf die Güade Gottes in dle

Ewigkeit hinüber ging und ohne Zagen vor der Zu-
kunft ſic der Erlöſung aus nun vierundvierzigjähriger
Zuchthaushaft erfreurte.
Die Hochzeit fand ganz plötzlich und uner vartet
zwiſchen Nordenhjelm und Helene ſtatt. Man erſtannte
nicht wenig, als man dis Einladung dazu erhielt;
aber Helene ſchrieb: man möge ſich nut auf viet
Wunderbareres gefaßt machen. Dies ergah ſich deun
auch darin, daß man bei der Hochzeit erführ, Norden-

derſeiben Stadt erhalten, wohi i maͤn ſich ſelber zu be-

geden im Begztriff ſtand!

„Wie wunderbar der Zufall manchmal waltet!“
ſagte der ſo Beförderte. „Ich habe mich nicht um die

man auf die Idee kam, gerade mir dieſelbe zu geben,
die mich mit Euch in einer Stadt vereint und mir da-
rum lieber iſt als jede andere in der Weit, das be-
greif ich nicht. Det Praſident von Norx.—ah!“
terbrach er ſich plötzlich; „das war kein Zufall.!“ Er
ſpraug auf, fiel Curt um den Hals und rief: „Läugne

Kreisgerichtsdirektor in

es nicht, theurer Herzensfreund, das iſt Dein Werk?ꝰ

Curt läugnete in der Thät nicht. Es ward nun
Beſtimmungsorte
An einem heiteren Oktobermorgen begab man ſich
auf die Reiſe, und zwar in einem omnibasähnlichen

Wagen. Aufangs wär die Stimmaung ein wenig trübe

und gedrückt von den ſchmerzlichen Abſchieden, doch
erheiterte ſich tbe. Man reiſte mit der größ-
ten Muße und Bequemlichkeit, verweilte oft einen oder

mehrere Tage in Städten, 1 delche Sehonswürdigkeiten
enthielten, ünd durchwanderte ſchöne Gegenden zu Fuß-
oder machte von einem Haltorte Ausflüge in die Um-

gegend, unternaͤhm Waſſerfahrten u. ſ. w. Dabei war

man vam ſchönſten Wetter begünſtigt. Man aß eut-
weder in Freien aus der Reiſeküche, welche man bei
 
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