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Heidelberger Volksblatt (1) — 1868

DOI Kapitel:
Nr. 7 - Nr. 15 (1. Juli - 29. Juli)
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38

„Aber hate er keine VBerwandte Oder Betonnte⸗ 27⁵—

Das Geſicht der freundlichen Hauswirthin nahm
plötzlich einen ernſten Ausdruck an, und ſie erwie-
derkte: „Ach nein; das iſt es gerade, woher die Trau-
rigkeit des alten Herrn zuweilen kommt.

welche läng ſt todt find. Und es dann mit anzuſehen,
wie hart er gegen ſich ſelbſt in ſeiner Lebensweiſe iſt,
während er doch meint, daß für Andere nichts zu gut
ſein könnte, wahrlich, das macht mich ganz ärgerlich;
aber er geht ſeinen, eignen Weg und ſagt, Alles ſri
für ihn gut genug.“
Es iſt wohl⸗ unnöthig⸗ zu ſagen, daß meiner Frau
und mir das, Wohlergehen dieſes merkwürdigen und
excentriſchen alten Mannes, welcher auf ſonderbare
Weiſe unſer Hausgenoſſe geworden war, nur zu ſehr
am Herzen lag, als daß wir nicht den kurzen einzel-
nen Zügen aus ſeinem Leben, welche uns Madame
Sllen mittheilte, mit pielem Intereſſ hätte zuhören
ollen.
Da die gutgeſinnte Hauswirthin. ihren Mieths-
mann gern ſehen zu wollen ſchien, ſo führte ich ſie fo-
gleich in ſein Zimmer. Als ich die. Thür⸗ offwete,
merkte ich an ſeinem ſchweren und⸗ mühſamen Athmen,
daß er ſchlief, und winkte der Madame Smith, leiſe

503 ſolch ein auter Mam knab eiwas oof
ha be **

Er kann
auf die rührendſte Weiſe ſtundenlang mitten in der
Nacht von ſeiner Frau und ſeinen Kindern ſprechen

zu gehen, während ich das Licht, welches ich in der
Hand hielt, bedeckte, ſo daß die Strahlen deſſelben ſei-
nen Schlummer nicht ſtörten. Auf den eingefallenen
Wangen meines Kranken ruhte, wie ich bemerkte, als
ich mich einen Augenblick über das Bett beugte, eine
Todtenbläſſe, welche mit den wenigen grauen Haaren,
die auf ſein tief gefurchtes Antlitz herabfielen, ihm
ein eigenthümlich ehrwürdiges Anſehen verlieh. Doch
war an einem leichten krämpfartigen Zucken der Züge
und dann wann einem halb hörbaren Mürmeln bei
dem ſchweren Athem leicht genug zu bemerken, daß der
alte Herr ſich in einem bedeutend ſtarken fieberhaften
Zuſtande befand und daß ſein Schlaf, weit entfernt,
Ruhe zu ſein, nur eine Fortſetzung Tarerner Bekum-
merniß war.
Ich fürchtete. hauptfächlich' die Stärke des Fiebers,
das ſich ſo deutlich an meinem⸗Knanken zeigte, und ich
hatte gerade dieſe Bemerkung Madame Smith zuge-
flüſtert, als er einen Seüfzer ausſließ, welchem ein
halb hörbarer Laut folgte, als wenn er im Schlafe
ſpräche. Um ähn nicht zu wecken, hatte ch gerade mei-
ner liebreichen Gef fährtin gewinkt, mir aus dem
„Zimmer zu folgen, als derSchlummernde mit einer
Stimme, deren hohler und halberſtickter Ton us dem
Innern ſeiner Bruſt hervorzukommen ſchien, riefrn
Ouliger Gott! wann wird⸗mir'vergeben werden?“
Es war ſo etwas Feitrliches in dieſem Reite 9
daß ich' tief⸗ davon ergriffen wurd als ich
Thür ſchloß. ö 2 0
4%So' iſt er * ſagte Madame Smith, abs ich ſle
hiuunterführte. „Wenn man⸗ Herrn Benfielde zu Zei-
teu reden hört, ſo ſollte⸗ man glauben er ſein ein ſehr

Kartoffeln oder was ihm ſonſt-

5 geweſen „da es do unmüöglich iſt,

Gerſſehung folgt⸗)

Der letzte Groſchen.
Novellete von A. V.
(Fortſetzung.)
Er zog die Summe für dieſe Bedürfniſſe ſogleich
von ſeinen Einnahmen ab und gab den Ueherſchuß,
er mochte reichlich oder gering ſein, ſeinem genügſamen
Weibe. Wie die Groſchen für jene Artikel regelmäßig
von den Einkünften abgezogen wurden, ſo wurden ſie
auch ebenſo gewiſſenhaft verausgabt. Thoſtman bildete
ſich wirklich ein, ohne Bier nicht ausreichende Kraft
zu ſeinem Tagewerke zu beſitzen, während ſein armes
Weib es nicht wagte, ihn um das Geld zu einer guten
Taffe Thee zu bitten. Auch befürchtete der Meiſter eine
Abnahme ſeiner Verſtandeskräfte, wenn er einmal des
Abends, oder nach der Mahlzeit nicht ſeine Pfeife rau-
chen konnte. So ging der ſauer errungene Verdienſt
jede Woche ſeinen alten Weg. Hatten ſich einmal ganze
und halbe Groſchen in außergewöhnlicher Auzahl in
der Taſche des Schuhmachers eingefunden, ſo wurde
auch der Beſuch des Bierhauſes öfterer wieberholt, die
Extrapfeife öfterer geraucht. Als aber ſeiner Wochen-
einnahmen immer wenigere wurden, als er mit Mühe
in ſeinen großen, weiten Taſchen hier und da einen
verſteckten Groſchen oder Dreier hervorſuchte, da hielt
er es endlich für nötyhig, ſeinem Appetite wenigſtens
in etwas ein Ziel zu ſtecken. So verſtrichen wiederum
Wochen um Wochen. Das Bier ward getrunken, die
Pfeife geraucht, ſo oft es eben unter den beſtehenden
Verhältniſſe angehen mochte, während die ganze Fa-
milie unter dem Drucke tiefſter Armuth ſchmachtete.
Lieschen aber ward von Tage zu Tage ſchwächer.
Die karge Nahrung, die ſie empfing, trug natürlich
auch nicht dazu bei, ihre geſunkenen Kräfte zu heben
und ihr die Geſundheit wieder zu verleihen. ö
„Armes Kind,“ ſagte die Mutter eines Morgens
zu dem bleichen Mädchen, „wie kannſt Du gedeihen,
wenn Du nichts beſſeres zu eſſen bekommſt!! Trocknes
Brod, Kartoffeln und dünner Kaffee kann Dein ſchwa-
cher Magen nicht vertragen. O Gott! Hätten wir
nur wenig von dem, was manche Reichen in das Spü-
licht werfen. 51.
„Es ruht ein Iluch auf der Armuth!“ fiel ihr
Thoſlann plötzlich mit einer für ihn ungewöhnlichen
Bitterkeit in die Rede, indem er dabei Lieschen mit
weinenden Augen betrachtete, die eben ihr Mittagsmahl
unberührt zurückſchob und über Schmerzen im Magen
klagte. „Ein Fluch ruht auf der Armuth 1 wieder-
holte er. „Warum muß gerade mein Kind hungern
und ſchmachten, während die Kinder der Reichen im
us ſchwelgen.7“ —
Thoſtmann hewahrte für gewöhnlich nach. au 1
hin eine vollkommene Ruhe. Er aß jeden Tag
vorkam, mühete ſich
ab bund keß Aich ſelten

jeden Taͤg über ſeiner Arheit
 
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