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Heidelberger Volksblatt (1) — 1868

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Nr. 7 - Nr. 15 (1. Juli - 29. Juli)
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zeit in beſben Rufß er S Attlichen ſtanden hätte.
Wis ein Donnerſchlag trafdie Liebenden dieſe Ent-
ſcheidung des Gerichks. Eliſe war wie zerſchmettert,
als ſie vernahm, daß ihr Hermann bereits am nächſten
Tage nach der Feſtung M. abgeführt werden ſollte, um
auf der⸗dortigen Citadelle ſeine Strafzeit zuzubringen.
Hermanns Prinzipal erklärte nun ſofort die Ver-
bindungſeiner Tochter Eliſe mit dem Verurtheilten für
völlig aufgehoben und überhäufte noch dazu' den Un-
glücklichen mit den ſchrecklichſten Vorwürfen, nicht dar-
auf achtend, wie dieſer ſchon genug gepeinigt ward von
dem Bewußtſein ſeiner, von ſo traurigen Folgen beglei-
teten Fahrläſſigkeit. Hermann wußte indeſſen ſeiner
theuern Eliſe noch ein Billet zuzuſtecken, in welchem er
ſie bat, heute Abend zu einer namhaftgemachten Freun-
din zu gehen, dort' wolle er ſiertreffen, um von ihr Ab-
ſchied zu nehmen.
Die verhängnißvolle Stunderiſchlug; ein u. Polizei-
diener begleitete Hermann nach dem Haufe, in welchem
dieſer Eliſe zu⸗ treffen hoffte. Wer aber malt die Scone
des Abſchieds, den jetzt die Liebenden von einander
nehmen mußten! Selbſt der Polizeidiener konnte ſich
der Thränen nicht erwehren, als er den herzzerreißen-
den Jammer Eliſens ſah, die ſich als die Urſache des
Unglücks anſah, das nun ihren Geliebten treffe; denn
ſie⸗ meinte, ſie ſelbſt hätte Hermann veranlaſſen müſ-
ſen, dem Lehrlinge die⸗ Zubereitung der verhängniß-
volen Medicin nicht allein anzuvertrauen. ö
Hermann warigeſaßt, ſuchte ſeine theure Cliſe
aufzurichten und diéſe ihré Selbſtvorwürfe als durch-
aus ungegründet darzuſtellen. „Laß uns noch hoffen,
meine Theure!“ ſprach er, indem er ſie an ſein Herz
drückte. „Wie bald ſchwindet ein Jahr dahin! Dann
nehme ich wieder eine Stelle an, und hoffe auch Deine
Eltern wieder zu beſchwichtigen. “
Er drückte noch einen Kuß auf: ihre bleiche. Lippen
und eilte mit dem Polizeidiener hinweg, während die
Zeugen dieſer Scene tieferſchüttert die zuſammenſinkende
Eliſe den Armen der Freundin überlieferten.
Der andere Morgen brach an — der verhängniß-
vollſte in Hermann's: Leben. Er⸗ wuußte den ſchweren
Gang zum Gefängniſſe antreten. Wohl hatter er ſeine
theure Eliſe noch mit der Heffuung getröſtet, nach aus-
geſtaudener Sträͤfzeit wieder eine Skellei annehmen zu
können; allein wo ſollte er dieſe Stelle finden? War
nicht leider der unglückliche Vorſall, bei welchem er
durch eine Fahrläſſigkeit den Tod eines Menſchen ver-
anlaßt hatte, in weiter Umgegend bekannt? Mußte er
nicht fürchten, daß jeder Apotheker Bedenken tragen
würde, ihm eine Proviſorſtelle anzuvertrauen?:
„Dieſe. Gedanken, dieſe Befürchtungen machten den
unglücklichen H. ſehr ſchwermüthig und in ſich gekehrt,
ſo daß er faſt allen, Umgang mit ſeinen Leidensgenoſſen
vermied. Zu Letzteren gehörte auch der Oberſt v. D.,
der einer Ehrenſache wegen zum Feſtungsarreſte. ver-
urtheilt worden war. Dieſer Offizier ein großer, ſtaat-
licher Mann, in den fünfzigern, ging eben ſo in ſich
gekehrt und reſignirt vor allen ſeinen Mitgefangenen
vorüber. Da er kein eigentliches Verbrechen abzubüßen

—5⁴

x hatte, hiefte er ſich von n ſeinen Mitgefas

n 1ch ent-
fernter als Hermann; denn er Jah mit giefer Verach-
tung auf ſo manche unter ihnen, von denen er wußte,
daß ſie durch grobe Vergehungen ſich langwierigen Fe-
ſtungsarreſt zugezogen hatten.
. Ganz läaͤnge bfge indeſſen das menſchliche Herz
in ſolcher Theilnahmloſigkeit nicht zu verharren. Auch
der Oberſt von D. fühlte nur zu bald das dringendſte
Bedürfniß, ſich in ſeiner Da C Abgeſchieden-
heit von der übrigen menſchlichen Geſellſchaft zu unter-
halten, und da er den Grund der VBerhaftung des Pro-
viſors H. in Erfahrung gebracht, ſonſt' aber durchaus
nichts Nachtheiliges von ihm gehört hatte, ſo ſuchte er
ihm auf den Spaziergängen in dem beſchränkten Maume
der Citadelle Rede abzugewinnen.
Anfangs waren dieſe vom Oberſten begonnenen Un-
terredungenäußerſt einſilbig und kurzz allein das Be-
dürfniß, ſich mitzutheilen, das Herz einmal recht aus-
zuſchütten, brachte bald. die beiden⸗ Leidensgenoſſen ein-
ander näher. Ihre⸗ Uunterhaltungen wurden immer
länger und intereſſanter⸗ und endlich bei genauerex Be-
kanntſchaft faßten ſiewechſelſeitig Vertrauen gegenein-
ander, das von. Tage zu Tage⸗ herzlicher⸗ und entſchie:
dener wurde.
Offen theilten ſich die beiden Leidensgefährten ihre
Schickſale mit, ſowie auch ihre Hoffnungen, Beſorgniſſe
und Befürchtungen für die nahe und entfernte Zukunft.
Die Strafzeit Beider lief faſt zugleich ab. Der
Oberſt⸗von D. hatte- Hermann währendudes einjährigen,
faſt räglichen Beiſammenſeins überaus liebgewonnen,
ſobald ſich nur Hermann's Herz ihm geöffnet hatte.
Freilich hatte Hermann unwillkürlich faſt jeden
Tag ſeine Klagen darüber laut werden laſſen, wie er
nach erlangter Freiheit doch immer ein kummervolles
Loos haben würde, ja, bei gänzlicher Vermögensloſig-
keit, vom Vertrauen!. des⸗ Publikums verlaſſen, wohl
gar d der ſchrecklichſten Noth anheimfallen könntezz allein
der gute Oberſt von D. hatte ihn ſtets zu ſtröſten ge-
wußt, und imitten in der Ausühung⸗ dieſes ſchönen Be-
rufes hattener täglich aehr den Wunſchtin ſich genährt.
dieſem braven jungen Manne zu helfen.
Nun traf es ſich gerade, daß um⸗ die Zeit, wo
beide Gefangene wieder in Freiheit“ geſetzt werden ſoll-
ten, in M. eine Apotteke zum Virkauf ausgeboten wurde.
Der brave Oberſt von D.berfuhr dies zuerſt und zwar
ganz zufällig durch die gewöhnlichen Anzeigen, um die
er ſich bisher eben nicht bekümmert, die er aber dies-
mal mit Aufmerkſamkeit geleſen hatte. Kaum hatte er
dieſe Anzeige geleſen, ſo machte er Hermann darauf
aufmerkſam und: ſprach:
„Nun, junger Freund, haben Sie nicht Luft, dieſe:
Apotheke zu kaufenund ſich hier in M. iagten als
Apotheker niederzulaſſen?“
„Ach!“ ſeufzte; der beſcheidene Hermann H.„ „wie
könnte ich daran denken, eine Apotheke kaufen zu wol-
len! Dazu gehört fürwahr ein großes Capital, und

ö Sie wiſſen es la, Herr Oberſt, daß ich ganzwermsgens.

195 bin. ö
(Schluß folgt.
 
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