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Heidelberger Volksblatt (1) — 1868

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Nr. 7 - Nr. 15 (1. Juli - 29. Juli)
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ſpaniſche Gensd'armen mit. Carabinern in den [Hän-
den, und da ſie auf keinen Widerſtand des Verwun-
deten ſtießen, ſo verſicherten ſie ſich ſeiner. Sie er-
laubten dem Pfarrer, die gefährliche Wunde zu verbin-
den; aber trotz aller Warnungen des guten Prieſters
wegen der Gefahr, einen ſo ſchwer Getroffenen fortzu-
ſchaffen, hoben ſie den Leidenden auf einen Karren und
führten ihn ohne Weiteres ins Gefängniß ab.
„Einerlei,“ ſagten ſie, „laßt ihn ſterben, der Strick
iſt 164 doch gewiß, es iſt der berüchtigte Räuber
Joſe!“
Joſe dankte dem Pfarrer durch ein Kopfnicken, und
als dieſer ſich über ihn beugte, um ſeine trocknen Lip-
pen mit Waſſer zu neben, ſagte er mit ſchwacher Stimme:
„Ihr wißt —
Der Pfarrer antwortete um durc ein Zeichen, daß
er ihn verſtanden.
Sobald ſie fort waren, ging der Pfarrer trotz
aller Reden Margarita's,, welche ihm die Gefahr und
Nutzloſigkeit eines ſolchen Unternehmens am ſpäten
Abend vorſtellte, durch einen Theil des Waldes in
der Richtung nach dem Wal dſtrome. Als er dort an-
kam, fand er den. Leichnam eines Frauenzimmers, das
wahrſcheinlich durch einen zufälligen Schuß getödtel
war. Ein Kind lag in ihren Armen, ein anderes an.
ihrer Seite, ein Knabe von ungefahr 4 Jahren, er zog
an dem Aermel ſeiner Mutter, um ſie aufzuwecken,
denn er meinte, daß ſie nur ſchlieſe.
Man kann ſich Margarita's Staunen denken, als
ſie den Pfarrer mit zwei Kindern zurückkommen ſah.
„Um aller Heiligen willen! was wollt Ihr mit
den Kindern anfangen? Wir haben kaum ſür uns ſelbſt
genug zu eſſen, und da bringt Ihr zwei Kinder uhr
Wir werden betteln müſſen, von Thür zu Thür, für
uns und ſür ſie. Und was ſür Kinder ſind es? Kin-
der von Vagabonden, Zigeunern oder Reubern! Ich
bin uberzeugt, daß keins von beiden getauft. iſt.“—
In dieſem Augenblick fing der Säugling an zu
ſchreien.
„Und wie wollt Ihr dieſes Kind— aufziehen? Wir
haben nicht die Mittel, eine Amme anzunehmen, wie
das arme mutterloſe Weſen ſie haben muß. Es muß
aufgefüttert werden, und Ihr wißt nicht, was ſ ſür ſchlimme
Nächte das geben wird. Aber⸗ Ihr freilich werdet ru-
hig ſchlafen, während 10, — da ſieh! das Kind iſt
kaum ſechs Monate alt. Glücklicherweiſe habe ich noch
etwas Milch, die ich ihm warm machen kann.“
In ihrem Mitleid vergaß ſie den Verdruß, nahm
das Kind von den Armen des Pfarrers, wiegte es auf
ihrem Schoße und küßte es. Dann legie ſie es neben
dem Heerd nieder, knieete an ſeiner Seite und wärmte
die Milch.
ö Nachdem das Kind getränkt und eingeſchlafen war,
wandte Margarita ihre Auſmerkſamkeit dem andern zu.
Der Mantel des Pfarrers diente als Bett; und als
die gute Laushälterin alle Einrichtungen gemacht, ließ
ſie ſich von ihrem Herrn erzählen, wie er die Kinder
gefunden und wie ſie ſeiner Fürſorge anvertraut wären.
„Das iſt Alles recht gut,“ ſagte Margarita, „aber

1 Frage iſt, wie wir ſie ernähren wollen; ſie ſind

Der Pfarrer ſchlug die Bibel auf und las mit lau-

ter Stimme: „Und wer einem von dieſen Kleinen auch
nur eine Schale kalten Waſſers zu trinken giebt, wahr-
lich ich ſage Euch. der wird ſeinen Lohn erhalten!“ *

„Amen!“ ſagte Margarita.
Am folgenden Tage ließ der Pfarrer den Leich-

nam der Mutter, den er neben dem Fluſſe ge funden,

begraben und laß die Todtenmeſſe für die Verſtorbene.
ö Gerade zwölf Jahre nach dieſer Begebenheit ſaß
der Pfarrer von San Pedro, der jetzt ſiebenzig Jahre

alt war, eines Tages vor ſeinem Hauſe, ſich in der
Sonne⸗ wärmend, es war Winter, und dies war das
erſte Mal ſeit längerer Zeit,

daß die Sonne wieder
durch die Wolken brach. Zu ſeinen. Füßen ſaß ein

Knabe von ungefähr zwölf Fahren, der laut las und
von Zeit zu Zeit nicht ohne Neid auf' einen großen

ſtarken Jüngling von etwa ſechszehn Jahren hinblickte,

der eifrig in dem Garten des Pfarrhauſes arbeitete;
die alte Haushälterin, ietzt faſt erblindet,
„Kinde zu.

horte dem

In dieſem Augenblic vernahm man das Geraſſel
eines Wagens; der Knabe rief, vor Freude aufjauch-
zend: „O, welche ſchöne Kutſche!“ ö
Gleich darauf kam eine prächtige Kutſche auf der
Landſtraße von Sevilla her und hielt vor des Pfarrers
Thür an. Ein Diener in reicher Livre ſprang herab
und bat um ein Glas Waſſer für ſeinen Herrn.
„Carlos,“ ſagte der alte Mann zu dem jüngſten
Knaben, „gieb dem gnädigen Herrn ein Glas Waſſer
und auch ein Glas Wein, wenn er die Güte haben
will, es anzunehmen. Mach ſchnell!
Der vornehme Herr öffnete die Wagenthur und
ſtieg aus; es war ein Mann von ungefähr fünfzig
Jahren. „Sind das Eure Neffen?“ fragte er den
Pfarrer. ö
„Sie ſind mir⸗ theurer als Neffen: es ſind meine
Kinder — meine angenommenen Kinder.“
— „Wie verſtehe ich das 2“ fragte der Fremde.
„Ich will es Ihnen erzählen, Sennor, denn ich
habe Nichts zu verhehlen; im Gegentheil, arm, alt und
unerfahren in der Welt, wie ich bin, bedarf ich eines
Rathgebers, wie ich das zukünftige Glück dieſer beiden
jungen Leute ſichern kann.“ Und er erzählte ihre Ge-
ſchichte, wie ſie dem Leſer bekannt iſt. ö
„Was rathen Sie mir aber nun aus ihnen zu
machen? 2½ fragte er, nachdem er ſeine Erzählung beendigt.
„Fähnriche in der königlichen Garde; und damit

ſie ihrem Range gemäß leben können, wird es rathſam

ſein, ihnen ein jährliches Einkommen von zweitauſend

Piſtolen zu geben.“

„Ich bat um einen Rath, nicht um einen Schert,

Sennor,“ erwiderte der Pfarrer.

„Außerdem muß Eure Kirche neu gebaut werden

und neben derſelben müſſen wir ein ſchönes, bequemes
Pfarrhaus errichten.
treuer braver Mann? — Ich bin Don Joſe della Ri-

Was ſagt Ihr dazu, frommer

beira, vor zwölf Jahren der Räuber Joſe! Ich ent-
 
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