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Heidelberger Volksblatt (1) — 1868

DOI Kapitel:
Nr. 25 - Nr. 33 (2. September - 30. September)
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den 16. September 1868.

ch⸗ und Samſtag. Preis monallich 18 kr.
und bei den Trägern

Einzelne Nummer à 2 kr.
Auswärts bei den Landboten und Voſtanſtalten.

Man abonnirt in der Drucere, ueße

Im Zuchthauſe.

calaan ane der Wirklichkeit von W. Wauen.

Ceeſezung) ͤ
5 D Dank für dieſe eprache eines reinen
Weſens zu. e einem. Verbrecher. “.“.
„Eines Menſchen zum Menſchen! 7 ſagte Johanna.
„So betrachten Sie ſich unter uns. Niemand verdammt

Sie hier, Niemand wirft. den Stein auf Sie, Niemand

haͤlt Sie für einen Verbrecher.
„O Gott,
ö Troſi rief Michael freudig erſchüttert.

Durch Faſſung, Muth, Ergebenheit — *
t

. „Ich will 1. Ich will ſtammelte er. Da rief
die Mutter: „Na kommt herunter von Curem- Thron,
10 liſt der Kaffee! Bleiben auch Sie!“ ſetzte Sie

hinzu, als der Gefangene ſich entfernen wollte, ytrin ·

en Sie eine Taſſe mit uns.

Unſchlüſſig, angſtlich ſah der ſo nuſgeforderte den

Oberinſpektor an.

„Nun Michael,“ ſagte dieſer lächelnd, „Du wirſt *
doch die Mutter Dir nicht zur Feindin machen ? Ar-

beiten kannſt. Du nicht, alſo bleib hier.“

Auch der Vater kam herein und grüßte in ſener

derb gutmüthigen Art den Gaſt.
Seite.

„Komm, mein Junge, ſetze Dich hier an meine
Mutter, ſchenk ihm ein, und da ſteht der Rorb
mit den Zwiebacken, Michailowitſch; halte Dichd'ran,
ſonſt läßt Dir die junge Brut uicht. viel zukommen. “
Schon beim Kaffee erwarb ſſich dieſer das Herz.
Alle beobachteten ihn, wie er-
mit dem Knaben ſich ſo kindlich⸗ beſchäftigte, doch⸗ ließ
dies Niemand merken, um ihn nicht zu ſtören, denn
es ging ihnen mit ihm wie mit einem Rachwandler.

des kleinen Johannes.

ven man zu wecken ſich hüten muß.

wenil mit uns ſei nicht ſo ſtumm.

Michael ſprach jetzt hin und wieder ein Wort mit
und. machte ſich inzwiſchen Allen nützlich. Dem Vater
zündete er die Pfeife an, für die Mutter nahm er die

Taſſen zuſammen und reichte ſie wieder herum, für
Curt liniirte er mehrere Seiten in einem Rechnungs-

buche; troz ſeiner wunden Finger zeichnete er Johanna

in einige Taſchenbücher ihre Namenschiffre, hielt An ⸗

tonien die Baumwolle zum Stricken und machte einige
Schulbucher für Guſtan. Wes geſchah ſtil und leiſe,

wie ſoll ich Ihnen danken für dieſen

ihr doch einen Stuhl“

nicht in's

das Reißen in meinem alten Ropf;
„Nun, Michael,“ begann Curt. zanlc, rſrric ein

in einer ſo ſicheren, eleganten und weurſcheichennden

Weiſe, daß Niemand dieſe kleine Dienſtl eiſtungen haͤtte
ablehnen können. Noch ehe die Feierabendglocke er-
ſcholl, hatte er. ſich zum Liebling der ganzen Familie
gemacht.

Wöährend man plaudernd daſaß, klopfte es leiſe
an die Thür und eine alte Gefangene trat herein. Sie
mochte wohl zwei und ſiebzig Jahr alt ſein, ging ſchon

ganz gebeugt und ihr Haar ſah ſchneeweiß unter der

Kappe hervor, welche alle die Gefangenen tragen. Ihr

Geſicht zeigte das orientaliſche Gepräge, war blaß und ö

leidend. Sie verbeugte ſich zuerſt tief vor dem Ober-

inſpektor.
Diſ „Gott grüß dich, Mutter Jacobi! . empfing ſie
ieſer.
Dann begrüßte ſie eben ſo denuthis den Haus⸗ —
vater und deſſen Fran. *
„Gebt

„Was bringſt Du, Alte?“ frägte Moller.
Michael reichte ihr den ſeinigen und ſein bittender

Blick fragte den Oberinſpektor, ob er nicht auch ſeine

Taſſe Kaffee ihr geben dürfe?“ ö
„Nein, laß mur,“ ſagte dieſer, „das läßt ſch die
Mutter nicht nehmen. **** ö
„Ich bringe die Strümpfe, die ich hab⸗ geſtrick,
Herr Hausvater!“ begann die Alte. „Ich danke, ſchmucker
junger Herr!“ ſetzte ſie zu Michael gewandt hinzu. „Ja,

ja, wenn man die! Siebzig erreicht hat und. krank iſt
dazu, dann wird einem was Gehen uno Stehen nicht.

mehr leicht.s ö
„Wenn Du ſo krank biſt, warum gehſt Du dann
Lazareth?“ fragté Curt. „Dort haſt Du
ärztliche Hilfe und brauchſt nicht zu arbeiten./
„Nicht zu“ arbeiten! Gnädiger Herr, das iſt ö
eben das Schlimme! Kann ich doch nicht leben, ohne'
Arbeit. Auch bin ich nur krank, wenn mich antritt
ſonſt hab' ich im-
mer guten Appetit und weil es gibt im Lazareth nur

4 halbe Portionen, ſo hungert mich da gar zu ſehr.“

Die Mutter gab ihr Kaffee und Zwiebacke; die
Alte wollte ihr die Haͤnde küſſen, die jene jedoch harüdt

zog.
„Wolt ich doch gern entbehren den Arzt!“ fuhr
die Gefangene fort, „wenn ich nur könnt' haben ein
weiches Kiſſen unter dem Kopf. Iſt es doch gar zu
empfindlich, bei ſo ſchrecklichem Schmerz zu liegen auf
dem iharten Stroh! Zwar hab' ich geſammelt ſeit
Jahren jedes Federchen auf den Hofen und voch iſt es
 
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