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—
Etirn und ſeine Juße trugen ihn kaum.
Zimmer des Oberinſpektors blieb er. unbeweglich ſtehen,
doch als dieſer ihn ſanſte berühate, brach er plötzlich zu-
ſammen und ſank zu Boden. Norrmann hob ihn em-
por und trug ihn in das anſtoßende⸗ Gemach auf ſein
Bett. Michael war dürchaus nicht ohnmächtig, ja nicht
einmal geiſtesabmeſend, nur gelähmt und erſtarrt. End-
lich brach er in ein leiſes, ſchmerzliches Wimmern aus.
Curt ſetzte ſich zu ihm, richtete ihn empor und ſprach
ihm Muth und Troſt zu. ö
„Ach,“ jammerte Michael mit leiſer, kaum hörbarer
Stimme, „was ich in der erſten Nacht mit Entſetzen
ſürchtete, den Wahnſinn, jetzt erfleh ich ihn! Wie das
brennt, wie das nagt! Ich kann es nicht ertragen!“
„Sei muthig, Michael! Haſt Du nicht mir, haſt
Du nicht Hanna. verſprochen, es zu ſein??—
VIch kann nicht!. Laſſen Sie mich dieſem Leben
ein Ende machen, es iſt zu aualvoll!“ ö
Norrmann erhob ſich und Te ihm einen über
dem Pult hängenden Dolch. Thu? es! ſagte er alt.
„Ich verachte Dich, Unglücklicher!“ —
„Da ſchrie Michael entſetzt auf, er ſprang enpur,
ſchlenderte die Waffe weit fort und warf ſich vor Norr-
V
.
mann nieder, mit beiden Armen ſeine Knie umſchlin-
gend. „Erbarmen! Erbarmen!“ jammerte er. „Ver-
laſſen nicht auch Sie mich!“ Um Gotites und meiuer
Leiden willen, zürnen Sie mir nicht!“—
„Gul, Michael, 10 nimm Dich zuſammen und ſei
ein Mann! Es war das Letztemal, daß man Dir ſo
begegnete. Ich habe Dich befreit von der:⸗ ſchweren
Arbeit unter jenen rohen Menſchen und von der Ty-
rannei des Direktors; er wird Dir nichts mehr zu
leid thun, Du wirſt fortan den Tag hindurch in mei-
nem Zimmer arbeiten, und wenn Du mir dankbar
vafür willſt, ſo laß mich Dich gefaßt und muthig
ſehen.
gehen.“
Glühend drückte Michael
Hand des Oberinſpektors
Fahrenwald, der als dienender Geiſt in der Haus-
haltung des Hausvaters ſungirte, brachte jebt den
Kaffee ſür den Oberinſpektor.
„ch laſſe die Mutter noch um eine Portion er-
ſuchen, ſagté Norrmann zu ihm.
Der Kaffee f am⸗und Michael. nahm die füt ihn
beſtimmte Taſſe ab, die Milchbrode aber lehnte. er ab-
„Zwar mahmen möcht' ich. ſie gern, doch nicht eſſ⸗ 1
ſagte er bittend.
„Und was willſt Du puſt danirz⸗ kragie Norr-
mann.
„Der Mutter Jacobi möcht' ich ſie geben. Sie
ſagte, ſie habe immer guten Appetit und da⸗dex mei-
nige ſo ſchlecht iſt, ſo könnt' ich ihr mit meinem Ueber-
fluſſe helfen!“
„Wie Du willſ!“ Und ſich zu Fahrenwald wen-
dend, der den Staub von den Meubles wiſchte, ſagte
der Oberinſpektor:
in den Hof, um ſich die Speiſen zu % ſie werden
ihm, wie die der Kanzeliſten gebracht.“ ö
ſeine eipen auf die
werk.
der Cörreſpondenzen nach allen Seiten hin Auskunft
den Oherinſpektor⸗ überraſchte.
fragte Curt.“
nunter vier Augen oder im Familienkreiſe, weil ich als
I.5. ſleh⸗ auf und: laß uns an unſer Tagewerk
inſpektor mit. „Würde.
wie die meinige und nicht oberflächlich, abgeſtumpft
von ihrer Stellung zur, Welt ſondern.
„Michailowitſch kommt nicht mehr
118
Mitten im
Jeht ging es an die Arbeit. Norrmann hatte
bald Gelegenheit, ſich ſeines neuen Sekretairs zu freuen,
Als Kaufmann, wozu dieſer von ſeinem Vater gebil-
det worden, wußte er mit der Buchführung Beſcheid
und die Aie ien dig Berechnungen waren ihm Spiel-
5 fein gebildeter Mann, wußte er hinſichts
und handhabte dieſes Fach mit einer Gewandheit, welche
Selbſt ſehr ungern
ſchreibend, ſah er, daß er an Michailowitſch auch einen
ausgezeichneten Privatſecretair gewonnen. Am meiſten
ſreute ihn die Bemerkung, daß der Gefangene während
der Arbeit ein ganz anderer Menſch zu werden ſchien.
Sein Benehmen zeigte hier eine ruhige Sicherheit, im
Gegenſatz du der ängſilichen Unterwürfigkeit anderer
Stunden. Ja, er erlaubte ſich ſogar, freilich im be-
ſcheidenſten feinſten Ton, den Oberinſpektor über Man-
ches zu belehren und anderer Meinung zu ſein als
dieſer. Der unglückliche Ausdruck ſeines Geſichts ging
allmählich: in eine ſanfte Melancholie über. ö
„Sie ſind ein wahrer Schatz für mich, nlo.
wiſcht⸗ ſagte Norrmann, ihm die Hand reichend.
Dieſer drückte die dargereichte an ſeine Bruſt.
„Wie glücklich würden mich. dieſe Worte machen,
wenn ſie nicht das. unglückliche „Sie⸗ euthiellen, er-
wiederte er traurig.
„Warum wollen Sie es nicht hören, Michael?⸗
„Ich darf es Ihnen freilich Rur geben
Beamter nicht abweichen darf von den Regeln des
Hauſes, aber als Menſch, als Mann von Bildung möchte
ich Ihunen gerecht werden.“—
„Darf ich aufrichtig ſprechen, lieber derrf ö
„Immer Michael!“ ö
„Was Sie in edelſter Abſcht thim wuͤrde mir
nur unſägliche: Schmerzen bereiten. Müßte nicht der
Wechſel von „Du“ und „Sie“ mir immer wieder mein
trauriges Geſchick vor. die Seele führen, während das
ſtete „Du“ mich Ihnen. naher bringt und.—
„Run, und?
AIund ich mein. Herz mit dem Troſte belügen kann,
daß Sie es mir aus Liehe, nicht aus V zerachtung geben!“
„Höre mich, jünger Mann!“ ſprach der Ober-
„Wer in einer Stellung lebt
der lernt ſehr bald die; Menſchen
Glaube mir,
ich fand in den geachteſten Stellungen der
elt (t Menſchen, deren Daſein allein ſchon mich empörte,
wahrend ich mit Staunen und Ainhwng ſelbſt in dem
ſchwerſten Verbrecher oft noch die durch das weltliche-
Geſetz erſt erſtickten Keime des Guten vorfand. Wie
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oder böswillig⸗ iſt,
wach, wie immer zum Strafen bereit iſt dies Geſetz,
wie wenig gilt ihm der Menſch mit ſeinen Gefühlen,
wie wenig Rückſicht nimmt es auf die Verſuchungen der
Welt, wie leicht. verfällt ihm der nicht immer Starke.
Soll der von dem Geſetze Getroffene darum hier ein
Verworfener ſein? Haben nicht mindeſtens Die, welche
ſich ausſchließen von der Cemeinſchaft mit dem Pöbel.
—
Etirn und ſeine Juße trugen ihn kaum.
Zimmer des Oberinſpektors blieb er. unbeweglich ſtehen,
doch als dieſer ihn ſanſte berühate, brach er plötzlich zu-
ſammen und ſank zu Boden. Norrmann hob ihn em-
por und trug ihn in das anſtoßende⸗ Gemach auf ſein
Bett. Michael war dürchaus nicht ohnmächtig, ja nicht
einmal geiſtesabmeſend, nur gelähmt und erſtarrt. End-
lich brach er in ein leiſes, ſchmerzliches Wimmern aus.
Curt ſetzte ſich zu ihm, richtete ihn empor und ſprach
ihm Muth und Troſt zu. ö
„Ach,“ jammerte Michael mit leiſer, kaum hörbarer
Stimme, „was ich in der erſten Nacht mit Entſetzen
ſürchtete, den Wahnſinn, jetzt erfleh ich ihn! Wie das
brennt, wie das nagt! Ich kann es nicht ertragen!“
„Sei muthig, Michael! Haſt Du nicht mir, haſt
Du nicht Hanna. verſprochen, es zu ſein??—
VIch kann nicht!. Laſſen Sie mich dieſem Leben
ein Ende machen, es iſt zu aualvoll!“ ö
Norrmann erhob ſich und Te ihm einen über
dem Pult hängenden Dolch. Thu? es! ſagte er alt.
„Ich verachte Dich, Unglücklicher!“ —
„Da ſchrie Michael entſetzt auf, er ſprang enpur,
ſchlenderte die Waffe weit fort und warf ſich vor Norr-
V
.
mann nieder, mit beiden Armen ſeine Knie umſchlin-
gend. „Erbarmen! Erbarmen!“ jammerte er. „Ver-
laſſen nicht auch Sie mich!“ Um Gotites und meiuer
Leiden willen, zürnen Sie mir nicht!“—
„Gul, Michael, 10 nimm Dich zuſammen und ſei
ein Mann! Es war das Letztemal, daß man Dir ſo
begegnete. Ich habe Dich befreit von der:⸗ ſchweren
Arbeit unter jenen rohen Menſchen und von der Ty-
rannei des Direktors; er wird Dir nichts mehr zu
leid thun, Du wirſt fortan den Tag hindurch in mei-
nem Zimmer arbeiten, und wenn Du mir dankbar
vafür willſt, ſo laß mich Dich gefaßt und muthig
ſehen.
gehen.“
Glühend drückte Michael
Hand des Oberinſpektors
Fahrenwald, der als dienender Geiſt in der Haus-
haltung des Hausvaters ſungirte, brachte jebt den
Kaffee ſür den Oberinſpektor.
„ch laſſe die Mutter noch um eine Portion er-
ſuchen, ſagté Norrmann zu ihm.
Der Kaffee f am⸗und Michael. nahm die füt ihn
beſtimmte Taſſe ab, die Milchbrode aber lehnte. er ab-
„Zwar mahmen möcht' ich. ſie gern, doch nicht eſſ⸗ 1
ſagte er bittend.
„Und was willſt Du puſt danirz⸗ kragie Norr-
mann.
„Der Mutter Jacobi möcht' ich ſie geben. Sie
ſagte, ſie habe immer guten Appetit und da⸗dex mei-
nige ſo ſchlecht iſt, ſo könnt' ich ihr mit meinem Ueber-
fluſſe helfen!“
„Wie Du willſ!“ Und ſich zu Fahrenwald wen-
dend, der den Staub von den Meubles wiſchte, ſagte
der Oberinſpektor:
in den Hof, um ſich die Speiſen zu % ſie werden
ihm, wie die der Kanzeliſten gebracht.“ ö
ſeine eipen auf die
werk.
der Cörreſpondenzen nach allen Seiten hin Auskunft
den Oherinſpektor⸗ überraſchte.
fragte Curt.“
nunter vier Augen oder im Familienkreiſe, weil ich als
I.5. ſleh⸗ auf und: laß uns an unſer Tagewerk
inſpektor mit. „Würde.
wie die meinige und nicht oberflächlich, abgeſtumpft
von ihrer Stellung zur, Welt ſondern.
„Michailowitſch kommt nicht mehr
118
Mitten im
Jeht ging es an die Arbeit. Norrmann hatte
bald Gelegenheit, ſich ſeines neuen Sekretairs zu freuen,
Als Kaufmann, wozu dieſer von ſeinem Vater gebil-
det worden, wußte er mit der Buchführung Beſcheid
und die Aie ien dig Berechnungen waren ihm Spiel-
5 fein gebildeter Mann, wußte er hinſichts
und handhabte dieſes Fach mit einer Gewandheit, welche
Selbſt ſehr ungern
ſchreibend, ſah er, daß er an Michailowitſch auch einen
ausgezeichneten Privatſecretair gewonnen. Am meiſten
ſreute ihn die Bemerkung, daß der Gefangene während
der Arbeit ein ganz anderer Menſch zu werden ſchien.
Sein Benehmen zeigte hier eine ruhige Sicherheit, im
Gegenſatz du der ängſilichen Unterwürfigkeit anderer
Stunden. Ja, er erlaubte ſich ſogar, freilich im be-
ſcheidenſten feinſten Ton, den Oberinſpektor über Man-
ches zu belehren und anderer Meinung zu ſein als
dieſer. Der unglückliche Ausdruck ſeines Geſichts ging
allmählich: in eine ſanfte Melancholie über. ö
„Sie ſind ein wahrer Schatz für mich, nlo.
wiſcht⸗ ſagte Norrmann, ihm die Hand reichend.
Dieſer drückte die dargereichte an ſeine Bruſt.
„Wie glücklich würden mich. dieſe Worte machen,
wenn ſie nicht das. unglückliche „Sie⸗ euthiellen, er-
wiederte er traurig.
„Warum wollen Sie es nicht hören, Michael?⸗
„Ich darf es Ihnen freilich Rur geben
Beamter nicht abweichen darf von den Regeln des
Hauſes, aber als Menſch, als Mann von Bildung möchte
ich Ihunen gerecht werden.“—
„Darf ich aufrichtig ſprechen, lieber derrf ö
„Immer Michael!“ ö
„Was Sie in edelſter Abſcht thim wuͤrde mir
nur unſägliche: Schmerzen bereiten. Müßte nicht der
Wechſel von „Du“ und „Sie“ mir immer wieder mein
trauriges Geſchick vor. die Seele führen, während das
ſtete „Du“ mich Ihnen. naher bringt und.—
„Run, und?
AIund ich mein. Herz mit dem Troſte belügen kann,
daß Sie es mir aus Liehe, nicht aus V zerachtung geben!“
„Höre mich, jünger Mann!“ ſprach der Ober-
„Wer in einer Stellung lebt
der lernt ſehr bald die; Menſchen
Glaube mir,
ich fand in den geachteſten Stellungen der
elt (t Menſchen, deren Daſein allein ſchon mich empörte,
wahrend ich mit Staunen und Ainhwng ſelbſt in dem
ſchwerſten Verbrecher oft noch die durch das weltliche-
Geſetz erſt erſtickten Keime des Guten vorfand. Wie
8
oder böswillig⸗ iſt,
wach, wie immer zum Strafen bereit iſt dies Geſetz,
wie wenig gilt ihm der Menſch mit ſeinen Gefühlen,
wie wenig Rückſicht nimmt es auf die Verſuchungen der
Welt, wie leicht. verfällt ihm der nicht immer Starke.
Soll der von dem Geſetze Getroffene darum hier ein
Verworfener ſein? Haben nicht mindeſtens Die, welche
ſich ausſchließen von der Cemeinſchaft mit dem Pöbel.