nicht und foll auch niemals Kaſahren, daß ich ihn ſo
über Alles geliebt habe. — Laſſen Sie mich noch eine
kurze Zeit ſeiner Gegenwart ungeſtört, ohne Argwohn,
ohne Ihren Zorn genießen! Norrmann hat um Be-
gnadigung fur ihn geſchrieben, der Onkel meint, ſie
würde ihm jedenfalls gewährt, da der König das Ur-
theil gleich ſehr hart gefunden habe. und ihn nur der
Präſident von Norrmann verhindert habe, die Strafe,
wie es Curt erbeten, in Feſtungshaft zu verwandeln.
Wenn Michailowitſch frei iſt, ſo geht er fort und ich
ſterbe bald, dann iſt Ihre Ehre gexettet, Vater.,
„Meine Ehre gerettet und mein Herz gehrochen “
rief Moller im Ausbruch ſeines Schmerzes. „Ja, ſtirb
nur, ſtirb für den Sträfling; was kümmert Dich Dein
alter Vater und ſein gebrochenes Herz!“
Antonie verhüllte das Antlitz in ihre Decke, dann
aber ſchlang ſie die Arme um den Vater und ſprach
in unendlich, weichem und klagendem Tone:
„Ich möchte, ach, wie gern leben; ich bin ja noch
ſo jung und hatte mir das Leben ſo ſchön gedacht!
Ich werde auch leben, ſo lange er bei mir iſt, wenn
ich ihn auch nicht beſitzen kann, nur ihn ſehen, ihn
bören, mich in ſeiner Nähe wiſſen. Ich kann nicht da-
für, Bater, daß ich ſterben muß, wenn er geht; mein
Leben iſt an ihn gekettet, es flieht mit ihm!«
Voll Schmerz und Zorn wollte er auffahren, allein
er faßte ſich und ſägte ruhiger, doch nicht ohae Bitter-
keit: „Nun, rege Dich nicht auf und erhalte Dich mür
mindeſtens noch ſo lange, bis er Dein Leben mit ſich
nimmt. Ich will nichts gegen Dich thun, und auch
keinen, Argwohn gegen Euch hegen, londein mich-
Dein Wort und Deine Ehre verlaſſen. 8— ö
„Dank, o Dank“
Moller. wollte gehn, ſie rief ihn nuric.
„ „Ach, küſſen Sie mich doch nur einmal, Vater
bat ſie, und er thut es. An ſeiner Bruſt ruhend ſprach
ſie ſchmeichelnd: „Ich möchte ſo gern, im Wohnzim-
mer ein wenig auf dem Sovha liegen.“ I
„Warume, 275•
„Nun, es iſt. doch eine Veränderung!“
„Antonie! Du lügſt“
„Vergebung, Vater! Ja, ich⸗ ſprach nicht die
Wahrheit! ach, ich möchte ihn ſo gern einmal wieder
ſehen!“ ſtotterte ſie voll Angſt und⸗ Verlegenheit.
„Nun, ſei ruhig! Ich habe Dir neulich zuviel ge-
than und muß Dir nun ſchon etwas hingehen laſſen.
Ich ſchicke Johannen, ſie mag Dich einhüllen und Norr-
mann ſoll Dich dann hinein tragen zur Kaffeezeit.“
Als der Schwager kam und ſie in's Wohnzimmer-
trug, war nur Johanna in demſelben. Wie er die
Kranke nun ſo Thtn. und bequem zu betten benuht
war, ſah ihn dieſe Ibe gerührt an.
„Wie unrecht that ich Dir, als ich Dich, zu ſtrenge
fand!“ baͤt ſie⸗ „Vergieb es mir, mein theurer, edler
Wam Was haſt. Du nicht Mles iebt für mich ge-
tha
van „Wenig Kind, wenig! 2*5 erwiderte er. „Doch habe
Vertrauen zu mir und meinem Willen. Gräme Dich
nicht; äͤngſtige Dich nicht- und denke nur immer: Curt
0
und werft die Taſſe weg!
das Andere.“
„Das war ich, Bäterchen!“ ſagte Michael ſchmei —
celnd. „Die Obertaſſe glitt etwas auf die Seite.
liebevoller als je zu ihr war/
lenkt Alles noch zum Guten l — Faſt erſchrocken ah
ſie ihn mit ihren jetzt ſo großen draunen Augen anr.
„Wie wäre das möglich?“ fragte ſie.
Bei Gott wäre nichts unmöglich!“ entgegnete er
feierlich, und wenn wir uns auf ihn verlaſſen, ſo ver-
läßt er uns ſicherlich nicht.“
Es pochte leiſe, man kannte dies alopfen; das
war Michailowitſch. Antonie bebte und ſank in die
Kiſſen zurück. Michael war eingetreten.
V pAntonie!“ rief er heftig erſchüttert und uberraſcht
von ihrer unerwarteten Anweſenheit. „O liebes Fräu-
lein, wie ſehr müſſen Sie gelitten haben!ꝰ
Zu ſprechen vermochte ſie nicht, doch reichte ſie
ihm ihre Hand, die er innig und tief bewegt an ſeinen
Lippen drückte. Die Mutter brachte den Kaffee, ſie
küßte die Tochter zärtlich, dann kam. auch der Vater
und man ſetzte ſich um den Tiſch.
„Gieß auch Antonien etwas Kaffee ein, 4* Rate —
Moller zur Mutter. Nicht wahr Kind, Du intſ: ein
wenig??
„Wenn Sie ihn mir veichen wolen, lieber Vater! 1
entgegnete ſie lächelnd.
„Nein Kind, ich bin müde und abgehetzt; Michai-
was iſt denn das für ein Geklapper? Seid ſo gut
Eins iſt ſo ungeſchickt wie,
Wieſ er lügen konnte! Sie war es geweſen, weil
ihre Hand vor Freude und Berlegenheit och mehr als
vor Schwäche zitterte.
Da der Vater ihr nun vergeben und ſogar jetzt
da die Worte Curts
eine, wenn auch ganz unbeſtimnite Hoffung in ihrem
Herzen erregt hatten, ſo that Antonie jetzt Alles, was
lowitſch, gieb ihr die⸗ Taſſt e und einen Zwieback. Na,
der Arzt zu ihror Kräftigung und Stärkung verordnete. ö
Doch dieſe beruhigenden Empfindungen ſelbſt wirkten
ſchon unendlich wohlthuend zur Ader Wet gi ihrer
Geſundheit. Freilich konnten, wie der Arzt geſagt, wohl
noch Jahre vergehen, bevor fie ganz geneſen ſein würde,
allein es war doch ſchon ſo viel gewonnen, daß nur,
überhaupt eine „Hoffnung auf ihre Geneſung 5 p
ſein konnte. Jetzt freute man ſich ſchon, daß ſie es
vermochte, von Mittag bis zum Schlafengehen in der
Wohnung auf dem Sopha zu liegen. Hiezu kräftigte
ſie die Liebe, denn zu Mittag, zum Kaffee, zum Abend-
eſſen kam ja der Geliebte, und der Ahend, der ſchöne
Abend, wo er drei Stunden lang in ihrer Nähe weilte.
Und⸗ hier entwickelte ſich nun ein, eigenthümlich zartes
und anmges Verhaͤltniß zwiſchen den ingen Wuten-
Gortzezung feigr).
2
über Alles geliebt habe. — Laſſen Sie mich noch eine
kurze Zeit ſeiner Gegenwart ungeſtört, ohne Argwohn,
ohne Ihren Zorn genießen! Norrmann hat um Be-
gnadigung fur ihn geſchrieben, der Onkel meint, ſie
würde ihm jedenfalls gewährt, da der König das Ur-
theil gleich ſehr hart gefunden habe. und ihn nur der
Präſident von Norrmann verhindert habe, die Strafe,
wie es Curt erbeten, in Feſtungshaft zu verwandeln.
Wenn Michailowitſch frei iſt, ſo geht er fort und ich
ſterbe bald, dann iſt Ihre Ehre gexettet, Vater.,
„Meine Ehre gerettet und mein Herz gehrochen “
rief Moller im Ausbruch ſeines Schmerzes. „Ja, ſtirb
nur, ſtirb für den Sträfling; was kümmert Dich Dein
alter Vater und ſein gebrochenes Herz!“
Antonie verhüllte das Antlitz in ihre Decke, dann
aber ſchlang ſie die Arme um den Vater und ſprach
in unendlich, weichem und klagendem Tone:
„Ich möchte, ach, wie gern leben; ich bin ja noch
ſo jung und hatte mir das Leben ſo ſchön gedacht!
Ich werde auch leben, ſo lange er bei mir iſt, wenn
ich ihn auch nicht beſitzen kann, nur ihn ſehen, ihn
bören, mich in ſeiner Nähe wiſſen. Ich kann nicht da-
für, Bater, daß ich ſterben muß, wenn er geht; mein
Leben iſt an ihn gekettet, es flieht mit ihm!«
Voll Schmerz und Zorn wollte er auffahren, allein
er faßte ſich und ſägte ruhiger, doch nicht ohae Bitter-
keit: „Nun, rege Dich nicht auf und erhalte Dich mür
mindeſtens noch ſo lange, bis er Dein Leben mit ſich
nimmt. Ich will nichts gegen Dich thun, und auch
keinen, Argwohn gegen Euch hegen, londein mich-
Dein Wort und Deine Ehre verlaſſen. 8— ö
„Dank, o Dank“
Moller. wollte gehn, ſie rief ihn nuric.
„ „Ach, küſſen Sie mich doch nur einmal, Vater
bat ſie, und er thut es. An ſeiner Bruſt ruhend ſprach
ſie ſchmeichelnd: „Ich möchte ſo gern, im Wohnzim-
mer ein wenig auf dem Sovha liegen.“ I
„Warume, 275•
„Nun, es iſt. doch eine Veränderung!“
„Antonie! Du lügſt“
„Vergebung, Vater! Ja, ich⸗ ſprach nicht die
Wahrheit! ach, ich möchte ihn ſo gern einmal wieder
ſehen!“ ſtotterte ſie voll Angſt und⸗ Verlegenheit.
„Nun, ſei ruhig! Ich habe Dir neulich zuviel ge-
than und muß Dir nun ſchon etwas hingehen laſſen.
Ich ſchicke Johannen, ſie mag Dich einhüllen und Norr-
mann ſoll Dich dann hinein tragen zur Kaffeezeit.“
Als der Schwager kam und ſie in's Wohnzimmer-
trug, war nur Johanna in demſelben. Wie er die
Kranke nun ſo Thtn. und bequem zu betten benuht
war, ſah ihn dieſe Ibe gerührt an.
„Wie unrecht that ich Dir, als ich Dich, zu ſtrenge
fand!“ baͤt ſie⸗ „Vergieb es mir, mein theurer, edler
Wam Was haſt. Du nicht Mles iebt für mich ge-
tha
van „Wenig Kind, wenig! 2*5 erwiderte er. „Doch habe
Vertrauen zu mir und meinem Willen. Gräme Dich
nicht; äͤngſtige Dich nicht- und denke nur immer: Curt
0
und werft die Taſſe weg!
das Andere.“
„Das war ich, Bäterchen!“ ſagte Michael ſchmei —
celnd. „Die Obertaſſe glitt etwas auf die Seite.
liebevoller als je zu ihr war/
lenkt Alles noch zum Guten l — Faſt erſchrocken ah
ſie ihn mit ihren jetzt ſo großen draunen Augen anr.
„Wie wäre das möglich?“ fragte ſie.
Bei Gott wäre nichts unmöglich!“ entgegnete er
feierlich, und wenn wir uns auf ihn verlaſſen, ſo ver-
läßt er uns ſicherlich nicht.“
Es pochte leiſe, man kannte dies alopfen; das
war Michailowitſch. Antonie bebte und ſank in die
Kiſſen zurück. Michael war eingetreten.
V pAntonie!“ rief er heftig erſchüttert und uberraſcht
von ihrer unerwarteten Anweſenheit. „O liebes Fräu-
lein, wie ſehr müſſen Sie gelitten haben!ꝰ
Zu ſprechen vermochte ſie nicht, doch reichte ſie
ihm ihre Hand, die er innig und tief bewegt an ſeinen
Lippen drückte. Die Mutter brachte den Kaffee, ſie
küßte die Tochter zärtlich, dann kam. auch der Vater
und man ſetzte ſich um den Tiſch.
„Gieß auch Antonien etwas Kaffee ein, 4* Rate —
Moller zur Mutter. Nicht wahr Kind, Du intſ: ein
wenig??
„Wenn Sie ihn mir veichen wolen, lieber Vater! 1
entgegnete ſie lächelnd.
„Nein Kind, ich bin müde und abgehetzt; Michai-
was iſt denn das für ein Geklapper? Seid ſo gut
Eins iſt ſo ungeſchickt wie,
Wieſ er lügen konnte! Sie war es geweſen, weil
ihre Hand vor Freude und Berlegenheit och mehr als
vor Schwäche zitterte.
Da der Vater ihr nun vergeben und ſogar jetzt
da die Worte Curts
eine, wenn auch ganz unbeſtimnite Hoffung in ihrem
Herzen erregt hatten, ſo that Antonie jetzt Alles, was
lowitſch, gieb ihr die⸗ Taſſt e und einen Zwieback. Na,
der Arzt zu ihror Kräftigung und Stärkung verordnete. ö
Doch dieſe beruhigenden Empfindungen ſelbſt wirkten
ſchon unendlich wohlthuend zur Ader Wet gi ihrer
Geſundheit. Freilich konnten, wie der Arzt geſagt, wohl
noch Jahre vergehen, bevor fie ganz geneſen ſein würde,
allein es war doch ſchon ſo viel gewonnen, daß nur,
überhaupt eine „Hoffnung auf ihre Geneſung 5 p
ſein konnte. Jetzt freute man ſich ſchon, daß ſie es
vermochte, von Mittag bis zum Schlafengehen in der
Wohnung auf dem Sopha zu liegen. Hiezu kräftigte
ſie die Liebe, denn zu Mittag, zum Kaffee, zum Abend-
eſſen kam ja der Geliebte, und der Ahend, der ſchöne
Abend, wo er drei Stunden lang in ihrer Nähe weilte.
Und⸗ hier entwickelte ſich nun ein, eigenthümlich zartes
und anmges Verhaͤltniß zwiſchen den ingen Wuten-
Gortzezung feigr).
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