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Heidelberger Volksblatt (1) — 1868

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Nr. 43 - Nr. 50 (4. November - 28. November)
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28

ude, Sautſhaber und Wollkratzer hier in der Stadt
größtentheils den ketzeriſchen Lehren die drüben in
Mühlhauſen verhreitet werden, geneigtes Ohr leihen
und zu' den mörderiſchen Bauein halten; das muß ja
ö Was ſoll da ein Frie⸗ melt oder mit eckeln Unheilbaren Schäden behaftet⸗ un-
ter den Linden und unter dem Portale des der heili-

balds zum Losplatzen kommen.
densdankfeſt?! Kommt mir vor wie Spott! wie eitel
Gimpel Gampel!“

„O ihr böſen Männer,“ meinte Richenza und drohete

dem⸗Ritter mit dem ſchlanken Finger ihrer ſchönen

Hand; „ihr ſeid nur immer auf's Schlagen, Balgen

und Raufen bedacht,

auf's inbrünſtigſte zu unſerer gnadenreichen Mutter

beten, daßſie euch das böſe Lüſtlein lege und uns den

Frieden gnädiglich bewahre.
Mit einem innigen Kuß ſchloß der Ritter den klei-

nen, ſchmählenden Mund, nahm den Arm der ſchönen
Frau und führte ſie die Stsar. hinab auf die e e⸗

und. dem Gotteshauſe zu. — —.
2.

men Betern überfüllt, ſo daß viele der Andächtigen, die

in bunter Menge aus Stadt und Dorf herbeigeſtrömt ö
waren, draußen unter dem in Lenzesfriſche prangenden

Laubdach der Linden knieen mußten und nur ab und
Dan ein erbauliches Wörtlein auffangen konnten, welches
dem beredten Munde des ehrwürdigen Paters Johaunes
entfloß, der drinnen in den Weihrauch⸗duftenden Hallen

Gott lebte für gnädig hergeſtellten Frieden, und die
Andächtigen in langer Predigt ermahnte, feſtzuhalten

am Glauben und an den Heilslehren der Kirche, damit

des Herrn Zorn nicht ein neues Strafgericht über Stadt

und Laud verhänge. —

Es that auch wahrlich große Noth, daß der Streit

zwiſchen den Heiligenſtädtern und dem Stadt⸗feindlichen

Adel endlich zu Dingelſtadt vertragen war, denn länger

als dreißig-Jahre hindurch hatten, nur ab und an von
wenigen,
Fehden Stadt und Land grauſam geſchädigt. Schon im
verwichenen Jahrhundert war die Stadt um geringer
Urſache willen mit Haiſo und Tilo von Kerſtlingerode

in Fehde gerathen, welche mit Rauben, Brennen und

Sengen den Bürgern merklichen Schaden gethan, und

kaum war das vertragen, ſo ging wieder ein biutiger

Tanz mit denen von Hanſtein los. Eine Fehde folgte,

„da der Adel unter ſich eng zufammenhielt und leicht
Urſache zum Strei: fand, wenn er nur wollte, der an-
dern, und das machten ſich beſonders die aus dem ver-

Narmten Adel zu Nutze, die auf ihren baufälligen Stei-

neu ſaßen und oft kaum ſo viel hatten, den Hunger zu
Dieſe neideten giftig den Bürgern ihren Wohl-

ſtillen.
ſtand, beuteten den ewigen Kriegstumult für ſich aus

und plackten und beraubten ohn' Unterlaß Alles, was
ſtädtiſch war. Auch ließen ſich dieſe grauſamen „Hecken-
reuter“ und „Scharlachhändler“ nicht am Raube genü-

gen, ſondern verſtümmelten wohl gar, nach grauſamer

Räuberſitte der Zeit, die armen Gefangenen an Händen
und Füßen, oder zwangen ihnen, wein ſie begütert
waren, durch unmenſchliche Mibßhandlungen, und Mar·

tern. In hohes Loſegeld ab.

lagen auch bei dem

kurzen Friedensjahren unterbrochen, blutige

inze Dorjſchaften waren in Schutthaufen verwan-
delt und ihre Bewoh er zu Bektlern gemacht; folcher
eutigen und Friedensfeſte
hüllt und ma che grauſam verſtüm-

viele in. Lumpen

gen Jungfrau geweihten Gotteshauſes und ſtreckten.

flehentlich um milde Gaden bittend, den Andächtigen,
deren Leib und Habe das Kriegswetter verſchont, die
abgemagerten Hände entgegen.—
aber wart' nur, ich werde heut?

Da lag auch am Portale, gerade unter dem Bilde
der gnadenreichen Mutter, ein armer Greis, betete mit
großer Innigkeit ſeinen Roſenkranz und wünſchte den

milden Gebern Heil und Segen, welche erbaut das

Gotteshaus verlaſſend, manchen Mariengroſchen und
manchen Scherf in die aufgehaltene Hand des Alten
gleiten ließen. War doch Ziligax Henne, ſo hieß der
Bettelmann, wohl jedem Kinde in der Stadt als ein

ö ö ö ſchwerheimgeſuchter Mann bekannt, dem es nicht einſt
Die Kirche zu unferer lieben Frau war von ſram

an der Wiege geſungen ward, daß er ſeine alten Tage

durch der Leute Milde friſten. ſollte. —Man ſah's dem
Ziligax auch an, daß er einſt beſſere Tage geſehen,
denn ſolch ein Apoſtelkopf mit treuen, klugen Augen,

wie ihn der Ziligax auf ſeinem langen, dürren, von
einer Art Mönchsgewand umfloſſenen Leibe trug, formt
ſich nicht leicht bei ſolchen, die von Jugend auf unter

Noth, Elend und wüſtem, ecklem Treiben in der Bett-

lerhorherge aufgewachſen ſind, und von Kindesbeinen
an Lug und Trug übend, in dem zerlumpten Haufen

der „Stäbler“, „Grätner“ „ „Kameſirer“ und anderer

verlogener und betrügender Bettler mitlaufen. — So

mochte auch unſere ſchöne Richenza von Gehofen über
den Ziligax denken, welche eben das Gotteshaus ver-

laſſend und unter das Portal tretend, mit einem freund-
lichen, theilnehmenden: „Grüß Golt, guter Ziligax!“
dem Bettelmann eine reiche Gaͤbe in die dargereichte

Hand fallen ließ, ſodann aber mit Vauthn ja majeſtä-
iſchem Anſtande die zu der Straße führenden Stufen
hinabſtieg.

„Verdammt ſei die Sontpin (Edeldame) und das

ganze Bſchudernim (Edelvolk)! brummte ingrimmig ein

hinter dem Ziligax ſtehender, jugendlicher Battler, der
einen verſtümmelten Arm in der Binde trug. ö
Wer dieſen jungen Bettler vor ſeinem Zornesaus-

bruch betrachtet hätte, wie er geſ enkten Hauptes und

mit der demüthigen Miene, wie ein rechtes Jammerbild
daſtand, würde ſich höchlichſt verwundert haben über die

plötzliche und ſeltſame Veränderung, die unter dem aus-
geſtoßenen Fluche im Geſicht und in der Bewegung des
demüthigen, trübſeligen Bettlers vorging, Seine granen

Augen ſprüheten ein grimmes Feuer, ſein gewaltiges

Gebiß, dem auch die härteſte, erbettelte Brodrinde nicht
zu hart war, knirſchte laut aufeinander und die eine

geſunde Hand, welche er noch hatte, umfaßte krampf-

haft den⸗ derben Knittel, der ihn ſtützte.

Ziligax, der allein den Fluch des Bettelgenoſſen ge-
hört, wandte ſich unwillig und in ſeltſamer Erregung
mit den Worten nach ihm um: „Hältſt Du ſo Dein
Verſprechen, daſt S Du rachluheger, r ö
 
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