WMithvoch, den 25. November 1868.
1. Jahrg.
erſcheint Mittwoch und Sam ſtag. Preis monatlich 42 kr. Einzelne Nummier à. 2 kr.
ö und bei den Trägern Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.
Man abonnirt in der Druckerei, Untereſtr. 9
—;——
Die Rache des Bettlers.
Erzählung aus dem Bauernkriege von Karl Seif art.
ö (Fortſetzung.)
Inzwiſchen umringten auch die im Hanſe verſam-
melt geweſenen Bauern die Gruppe und ein ſtattlich-
ausſehender Mann unter ihnen, wandte ſich bedeutſam
mit den Worten an den wüthenden Pfeiffer: „Habt.
Ihr's nicht ſelbſt geſagt, daß es noch nicht die rechte
zu halten? Sind wir doch der
Zeit iſt, blutiges Gericht
Stadt nicht ganz ſicher.“
Das Letztere ſollte ſich auch ſogleich bewahrheiten,
denn gut bewaffnete Bürger, die der Tumult aus den
nächſten Straßen unter die Waffen gerufen, machten
ſich unter dem angeſehenen Grobſchmied Jürgen Lotze
rückſichtslos mit ihren Morgenſternen und Hellebarden
Bahn, luden den ohnmächtigen Ritter von der Schwalm
auf die Schafte der Hellebarden und führten ihn mit
ſich davon, ohne daß jedoch Einer Miene gemacht hätte,
die Bettler mit Worten oder gar mit der That zu
ſtrafen.— *
ſeinen von Schreck und Angſt niedergeworfenen Vater
mit Hülfe zweier alten, befreundeten Breger in einem
elenden Dachſtübchen der Herberge gebettet hatte, ſollte
er durch ein kurzes und mit Mühe hervorgebrachtes
Geſtändniß des ſchwer athmenden Alten, in eine ſo
furchtbare Aufregung und in einen ſolchen Widerſtreit
der Gefühle gerathen, daß er die Verſammlung, zu
welcher der Pfeifer eben die Bauern und Vaganten
vor das Bergthor berief, ganz aus dem Sinn verlor
und wie ein Wahnfinniger bald Trepp-auf Trepp⸗ab
durch die Herberge, bald u ſeinem todtkranken und
verſtummten Vater, endlich gar durch die Straßen der
Stadt lief und im Haimersſtein auf den Stufen des
ſtattlichen Hauſes der Freiin von Gehofen ganz er-
ſchöpft und mit fieberndem Hirn zuſammenſank. ——
In der Freiin Hauſe hatte, wie leicht zu erachten,
die Mißhandlung des Ritters von der Schwalm groß
Jammer und Leid hervorgerufen; die Gürtelmägde
klagten und weinten mit der ſchönen Herrin, die eben
ihren Diener erwartete, den ſie abgeſandt hatte, um
über das Befinden des geliebten Mannes Kunde ein-
zuholen.
der junge Bettler auf den Stufen ihres Hauſes nieder-
Sehnſüchtig und mit rothgeweinten Augen
harrte ſie der Nachricht am offenen Fenſter, als eben
ſank und mit Zorn und Abſchen wandte ſie ſich ab,
„oenn das war ja einer von der Bettelzucht, die den
einzig geliebten Mann ſo grauſam mißhandelt.“
Tie Freiin wußte nicht, daß gerade Heinz den Ge-
liebten vor dem Mordſtahl geſchützt; ſie hatte über-
haupt keine genauere Kunde von dem ganzen Verlauf
und der Rettung, und kannte den Heinz auch nicht als
den Sohn des ihr wohlbekannten Ziligax. Welch' Ur-
ſsache und Grund hätte auch eine angeſehene Edeldame
gehabt, ſich um das armſelige ſchmutzige Bettelvolk an-
derweit zu bekümmern, als daß ſie's, wenn ſie fromm
und milden Herzens war, nach Kräften mit Almoſen
verſorgte? war doch damir ein gutes Werk gethan und
der Vorſchrift der Kirche genügt! — —
„Was ſuchſt Du elender Böſewicht auf meiner
Schwelle!“ rief die ſonſt ſo milde Richenza in der
Wuth des herben Schmerzes zu dem Heinz herunter,
und als hätte ſie's damit befohlen, fühlte der ſtier vor
ſich hinſtarrende Bettler ſogleich auch einen derben Fuß:
tritt von dem eben mit guter Nachricht zurückkehrenden
Diener. —
„Bin ich ein Hund, Du Lotterbube, daß Du Deine
— 3. ö vermaledeite Sohle an mir wiſcheſt?“ fuhr zähneknir-
Gleich nach dem eben erzählten Tumult, als Heinz
ſchend der Heinz den Diener an und zog ſo ſchnell ſein
Meſſer, daß der Diener entſetzt zurückwich. Richenza,
welche der Schmerz über die Mißhandlung des heißge-
liebten Ritters, mit dem ſie in dieſen Tagen zum
Traualtar treten ſollte, alle ſanfte Frauenmilde gebannt
hatte, ſchrie zornfunkelnden Auges zum Fenſter hinaus:
„Was zagſt Du, Conz?! Schlag den gemeinen Mord-
hund mit dem Duſſaken nieder; er iſt einer von den
elenden Buben, die hundert über einen herfallen; es iſt.
keine Sünd, wenn ſolch Blut vergoſſen wird, denn das
Blut ſolcher Buben iſt von Kindesbeinen an ſchlechter,
wie das der Hunde!“ —
Dem Heinz, der kampfbereit dem feigen Diener
gegenüberſtand, war kein Wort der Freiin entgangen;
mit einem Auge hatte er den Diener gehütet, waͤhrend
das andere, als ob es dem ſcharf anfhorchenden Ohre
zu Hülfe kommen ſolle, wie verglast auf einen⸗ Fleck
ſtarrte, bis Richenza ihre von Zorn und Schmerz ein-
gegebene Rede geendigt. Dann warf er ſih mit Blitzes-
ſschnelle und mit der Gewandheit eines Luchſes auf
den Diener, der noch immer zögernd die Hand am
Griff des kurzen Schwertes hielt, warf ihn mit einem
gewaltigen Ruck zur Erde, daß der Schädel krachte,
ſich eiligſt aus dem Staube machen“, rief er mit ſchreck-
lichem Lachen und mit den Geberden eines Wahnwitzi-
1. Jahrg.
erſcheint Mittwoch und Sam ſtag. Preis monatlich 42 kr. Einzelne Nummier à. 2 kr.
ö und bei den Trägern Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.
Man abonnirt in der Druckerei, Untereſtr. 9
—;——
Die Rache des Bettlers.
Erzählung aus dem Bauernkriege von Karl Seif art.
ö (Fortſetzung.)
Inzwiſchen umringten auch die im Hanſe verſam-
melt geweſenen Bauern die Gruppe und ein ſtattlich-
ausſehender Mann unter ihnen, wandte ſich bedeutſam
mit den Worten an den wüthenden Pfeiffer: „Habt.
Ihr's nicht ſelbſt geſagt, daß es noch nicht die rechte
zu halten? Sind wir doch der
Zeit iſt, blutiges Gericht
Stadt nicht ganz ſicher.“
Das Letztere ſollte ſich auch ſogleich bewahrheiten,
denn gut bewaffnete Bürger, die der Tumult aus den
nächſten Straßen unter die Waffen gerufen, machten
ſich unter dem angeſehenen Grobſchmied Jürgen Lotze
rückſichtslos mit ihren Morgenſternen und Hellebarden
Bahn, luden den ohnmächtigen Ritter von der Schwalm
auf die Schafte der Hellebarden und führten ihn mit
ſich davon, ohne daß jedoch Einer Miene gemacht hätte,
die Bettler mit Worten oder gar mit der That zu
ſtrafen.— *
ſeinen von Schreck und Angſt niedergeworfenen Vater
mit Hülfe zweier alten, befreundeten Breger in einem
elenden Dachſtübchen der Herberge gebettet hatte, ſollte
er durch ein kurzes und mit Mühe hervorgebrachtes
Geſtändniß des ſchwer athmenden Alten, in eine ſo
furchtbare Aufregung und in einen ſolchen Widerſtreit
der Gefühle gerathen, daß er die Verſammlung, zu
welcher der Pfeifer eben die Bauern und Vaganten
vor das Bergthor berief, ganz aus dem Sinn verlor
und wie ein Wahnfinniger bald Trepp-auf Trepp⸗ab
durch die Herberge, bald u ſeinem todtkranken und
verſtummten Vater, endlich gar durch die Straßen der
Stadt lief und im Haimersſtein auf den Stufen des
ſtattlichen Hauſes der Freiin von Gehofen ganz er-
ſchöpft und mit fieberndem Hirn zuſammenſank. ——
In der Freiin Hauſe hatte, wie leicht zu erachten,
die Mißhandlung des Ritters von der Schwalm groß
Jammer und Leid hervorgerufen; die Gürtelmägde
klagten und weinten mit der ſchönen Herrin, die eben
ihren Diener erwartete, den ſie abgeſandt hatte, um
über das Befinden des geliebten Mannes Kunde ein-
zuholen.
der junge Bettler auf den Stufen ihres Hauſes nieder-
Sehnſüchtig und mit rothgeweinten Augen
harrte ſie der Nachricht am offenen Fenſter, als eben
ſank und mit Zorn und Abſchen wandte ſie ſich ab,
„oenn das war ja einer von der Bettelzucht, die den
einzig geliebten Mann ſo grauſam mißhandelt.“
Tie Freiin wußte nicht, daß gerade Heinz den Ge-
liebten vor dem Mordſtahl geſchützt; ſie hatte über-
haupt keine genauere Kunde von dem ganzen Verlauf
und der Rettung, und kannte den Heinz auch nicht als
den Sohn des ihr wohlbekannten Ziligax. Welch' Ur-
ſsache und Grund hätte auch eine angeſehene Edeldame
gehabt, ſich um das armſelige ſchmutzige Bettelvolk an-
derweit zu bekümmern, als daß ſie's, wenn ſie fromm
und milden Herzens war, nach Kräften mit Almoſen
verſorgte? war doch damir ein gutes Werk gethan und
der Vorſchrift der Kirche genügt! — —
„Was ſuchſt Du elender Böſewicht auf meiner
Schwelle!“ rief die ſonſt ſo milde Richenza in der
Wuth des herben Schmerzes zu dem Heinz herunter,
und als hätte ſie's damit befohlen, fühlte der ſtier vor
ſich hinſtarrende Bettler ſogleich auch einen derben Fuß:
tritt von dem eben mit guter Nachricht zurückkehrenden
Diener. —
„Bin ich ein Hund, Du Lotterbube, daß Du Deine
— 3. ö vermaledeite Sohle an mir wiſcheſt?“ fuhr zähneknir-
Gleich nach dem eben erzählten Tumult, als Heinz
ſchend der Heinz den Diener an und zog ſo ſchnell ſein
Meſſer, daß der Diener entſetzt zurückwich. Richenza,
welche der Schmerz über die Mißhandlung des heißge-
liebten Ritters, mit dem ſie in dieſen Tagen zum
Traualtar treten ſollte, alle ſanfte Frauenmilde gebannt
hatte, ſchrie zornfunkelnden Auges zum Fenſter hinaus:
„Was zagſt Du, Conz?! Schlag den gemeinen Mord-
hund mit dem Duſſaken nieder; er iſt einer von den
elenden Buben, die hundert über einen herfallen; es iſt.
keine Sünd, wenn ſolch Blut vergoſſen wird, denn das
Blut ſolcher Buben iſt von Kindesbeinen an ſchlechter,
wie das der Hunde!“ —
Dem Heinz, der kampfbereit dem feigen Diener
gegenüberſtand, war kein Wort der Freiin entgangen;
mit einem Auge hatte er den Diener gehütet, waͤhrend
das andere, als ob es dem ſcharf anfhorchenden Ohre
zu Hülfe kommen ſolle, wie verglast auf einen⸗ Fleck
ſtarrte, bis Richenza ihre von Zorn und Schmerz ein-
gegebene Rede geendigt. Dann warf er ſih mit Blitzes-
ſschnelle und mit der Gewandheit eines Luchſes auf
den Diener, der noch immer zögernd die Hand am
Griff des kurzen Schwertes hielt, warf ihn mit einem
gewaltigen Ruck zur Erde, daß der Schädel krachte,
ſich eiligſt aus dem Staube machen“, rief er mit ſchreck-
lichem Lachen und mit den Geberden eines Wahnwitzi-