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klärung Ediths, daß ihre Kasse erschöpft sei und daß
sie eine heute vorgelegte Rechnung der Putzmacherin
nicht mehr habe bezahlen können, hatte die Veran-
lassung dazu gegeben. Margot und die Baronin
waren höchst erstaunt gewesen, und die Baronesse hatte
ihr Erstaunen — vielleicht unabsichtlich — in einer
Weise geäußert, die Edith notwendig kränken mußte.
Da hatte sie ihnen statt aller Antwort das Bilch vor-
gelegt, in welches sie jede, auch die kleinste Ausgabe
verzeichnete und hatte sich schweigend in das Schlas-

Dem Wohl! Nach dem Gemälde von P. Felgentreff. (S. 138.)

Um drr Kiede willen
Roman von
Weirrhokd Grtrnarm.

Fünfzehntes Kapitel.
^^m dritten Stockwerk von Fräulein von Plothows
(ZA Pensionat ging es an diesem Morgen merkwür-
dig still und wortkarg
zu. Eine unheimlich ge- -
spannte, gewitterschwüle Stim-
mung schien da in der Luft zu
liegen, und es war, als sürchte
jedes, durch irgend ein kleines,
harmloses Wort, das vielleicht
von den anderen mißdeutet wer-
den konnte, den Ausbruch des
Unwetters herbeizuführen.
Schon seit einer Reihe von
Wochen hatte das ehedem völlig
ungetrübte Verhältnis zwischen
Edith und Margot seine alte
Unbefangenheit und Herzlich-
keit verloren. Kein Streit und
kein Zerwürfnis, wie es zwi-
schen Personen, die in so enger
Gemeinschaft leben, hier und
da wohl unvermeidlich ist, hatte
die Veranlassung dazu gegeben.
Ohne daß irgend eine Mei-
nungsverschiedenheit oder ein
Wortwechsel voraufgegangen
lvüre, hatten sich am Morgen
nach dem in Wolfgang Nor-
manns Begleitung unternom-
menen Ausflüge die ersten An-
zeichen der beginnenden Ent-
fremdung eingestellt, und gerade
die sonst so liebenswürdige und
nachsichtige Edith war es ge-
wesen, die ihrer schönen Base
plötzlich mit ausfallender Zu-
rückhaltung begegnet war. Ob
Margot die Ursachen dieser jähen
Veränderung erraten habe oder
nicht, ließ sich aus ihrem Be-
nehmen kaum erkennen. Jeden-
falls war sie viel zu stolz,
irgend eine Frage zu thun oder
gar um das Geschenk einer
Freundschaft zu betteln, die
man ihr entzogen hatte. Kühl
und einsilbig gingen sie seit
jenem Tage neben einander her,
zur Verwunderung und Be-
trübnis der Baronin, die in-
dessen nichts mehr zu sagen
wagte, nachdem eine schüchterne
Bemerkung von Margot kurz
und unwirsch zurückgewiesen
worden war.
Am verwichenen Abend war
zum erstenmal etwas wie eine
unfreundliche Aussprache zwi-
schen ihnen erfolgt. Die Er- !

zimmer zurückgezogen, das sie mit ihrer Cousine teilte.
— Erst eine Stunde später war Margot ihr dahin
gefolgt.
„Warum hast Du uus hintergangen?" hatte sie
in ihrem kühlsten und stolzesten Tone gesagt. „Tu
hast seit Monaten viel mehr Geld für uns ausgegeben,
als Du zur Bestreitung unserer kleinen Bedürfnisse
von uns empfingst. Woher hast Du das Fehlende
genommen?"
„Die Antwort daraus ist wohl nicht schwer zu
finden. Ich habe es aus mei-
-"i neu eigenen Mitteln veraus-
lagt."
„Und wodurch glaubtest Du
Dich dazu berechtigt?"
„Ich wollte Dir und der
Tante die peinliche Notwendig-
keit ersparen, euch noch mehr
einzuschränken, als es uns durch
die Umstünde ohnedies geboten
ist."
„Das war sehr gütig. Aber
Du wirst nicht erwarten, daß
wir Dir dafür besonders dank-
bar sind. Ich habe den Be-
trag ausgerechnet und wir wer-
den ihn Dir am ersten des
Monats zurückerstatten. Für
die Zukunft erlaubst Du mir
wohl, die Bezahlung unserer
Rechnungen wieder selbst zu
übernehmen."
Edith war ihr die Antwort
schuldig geblieben, und sie hatten
an diesem Abend kein Wort
mehr mit einander gesprochen.
Aber die peinliche, schwüle
Stimmung, welche der Vorfall
erzeugt hatte, war auch am fol-
genden Morgen nicht gewichen.
Etwas Unausgesprochenes,
Feindseliges stand zwischen ih-
nen — etwas, daran offenbar
keines von ihnen rühren mochte,
in der Furcht, den bereits ein-
getretenen Riß zur tiefen, tren-
nenden Kluft zu erweitern.
Schon seit einiger Zeit hatte
Margot die Hilfeleistungen
Ediths bei ihrer Toilette nicht
mehr angenommen. Das Stu-
benmädchen habe endlich ge-
lernt, sie zu ihrer Zufriedenheit
zu bedienen, meinte sie, und
so ließ sie auch heute ihr herr-
liches, goldblondes Haar aus-
gelöst über die Schultern fallen,
bis das Mädchen heraufkvmmen
würde, sie zu srisiren.
Aber die Person ließ gerade
an diesem Morgen länger aus
sich warten als sonst, und es
war nicht eben von günstigem
Einfluß auf die Stimmung der
Baronesse, daß sich auch auf
ihr wiederholtes ungeduldiges
Klingeln niemand zeigte. Mit

Jllustr. Wett. 1894. 6.

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