Iweiunbvrerrzigster: Icrk^gcrng.
17. Lest.
SLrrLLgcrrrt, Leipzig, Wertin, Wien.
in die Damenreihen
Zu der Engel Schar. Nach dem Gemälde von G. E. Hicks. (S- 407.)
Elsbeth sah den Schwätzer einen Moment darauf
an, ob er wohl Absichten aus die Tochter habe, die er
ja dann als gute Partie kannte. Aber diese wirbelte
eben an ihnen vorüber im Arm Doktor Rieks, von
dem sie sich aber weit abgebeugt hielt, während sie die
in der Tanzstunde eingelernten Pas ängstlich genau
mit den kleinen Füßen zu absolviren versuchte. Es
gelang ihr aber nicht immer, denn sein kräftiger Arm
hob sie ost ganz über den Boden empor und wirbelte
sie geschickt nach dem Rhythmus der Musik.
Es sah aus, als sei es kein leichtes Stück Arbeit
für ihn, aber ihr strahlendes Gesicht lohnte seine Mühe.
Gottlob! Der Tanz war zu Ende, ihr Kavalier
sührte sie an ihren Platz zurück. Er war schließlich
verstummt, ihre Miene, ihre
hochmütige Kühle hatten seinen
sorcirten Mut gebrochen. Aber
ihre Augen glänzten trotz alle-
dem, sie plauderte reizend lie-
benswürdig mit den jungen Mäd-
chen, bezauberte die alten Damen
durch die verbindliche Höflichkeit
ihres Wesens.
„Fräulein Tönnies, dürfte
ich um diesen Tanz bitten?"
Seine Stimme schlug au ihr
Ohr, sie wandte sich nm und
lächelte ihn an, als ob sie ihn
eben erst gewahre, — und es
war ihr doch nichts von den Be-
wegungen drüben entgangen: wie
er den kleinen Karl 'Denken, der
nun rechtzeitig hatte vorwärts
stürmen wollen, mit neckisch über-
mütiger Miene beiseite geschoben
hatte und mit festen Schritten
zu ihr eilte.
„Gern," erwiderte sie lachend.
„Sehen Sie, meine Tanzkarte ist
noch ganz leer. Meinen ersten
Tanz verdankte ich der gütigen
Vermittlung des Hausherrn."
Ihr Gesicht sah so übermütig
dabei aus, daß er herzhaft in
ihr Lachen einstimmte. „Ja
Sie machen hier wunderbare Er-
fahrungen; ich begreife, wie amü-
sant das für Sie ist. Aber was
wollen Sie, ich gestehe es Ihnen
offen, ich verdenke es unseren
jungen Herren nicht, daß sie ein
wenig scheu sind. Wenn ich nicht
schon das Glück gehabt hätte, ein
paarmal in vertrauterer Nähe
austaueu zu dürfen, ich hätte mich
auch nicht heran gewagt."
„Spötter! Wenn Sie nur nicht
zu der Verfehmung beitrageu."
Er hatte ihre Tanzkarte ge-
nommen und sah nun über die-
selbe hinweg ihr in das Gesicht.
Es durchrieselte sie, — der Mensch
hatte merkwürdig ausdrucksvolle
Augen;
„Dars ich auch noch die
Franyaise für mich einzeichnen?"
fragte er, „oder neiu, lieber die
Mazurka nach der Franyaise,
deu Contretanz kann Karl Denken
nehmen, und wir tanzen dann
vm-ä-vis."
„Wie glorreich Sie verfügen,"
bemerkte sie.
„Weil hier so wenig Auswahl
Im Uetz.
Novelle von Akesander Körner.
(Fortsetzung.)
^^^ie Jünglinge stürzten sich
und engagirten.
Doktor Riek war einer
der ersten hinübergegangen und
hielt jetzt Hedi im Arm. Elsbeth
hatte sich instinktiv zurückgezogen
in den Schutz der alten Damen.
Es schien auch augenblicklich keiner
ihrer zu achteu, selbst der dicke
Assessor stand mit feucht glän-
zendem Antlitz neben einer der
Schönen, einer Brünette, die
auch wirklich zur Abwechslung
braune Augen hatte.
Der Probst trat jetzt aus den
Sohn zu und raunte mit ihm,
der keiner Verstellung fähige junge
Herr schaute erschrocken zu ihr
hinüber und zuckte dann bestürzt
die Achseln. Es gehörte keine
besondere Kombinationsgabe da-
zu, um zu erraten, was da vor-
ging. Der Hausherr sand es
angemessen, daß der Sohn die
Fremde zum ersten Tanz sührte,
ihr galanter Reisegefährte hatte
die Pflicht der Höflichkeit ver-
gessen.
Elsbeth hatte Mühe, nicht
gerade herans zn lachen. Das
war wirklich komisch, daß sie hier
Mauerblümchen spielen sollte.
Aber nein — jetzt kam der Probst
mit einein noch freien Jüngling
auf sie zu, der sich purpurrot
unter verschiedenen Kratzfüßen
verneigte. Der Name, welcher bei
der Vorstellung genannt wurde,
kam ihr nicht zmn Bewußtsein,
sie nahm den Tänzer gnädig an,
sie fügte sich hier in alles. Und
während sie mit ihm, der sie
lose, als ob er sich vor ihr
fürchte, hielt und dabei meist
gegen den Takt hopste, durch den
Saal stümperte, umfächelten sie
würzige Apothekerdüste, und sie
ging wohl nicht fehl, wenn sie
annahm, daß ihr Tänzer in
Aeskulaps Werkstatt beschäftigt
war.
Er versuchte es heldenhaft, sic
zu unterhalten, redete in un-
unterbrochenem Strom vom schö-
nen Maienwetter, von der Hitze
beim Tanzen und den großen
Räumen hier oben in der Probstei.
„O! Der Probst ist ein reicher
Manu," setzte er hinzu, „auch
seine Gemahlin hat viel Ver-
mögen, die können sich etwas
leisten."
JllUtr. Welt. 1894. 17
53