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Iweiurrbvie^zigsterr Icrkrrgcrng.

ZI. Lcfi.

StirLtgcr^L, Leipzig, Werstin, Wien.

Der atte Kuffnreyev.
Uoman von W. Wenz.
(Fortsetzung.)

einsam und still, nur das Gezwitscher der Vögel unter-
brach das Schweigen, und von fern her ein Pochen
aus der kleinen Schmiede. Diesem Geräusche folgte
Herr Schindler dreist und ungenirt, als gehöre der
! Garten ihm. Verwundert sah Frau Sander ihn

vorübergehen; er kam ihr so bekannt vor, aber was
ging es sie an? Jedenfalls hatte man ihm durch das
Haus den Eintritt gestattet.
Der alte Meyer stand am Amboß und bearbeitete
ein Stück Eisen mit dem Hammer, das er eben aus

U ls Herr Schindler heute, seinem Vorsatz gemäß,
im Dobersgang erschien, um den alten Meyer
M besuchen — der Sohn mußte, wenn er
yyn seiner Geschäftsreise heimkehrte, das
Terrain bereits geklärt finden — blickte er verwundert
über die offenstehende Halbthür hinweg auf den Flur
des Häuschens, der ganz verändert schien. Statt
Amboß und Schraubstock stand dort eine Drechslerbank
und vor derselben ein rüstiger junger Mann in voller
Arbeit, der seine Anwesenheit gar nicht zu bemerken
schien. Erst als der Schatten des Fremden aus die
fleißigen Hände fiel, blickte der Mann auf und hielt
mit der Arbeit inne.
„Ich wollte zu dem alten Schlosser Meyer." sagte
Herr Schindler und tippte nachlässig an seinem seinen
Cylinder, „ist er vielleicht gestorben?"
„Gestorben alleweile noch nicht," war die Er-
widerung, „aber wohnen thut er hier nicht mehr."
„Das sehe ich," bemerkte Herr Schindler, „aber
es wäre mir angenehm, zu erfahren, wo er wohnt."
Der Mann blickte noch einmal mit schlecht ver-
hehlter Neugier aus den Fremden, dann machte er
eine Bewegung mit dem Kopfe, als wollte er ihn in
den Nacken werfen, und sagte: „Drüben, im Garten
von Mamsell Dobers, oder vielmehr Lei dem alten
Sander."
„Hm!" Herrn Schindler klang dieser Bescheid
offenbar nicht sehr angenehm, er hatte allen Respekt
vor diesem Sander, hatte ihn schon gehabt als Junge,
als er ihm noch Obst stahl, und doch mußte er den
Schlosser sprechen, wenn er seine Pläne fördern wollte,
und ebenfalls Fräulein Dobers. Letztere aber heute
noch nicht, dachte er, später, wenn die Sache mehr
im Fluß ist. Unangenehm, daß dieser Gärtner mir
in den Weg tritt. Er that also, als sei er völlig
unbekannt mit den Wohnungsverhältnissen des Dober-
schen Grundstückes, und fragte: „Wie komme ich da-
hin?" Dann schien er plötzlich die kleine Pforte zu
bemerken, die in den Garten führte, just der Drechsler-
werkstatt gegenüber.
„Kam: man nicht hier hinein gelangen?" fragte
er mit der unschuldigsten Miene von der Welt.
„Dazu dient die Pforte vermutlich," erwiderte der
Handwerker und sah seinen Besuch etwas mißtrauisch
an; „sie ist zwar gewöhnlich verschlossen, aber heute
zufällig nicht, denn der alte Meyer hat heilte früh das
Schloß abgenommen, wahrscheinlich nm es zu repa-
riren. Uebrigens, ordentliche Leute gehen lieber den
geraden Weg durchs Haus uud nicht durch die Hinter-
pforte; die ist nur für den Eigentümer und seine
Leute."
„O, das macht uichts aus," versetzte Herr Schind-
ler lächelnd, „ich will ja nur zu Meyer: danke bestens
— guten Morgen!"
Damit schritt er quer über den Weg zu der kleinen
Thüre hinüber, die er in der That unverschlossen fand,
und trat ein. Vor ihm lag ein dichtes Gebüsch von
Mispeln und Haselnüssen, dahinter ragten hohe Obst-
bäume hervor, und zur Lücken an der Gartenmauer
entlang, deren Weinwand die köstlichsten Trauben bot,
führte ein Weg nach dem Gärtnerhanse. Es war hier

Rauchkollegium. Nach dem Gemälde von Aug. Heyn. (S. 507.)


Jllilstr. Welt. 1894. 21.

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