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Dweiunöv jetzigster Jahrgang.

SS. Lest.

Stuttgart, Leipzig, Wertin, Wien.

Im Himmelreich.
Roman
voll
S. Kpn.
(Fortsetzung.)
^Et^örechts Augen leuchteten in Befriedigung, als
er Benedikta so heillos verwildert auf sich zu-
stürmen sah. „Nun, wie gefällt sie Dir, Ulrich?
Habe ich zu viel gesagt, wenn ich sie unter strengerer
Zucht sehen wollte?" wandte er sich an feinen Begleiter.
Dieser zuckte die Achseln. „Der Brief meiner Mutter,
der sie so dringend meiner Fürsorge empfiehlt, ihr
Wunsch, daß ich ihr Vormund werde, ist bindend für
mich, wenn schon ich mich durch den Augenschein über-
zeuge, wie recht Du in Deinen Briefen hattest mit
dieser fatalen Ähnlichkeit innen und außen. Du wirst
mir den Gefallen erweisen, ihr von jetzt an schärfere
Zügel anzulegen. Leider kann ich es nicht selbst thun,
da ich noch mindestens sechs Jahre drüben bleibe."
Das Gesicht Lebrechts verfinsterte sich merklich, doch
Benedikta sah nichts mehr davon. Schamüberglüht
schlich sie davon. Ihr war, als ob sie der Mann dort
geschlagen habe.
In Brigittens Zimmer ging sie eilig daran, alle
Schäden von vorhin wieder gut zu machen. Das kleine
.Köpfchen spiegelte nur, so von dem vielen Haaröl, mit
dem sie die widerspenstigen Locken gebändigt hatte. Als
alles wieder in Ordnung gekommen, setzte sie sich still
mit einem Buch in einen Winkel des Eßzimmers. Doch
sie las nicht, immerfort mußte sie darüber nachdenken,
was er wohl mit der fatalen Ähnlichkeit meinte.
Noch befand sie sich nicht ganz im Zustand ge-
wohnter Ruhe, als Ellen ins Zimmer trat. Sie trug
tiefe Trauer, die das lichtblonde Mädchen trefflich
kleidete.
Niemals hatte sie gute Freundschaft mit Benedikta
verbunden, doch da ihr das Mädchen nicht in die Quere
kam, still für sich ihren Weg ging, war es bisher ohne
sonderliche Reibereien abgegangen. Heut hatte Ellen
aber eine ganz besondere Miene aufgesetzt, die blauen
Augen sahen fast schwarz aus in dem Triumph, der
aus ihnen strahlte.
„Ah, Du lernst fleißig?" sagte sie im Vorübergehen
so obenhin. Während sie sich dann, alle Falten ihres
Kleides sorglich glättend, in der Sofaecke niederließ,
sprach sie in demselben Ton weiter: „Wie recht Du
daran thust! Wenn man Lehrerin wird, wie Du —"
Benedikta blickte mit großen, ängstlichen Augen zu
ihr hin. „Ich, Lehrerin? Niemals!" Der Gedanke,
immer lernen, immer in der engen Schulstube sitzen
müssen, erschien ihr ja von jeher als etwas unaus-
sprechlich Schreckliches.
Ellen lächelte überlegen mit tückisch blitzenden Augen.
„Ob Du willst oder nicht, ist ziemlich gleichgiltig.
Ulrich hat es so bestimmt und da bleibt es dabei, auch
gegen Deinen Willen!"
Benedikta wurde ganz blaß. „Der Ulrich will es?"
wiederholte sie ganz heiser vor innerer Erregung, dabei
sah sie im Geist wieder die kalten, harten Augen so
zwingend aus sich gerichtet, wie vorhin im Garten.
.„Müssen wir thun. was er will? Durchaus?"
„Wir?" fragte Ellen spöttisch. „Was Du Dir
Mustr. Welt. 1894. 25.


So warm und herrlich liegt die Welt,
Der Himmel blau von Saum zu
Saume,
Das goldne Aorn durchwogt das Feld,
Ls wächst und schwillt die Frucht am
Baume;
Die Lerche schweigt, die Biene nur
Schwärmt blüh'nden Linden froh
entgegen;
Ein Brüten liegt auf der Natur:


Das thut: sie reist im Sommersegen!
Wolfgang Müller.

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