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haben, gelt, da müßt er Dich halt nehmen, wenn das
da. . sie zeigt mit dem Finger aus das Päckchen.
Die Plane weiß recht gut, was die Lisabeth denkt,
und ärgert sich tüchtig. „Wart," sagt sie bei sich, „will
Dir's geben."
„Freilich müßt er mich nehmen," sagt sie ernsthaft;
„gelt, wenn der Seppel Dich nit mag, und Du kannst
ihn mit dem Pulver zwingen, da denkst Dir weiter
nichts Unrechtes dabei, weil er ein Bauernsohn ist,
und Du eine Hoftochter, aber, wenn mir so was ein-
sallen sollt', mir, der Tochter von der Hexen-Amei,
die nit so recht weiß, wer ihr Bater war, der Hexen-
Plone, wie ihr mich schon getauft habt, wenn ich so
ein Gelüste mit dem, was ich mehr kann als Du,
wollt' befriedigen, das wär' himmelschreiend unrecht."
Die Lisabeth wird ein bißchen verlegen. Sie hat
das freilich gedacht, aber sagen kann sie's der Plone
doch nicht ins Gesicht. Denn die wird überm Reden
heiß und bös.
„Freilich thu ich's," ruft sie; „wenn ich mich in
einen von den Dummrianen verlieben könnt', hätt' ich's
schon längst gethan — aber viel zu wenig sind sie mir
noch all."
Und mit einemmal kommt ein toller Uebermut über
sie. Sie will die Lisabeth 'mal gehörig ärgern und
neidisch machen, und deshalb lacht sie:
„Daß Du's nur weißt, Lisabeth, ich heirat' den
Dörnerhöfer, ja, das thu' ich, er weiß noch nix davon,
der Maxel, aber ich krieg' ihn schon herum."
Die Lisabeth ist schier versteinert. Die Plone —
Hexen-Plone will Dörnerhofbäuerin werden. In den
„Dörnern" sitzen und mit dem schmucken Maxel Herrin
sein über vier Gäule und dreißig Kühe, Sonntags in
einem Kütschlein zur Kirche gefahren kommen, in einem
schwarzen seidenen Kleid und in einem Stadthut mit
vielen bunten Blumen draus — 's ist nicht zum Aus-
denken.
„Plone," stammelt sie verdutzt, „'s ist nit Dein
Ernst?"
„Mein heiliger Ernst ist's," sagt die Plone, „wer's
abwarten kann, wird's sehen. Sind schon sonderbarere
Dinge auf der Welt passirt, als das."
„Aber, Plone, hast eben gesagt, man dürst' dem
Burschen nit zu Gefallen gehen, wie willst das denn
da einrichten?"
„Er kann ja zu mir kommen," sagt nachlässig die
Plone.
Die Lisabeth packt ihr köstliches Pulver zusammen
und schickt sich zum Gehen an. In ihrem Kopf geht's
wie ein Mühlrad herum. Die Plone auf dem Dörner-
hos — sie kann noch nit begreifen. Sie selber hat
sich eine Zeit her viel Mühe gegeben um den Maxel,
aber es hat nix genützt. Das ist ein Stolzer! Der
will hoch hinaus, will 'was Apartes. Freilich, die
Plone ist 'was Apartes, das muß der Neid ihr lassen.
Eine schöne Dörnerhöferin thät iie abgeben, aber, 's
ist doch nit möglich. Warnen vor der Hexe thut sie
den Maxel, das ist ganz sicher.
„Lisabeth," erinnert da die Plone, „denkst auch
daran, daß man von dem Zauber kein Sterbenswort
reden darf, weil er sonst seine Kraft verliert und nie
mehr was nützt."
Herrgott ja, das hätt' sie beinah vergessen. Also
mit dem Warnen ist's nix, da müßt' sie ja davon
reden!
„Und daß Du nur ja alles sein ausführst, was
ich gesagt hab'," ermahnt die Plone in der Hausthür.
Wie schnell die Lisabeth den Heckenweg hinunter
läuft. Am Ende desselben schaut sie nochmal mit einem
schier ängstlichen Blick zurück nach dem kleinen Häusel,
das doch so friedlich und freundlich da liegt unter dem
großen Lindenbaum und mit dem blühenden Flieder-
busch zwischen den zwei einzigen Fenstern.
Aber 's ist doch ein Hexenhäusel.
Derweil denkt die Plone mit innerlichem Behagen
an das Fegen und Scheuern und Putzen, das die
Lisabeth jetzt bald anheben wird.
„Wird ihm schon besser gefallen, wenn sie recht
akrat daherkommt, dem adretten Seppel," sagt sie für
sich, „und das war noch 'n kluger Gedanke von mir,
daß ich ihr's gesagt hab', sie dürst ihm nit zu Gefallen
gehen. Der Seppel hat mir's doch neulich selber ge-
sagt, wie's ihn verdrießen thut, das Nachsteigen von
der Lisabeth. Das wär' die verkehrte Welt. Hast recht
gehabt, Mutterle, wenn Du immer wieder gemeint hast,
gute Augen und Ohren und 'n Heller Kopf wären
genug zum Hexen, weiter thät man nichts brauchen.
Wenn Du aber gewußt hättst, daß sie mir auch noch
den Namen anhängen, wärst Du vielleicht doch 'n bissel
vorsichtiger gewesen. Aber was schad's, hab' ich ja
heut selber zu hexen angefangen. Die dumme Life!
Sie glaubt dran wie ans Evangelium. Und was sie
Augen gemacht hat, wie ich das gesagt hab' vom
Dörnerhöfer! Das thut ihr ein Loch in die Seelen
brennen, daß sie das nit sagen darf. Aber das ist die
gerechte Straf dafür, daß sie meint, unsereiner wär'
weniger als eine Hostochter. Ja wohl, thät mir an-
stehen, der Maxel. Aber gute Weg hat's damit.
Illustrirte Melt.
Glaub nit, daß die Salzprisen, die ich in das Säckel
gethan, mir dazu helfen thäten!" Und Hexen-Plone
setzt sich ans Spinnrad und thut, als müßt zu morgen
ihre ganze Ausstattung fix und fertig sein.
Derweil hat die Lisabeth tiefsinnige Gedanken.
Während sie all ihre Röcke und Janker in einen großen
Zuber zum Waschen packt, damit das Zauberpulver
nit unwirksam wird, spintisirt sie gar eifrig, wie sie
der Plone ihre hohen Pläne zu Nichte machen kann.
Sie hat sie ganz gern, die Plone, aber was sie sich
da in den Kopf gesetzt hat, das ist doch 'n bißchen
arg und gegen alle Ordnung und Herkommen. Zwischen-
durch blinzt sie verstohlen übern Zaun nach dem Seppel.
Sie hat das Säcklein noch nit um, da darf sie noch
'mal schauen, aber doch nit so ganz öffentlich thut sie's
— sie muß sich halt schon gewöhnen. Und da kommt
er gerad' übern Hof, der Seppel. Sonst hat sie ihm
'was zugerufen über den Zaun, aber heut thut sie's
'mal nit. Und ob's nun nur das Ungewohnte ist, oder
ob das Pulver im Haus schon wirkt — der Seppel
guckt ganz verwundert nach der Schweigsamen, und
sängt richtig übern Zaun ein Gespräch an, was er
sonst nie thut. Der Lisabeth wird's ganz beklommen.
Es thut schon wirken, aus die Entfernung schon. —
Aber Dörnerhöferin wird die Plone darum doch nit,
wenn sie's hindern kann.
Und auf 'mal fällt ihr was ein.
„Seppel," sagt sie, „weißt vielleicht zufällig, ob auf
dem Dörnerhof eine Kalbin zum Verkaufen ist?"
Der Seppel stutzt. Sollt die Lisabeth ein Äug'
auf den Dörnerhöfer haben? Sie hat vorher gar nit
nach ihm geschaut, und jetzt die Frage.
„Warum fragst?" sagte er neugierig.
„Weil ich Antwort haben will," sagt die Lisabeth
schnippisch.
„Frag ihn doch selber," meint der Seppel.
„Ist 'n bissel weit hinaus, um einer Frag' willen,"
sagt die Lisabeth; „ich dacht'. Du hättst mir den Weg
sparen können."
„Wollt ihr wirklich eine kaufen?" fragt der Seppel.
„Ich dacht halt, es wär' nur so 'ne Hinterthür, um
auf den Dörnerhof zu kommen."
„Dazu brauchen wir keine Hinterthür," trumpft
die Lisabeth, „können durchs Hosthor 'neingehen, der
Maxel ist ja noch 'n Vetter zu uns."
„Er hat zwei stehen," bequemt sich jetzt der Seppel
zu einer Auskunft, „und Prachtvieh ist's, das muß
man sagen."
Und während er qualmend seiner Arbeit nachgeht,
denkt er eifrig darüber nach, weshalb die Lisabeth
'mal so kurz angebunden sein mag, und beschließt, ihr
ein wenig „auf d' Pfoten" zu sehen.
„Mutter," fädelt die Lisabeth am Abend ein, „aus
dem Dörnerhof stehen zwei Kalbinnen. Weil wir doch
eine kaufen wollen ... Es wär' nit uneben, wenn wir
Sonntag 'mal 'naufsteigen und sie anschauen thäten."
Die Mutter thut alles, was die Lisabeth will. Ist
die ja doch die zukünftige Hosbesitzerin, und die Mutter
muß für ihre alten Tage sorgen, daß ihr Kind gut
zu ihr ist.
„Freilich," sagt sie bereitwillig, „'s schönste Vieh
hat er weit und breit, heißt das mit Ausnahme von
der Hexen-Amei seiner Bläß, so eine steht nit mehr auf."
Der Lisabeth gibt's einen Stich, daß die zwei Na-
men so zusammen genannt werden.
„Das eine Stück," sagt sie verächtlich.
„Freilich," meint die Mutter, „eins gegen dreißig,
das zählt nit."
Und so ist die Verschwörung gegen Plone gut im
Gange!
Der Lisabeth wird die Woche nit lang bis zum
Sonntag. Hat sie doch den lieben langen Tag stramm
zu schaffen und zu sorgen, vom Morgen früh bis in
die Nacht, damit nur dem Zauberpulver nix passirt.
Scheuern und Fegen und Putzen überall, damit nirgends
'was Unrechtes zu finden ist, und dabei selbst immer-
blank und sauber sein, das ist ein Kunststück für die
Lisabeth, die sonst lieber ein bissel zum Plauschen
gangen ist und nach dem Seppel ausgeschaut hat, wo
sie ihn erwischen könnt. Manchmal wird's ihr 'n
bissel viel, und sie möcht gern nachlassen, aber dann
sieht sie den Seppel mit seinem hübschen Gesicht mit
dem kecken, zausigen Schnurrbärtchen vor sich, und beißt
die Zähne zusammen und läuft aus der Stub in die
Küchen und aus der Küchen in den Stall.
„Meint man nit schier, es sollt' morgen eine Hoch-
zeit fein," schlägt die Mutter die Händ' überm Kopf
zusammen; „bist wie ausgewechselt, Mädel, sag nur,
was in Dich gefahren ist seit ein paar Tagen!"
Und dann macht die Lisabeth 'was daher, daß sie
sich schon lange über die Mägde ärgert, weil sie gar
nit ordentlich aufpassen, und daß sie zeigen will, wie
man's macht. Und heimlich freut sie sich unbändig,
wenn sie übern Hof am Nachbarzaun vorbeigeht und
der Seppel raucht grad ganz zufällig sein Pfeifchen
und guckt sie so vergnügt an.
Dem Seppel ist's wahrhaftig noch nie so deutlich
gewesen, daß die Lisabeth doch ein gar nett's, lieb's
Ding ist. Und so schaffig den ganzen Tag, springt
herum wie ein Häschen, und sieht gar nit mehr so
nachlässig aus wie früher, immer nett und säuberlich.
Und gar nit mehr so viel nach ihm schauen thut sie,
wär' doch eigentlich schade, wenn sie ein Äug' auf 'nen
andern Burschen hätt'. — Und ganz heiß wird dem
Seppel bei dem Gedanken, und er nimmt schnell die
Pfeife aus dem Mund und ruft der Lisabeth ein Scherz-
wort zu.
Ja, der Plone ihr Pulver, das wirkt mächtig. —
Eine Hex' ist sie, das ist ausgemacht.
Gar schnell ist Sonntag. Im Hochamt sitzt die
Lisabeth mit fromm zusammen gefalteten Händen neben
der Plone und muß sie immer wieder anschauen. Sie,
die Lisabeth, sieht heut gar schmuck aus mit dem breiten
Sammetband um die Blondzöpfe und der seinen Tuch-
jacke und der hellblauen Schürze mit bunten Blumen
über dem schwarzen Feiertagsrock, aber die Plone! —
Die Plone ist wirklich 'was Äpartes. Sie trägt Trauer-
kleider um ihre Mutter, und aus dem schwarzen Flor-
band, das um ihre Halskrause zu einer großen Schleife
gebunden ist, hebt sich der schöne dunkle Kops mit den
Prachtflechten gar herrlich aus.
„'s ist doch die Allerschönste," denkt die Lisabeth;
„wundern soll's mich nit, wenn sie's fertig kriegt, was
sie sich vorgenommen hat. Und gut ist's, daß der
Dörnerhos in ein ander Kirchspiel gehört, wer weiß,
wenn der Maxel jeden Sonntag zwei Stunden in der?
Kirch aus der Orgel sitzen müßt, ob er da nit von
selber auf ganz andere Sachen käm als auf Beten und
Singen. — Und dabei fällt der Lifabeth ein, daß der
Maxel vielleicht die Plone gar nit 'mal von Ansehen
kennt — er kommt alle Jahre einmal ins Dors —
und daß er nun so über Hals und Kopf in der Plone
ihre Schlinge stürzen soll.
„O, Du Scheinheilige," denkt die Lisabeth und
schielt nach der Plone, „als ob Du kein Wässerlein
trüben könntest, schaust drein, und bist so 'ne Ausge-
spitzte. Aber heut nachmittag gehen wir in die Dörner,
da werd' ich doch was thun gegen Deine Hexerei."
Und am Nachmittag steigen sie richtig hinauf in
die Dörner, die Mutter, die Lisabeth und — der
Seppel. Dem Seppel ist eingefallen, daß er ganz not-
wendig was mit dem Maxel zu reden hat, was er gar
nicht mehr aufschieben kann, und die Lifabeth hat ge-
sagt, sie thät nichts dagegen haben, wenn er mit geht.
Die erste Strecke Wegs gehen sie ganz stumm neben
einander; die Mutter hat in einer alten Bäuerin, die
daher kommt, eine Schulkameradin entdeckt, und zwi-
schen den zweien hebt ein eifriges Schwatzen an von
früheren Zeiten und von den „Seligen" und den Kin-
dern; die Jungen aber, die sind wie ausgewechselt.
Der Lisabeth ihr Plappermund ist ganz eingerost't,
und der Seppel sieht aus, als hätte er einen gequollenen
Bissen in der Kehle und könnte ihn nicht 'nunter-
schlucken, und darüber wird auch der Lisabeth schwül
und schwüler. Aber an einer Wegbiegung, wo Schleh-
dorn und wilde Rosen den Pfad einengen, da guckt
der Seppel sich vorsichtig nach allen Seiten um, und
saßt die Lisabeth um: „Mögen thät' ich Dich!" stößt
er heraus.
All die schönen Reden, die er sich den ganzen Nach-
mittag zurecht gelegt, hat er vergessen und froh ist er,
daß er die vier Wort' aus seiner zugeschnürten Kehle
herausgebracht hat.
„Jesses Marian Joseph, bist Du ein Wüschter!"
schreit die Lisabeth, aber nicht sehr laut, es könnte ja
einer daher kommen und's hören; „ist das auch eine
Art, die Leut zu überfallen und seine Sach vorzu-
bringen."
„Gered't is gered't," beharrt der Seppel, „eh' ich
den ganzen Nachmittag in den Dörnern sitz' und mir
einbild'. Du wärst um den Maxel 'naufgestiegen, lieber
dreh' ich aus dem Fleck um, wenn Du sagst, daß Du
mich nit magst."
„Warum bist denn mit 'nausgestiegen," lacht die
Lisabeth; „ich thät an Deiner Stell geich wieder 'nunter-
gehen, denn ich geh' gewiß und wahrhaftig wegen
dem Maxel 'nauf."
Aber ihre Augen reden doch 'was anderes wie der
Mund, und der Seppel versteht die Sprach recht gut.
— Wie die Mutter um die Ecke biegt, sitzen der Seppel
und die Lisabeth auf einem Baumstamm gar einträchtig
neben einander und küssen sich aus Herzensgrund.
„Heiraten thun wir zum Herbst!" ruft der Seppel
der Bäuerin entgegen, die schier schwach geworden ist
vor Erstaunen und Verwunderung, und eine Weil'
lang gar nichts sagen kann.
Der Weg nach dem Dörnerhof ist gar lang für
die alte Bäuerin, aber kurz für zwei andere. In
ihrem Glück sällt's mit einemmal der Lisabeth schwer
aufs Herz, daß sie nun doch 'was gegen die Urheberin
desselben unternehmen will. Wissen muß sie jetzt 'mal,
wie das mit dem Seppel so schnell kommen ist, und
sie srägt ihn auch darum.
„Weiß selber nit recht," meint der Seppel, „'s ist mir
die letzten paar Tag' immer nachgegangen, wenn ich
Dich so flink und so nett im Hos hab' herumspringen
haben, gelt, da müßt er Dich halt nehmen, wenn das
da. . sie zeigt mit dem Finger aus das Päckchen.
Die Plane weiß recht gut, was die Lisabeth denkt,
und ärgert sich tüchtig. „Wart," sagt sie bei sich, „will
Dir's geben."
„Freilich müßt er mich nehmen," sagt sie ernsthaft;
„gelt, wenn der Seppel Dich nit mag, und Du kannst
ihn mit dem Pulver zwingen, da denkst Dir weiter
nichts Unrechtes dabei, weil er ein Bauernsohn ist,
und Du eine Hoftochter, aber, wenn mir so was ein-
sallen sollt', mir, der Tochter von der Hexen-Amei,
die nit so recht weiß, wer ihr Bater war, der Hexen-
Plone, wie ihr mich schon getauft habt, wenn ich so
ein Gelüste mit dem, was ich mehr kann als Du,
wollt' befriedigen, das wär' himmelschreiend unrecht."
Die Lisabeth wird ein bißchen verlegen. Sie hat
das freilich gedacht, aber sagen kann sie's der Plone
doch nicht ins Gesicht. Denn die wird überm Reden
heiß und bös.
„Freilich thu ich's," ruft sie; „wenn ich mich in
einen von den Dummrianen verlieben könnt', hätt' ich's
schon längst gethan — aber viel zu wenig sind sie mir
noch all."
Und mit einemmal kommt ein toller Uebermut über
sie. Sie will die Lisabeth 'mal gehörig ärgern und
neidisch machen, und deshalb lacht sie:
„Daß Du's nur weißt, Lisabeth, ich heirat' den
Dörnerhöfer, ja, das thu' ich, er weiß noch nix davon,
der Maxel, aber ich krieg' ihn schon herum."
Die Lisabeth ist schier versteinert. Die Plone —
Hexen-Plone will Dörnerhofbäuerin werden. In den
„Dörnern" sitzen und mit dem schmucken Maxel Herrin
sein über vier Gäule und dreißig Kühe, Sonntags in
einem Kütschlein zur Kirche gefahren kommen, in einem
schwarzen seidenen Kleid und in einem Stadthut mit
vielen bunten Blumen draus — 's ist nicht zum Aus-
denken.
„Plone," stammelt sie verdutzt, „'s ist nit Dein
Ernst?"
„Mein heiliger Ernst ist's," sagt die Plone, „wer's
abwarten kann, wird's sehen. Sind schon sonderbarere
Dinge auf der Welt passirt, als das."
„Aber, Plone, hast eben gesagt, man dürst' dem
Burschen nit zu Gefallen gehen, wie willst das denn
da einrichten?"
„Er kann ja zu mir kommen," sagt nachlässig die
Plone.
Die Lisabeth packt ihr köstliches Pulver zusammen
und schickt sich zum Gehen an. In ihrem Kopf geht's
wie ein Mühlrad herum. Die Plone auf dem Dörner-
hos — sie kann noch nit begreifen. Sie selber hat
sich eine Zeit her viel Mühe gegeben um den Maxel,
aber es hat nix genützt. Das ist ein Stolzer! Der
will hoch hinaus, will 'was Apartes. Freilich, die
Plone ist 'was Apartes, das muß der Neid ihr lassen.
Eine schöne Dörnerhöferin thät iie abgeben, aber, 's
ist doch nit möglich. Warnen vor der Hexe thut sie
den Maxel, das ist ganz sicher.
„Lisabeth," erinnert da die Plone, „denkst auch
daran, daß man von dem Zauber kein Sterbenswort
reden darf, weil er sonst seine Kraft verliert und nie
mehr was nützt."
Herrgott ja, das hätt' sie beinah vergessen. Also
mit dem Warnen ist's nix, da müßt' sie ja davon
reden!
„Und daß Du nur ja alles sein ausführst, was
ich gesagt hab'," ermahnt die Plone in der Hausthür.
Wie schnell die Lisabeth den Heckenweg hinunter
läuft. Am Ende desselben schaut sie nochmal mit einem
schier ängstlichen Blick zurück nach dem kleinen Häusel,
das doch so friedlich und freundlich da liegt unter dem
großen Lindenbaum und mit dem blühenden Flieder-
busch zwischen den zwei einzigen Fenstern.
Aber 's ist doch ein Hexenhäusel.
Derweil denkt die Plone mit innerlichem Behagen
an das Fegen und Scheuern und Putzen, das die
Lisabeth jetzt bald anheben wird.
„Wird ihm schon besser gefallen, wenn sie recht
akrat daherkommt, dem adretten Seppel," sagt sie für
sich, „und das war noch 'n kluger Gedanke von mir,
daß ich ihr's gesagt hab', sie dürst ihm nit zu Gefallen
gehen. Der Seppel hat mir's doch neulich selber ge-
sagt, wie's ihn verdrießen thut, das Nachsteigen von
der Lisabeth. Das wär' die verkehrte Welt. Hast recht
gehabt, Mutterle, wenn Du immer wieder gemeint hast,
gute Augen und Ohren und 'n Heller Kopf wären
genug zum Hexen, weiter thät man nichts brauchen.
Wenn Du aber gewußt hättst, daß sie mir auch noch
den Namen anhängen, wärst Du vielleicht doch 'n bissel
vorsichtiger gewesen. Aber was schad's, hab' ich ja
heut selber zu hexen angefangen. Die dumme Life!
Sie glaubt dran wie ans Evangelium. Und was sie
Augen gemacht hat, wie ich das gesagt hab' vom
Dörnerhöfer! Das thut ihr ein Loch in die Seelen
brennen, daß sie das nit sagen darf. Aber das ist die
gerechte Straf dafür, daß sie meint, unsereiner wär'
weniger als eine Hostochter. Ja wohl, thät mir an-
stehen, der Maxel. Aber gute Weg hat's damit.
Illustrirte Melt.
Glaub nit, daß die Salzprisen, die ich in das Säckel
gethan, mir dazu helfen thäten!" Und Hexen-Plone
setzt sich ans Spinnrad und thut, als müßt zu morgen
ihre ganze Ausstattung fix und fertig sein.
Derweil hat die Lisabeth tiefsinnige Gedanken.
Während sie all ihre Röcke und Janker in einen großen
Zuber zum Waschen packt, damit das Zauberpulver
nit unwirksam wird, spintisirt sie gar eifrig, wie sie
der Plone ihre hohen Pläne zu Nichte machen kann.
Sie hat sie ganz gern, die Plone, aber was sie sich
da in den Kopf gesetzt hat, das ist doch 'n bißchen
arg und gegen alle Ordnung und Herkommen. Zwischen-
durch blinzt sie verstohlen übern Zaun nach dem Seppel.
Sie hat das Säcklein noch nit um, da darf sie noch
'mal schauen, aber doch nit so ganz öffentlich thut sie's
— sie muß sich halt schon gewöhnen. Und da kommt
er gerad' übern Hof, der Seppel. Sonst hat sie ihm
'was zugerufen über den Zaun, aber heut thut sie's
'mal nit. Und ob's nun nur das Ungewohnte ist, oder
ob das Pulver im Haus schon wirkt — der Seppel
guckt ganz verwundert nach der Schweigsamen, und
sängt richtig übern Zaun ein Gespräch an, was er
sonst nie thut. Der Lisabeth wird's ganz beklommen.
Es thut schon wirken, aus die Entfernung schon. —
Aber Dörnerhöferin wird die Plone darum doch nit,
wenn sie's hindern kann.
Und auf 'mal fällt ihr was ein.
„Seppel," sagt sie, „weißt vielleicht zufällig, ob auf
dem Dörnerhof eine Kalbin zum Verkaufen ist?"
Der Seppel stutzt. Sollt die Lisabeth ein Äug'
auf den Dörnerhöfer haben? Sie hat vorher gar nit
nach ihm geschaut, und jetzt die Frage.
„Warum fragst?" sagte er neugierig.
„Weil ich Antwort haben will," sagt die Lisabeth
schnippisch.
„Frag ihn doch selber," meint der Seppel.
„Ist 'n bissel weit hinaus, um einer Frag' willen,"
sagt die Lisabeth; „ich dacht'. Du hättst mir den Weg
sparen können."
„Wollt ihr wirklich eine kaufen?" fragt der Seppel.
„Ich dacht halt, es wär' nur so 'ne Hinterthür, um
auf den Dörnerhof zu kommen."
„Dazu brauchen wir keine Hinterthür," trumpft
die Lisabeth, „können durchs Hosthor 'neingehen, der
Maxel ist ja noch 'n Vetter zu uns."
„Er hat zwei stehen," bequemt sich jetzt der Seppel
zu einer Auskunft, „und Prachtvieh ist's, das muß
man sagen."
Und während er qualmend seiner Arbeit nachgeht,
denkt er eifrig darüber nach, weshalb die Lisabeth
'mal so kurz angebunden sein mag, und beschließt, ihr
ein wenig „auf d' Pfoten" zu sehen.
„Mutter," fädelt die Lisabeth am Abend ein, „aus
dem Dörnerhof stehen zwei Kalbinnen. Weil wir doch
eine kaufen wollen ... Es wär' nit uneben, wenn wir
Sonntag 'mal 'naufsteigen und sie anschauen thäten."
Die Mutter thut alles, was die Lisabeth will. Ist
die ja doch die zukünftige Hosbesitzerin, und die Mutter
muß für ihre alten Tage sorgen, daß ihr Kind gut
zu ihr ist.
„Freilich," sagt sie bereitwillig, „'s schönste Vieh
hat er weit und breit, heißt das mit Ausnahme von
der Hexen-Amei seiner Bläß, so eine steht nit mehr auf."
Der Lisabeth gibt's einen Stich, daß die zwei Na-
men so zusammen genannt werden.
„Das eine Stück," sagt sie verächtlich.
„Freilich," meint die Mutter, „eins gegen dreißig,
das zählt nit."
Und so ist die Verschwörung gegen Plone gut im
Gange!
Der Lisabeth wird die Woche nit lang bis zum
Sonntag. Hat sie doch den lieben langen Tag stramm
zu schaffen und zu sorgen, vom Morgen früh bis in
die Nacht, damit nur dem Zauberpulver nix passirt.
Scheuern und Fegen und Putzen überall, damit nirgends
'was Unrechtes zu finden ist, und dabei selbst immer-
blank und sauber sein, das ist ein Kunststück für die
Lisabeth, die sonst lieber ein bissel zum Plauschen
gangen ist und nach dem Seppel ausgeschaut hat, wo
sie ihn erwischen könnt. Manchmal wird's ihr 'n
bissel viel, und sie möcht gern nachlassen, aber dann
sieht sie den Seppel mit seinem hübschen Gesicht mit
dem kecken, zausigen Schnurrbärtchen vor sich, und beißt
die Zähne zusammen und läuft aus der Stub in die
Küchen und aus der Küchen in den Stall.
„Meint man nit schier, es sollt' morgen eine Hoch-
zeit fein," schlägt die Mutter die Händ' überm Kopf
zusammen; „bist wie ausgewechselt, Mädel, sag nur,
was in Dich gefahren ist seit ein paar Tagen!"
Und dann macht die Lisabeth 'was daher, daß sie
sich schon lange über die Mägde ärgert, weil sie gar
nit ordentlich aufpassen, und daß sie zeigen will, wie
man's macht. Und heimlich freut sie sich unbändig,
wenn sie übern Hof am Nachbarzaun vorbeigeht und
der Seppel raucht grad ganz zufällig sein Pfeifchen
und guckt sie so vergnügt an.
Dem Seppel ist's wahrhaftig noch nie so deutlich
gewesen, daß die Lisabeth doch ein gar nett's, lieb's
Ding ist. Und so schaffig den ganzen Tag, springt
herum wie ein Häschen, und sieht gar nit mehr so
nachlässig aus wie früher, immer nett und säuberlich.
Und gar nit mehr so viel nach ihm schauen thut sie,
wär' doch eigentlich schade, wenn sie ein Äug' auf 'nen
andern Burschen hätt'. — Und ganz heiß wird dem
Seppel bei dem Gedanken, und er nimmt schnell die
Pfeife aus dem Mund und ruft der Lisabeth ein Scherz-
wort zu.
Ja, der Plone ihr Pulver, das wirkt mächtig. —
Eine Hex' ist sie, das ist ausgemacht.
Gar schnell ist Sonntag. Im Hochamt sitzt die
Lisabeth mit fromm zusammen gefalteten Händen neben
der Plone und muß sie immer wieder anschauen. Sie,
die Lisabeth, sieht heut gar schmuck aus mit dem breiten
Sammetband um die Blondzöpfe und der seinen Tuch-
jacke und der hellblauen Schürze mit bunten Blumen
über dem schwarzen Feiertagsrock, aber die Plone! —
Die Plone ist wirklich 'was Äpartes. Sie trägt Trauer-
kleider um ihre Mutter, und aus dem schwarzen Flor-
band, das um ihre Halskrause zu einer großen Schleife
gebunden ist, hebt sich der schöne dunkle Kops mit den
Prachtflechten gar herrlich aus.
„'s ist doch die Allerschönste," denkt die Lisabeth;
„wundern soll's mich nit, wenn sie's fertig kriegt, was
sie sich vorgenommen hat. Und gut ist's, daß der
Dörnerhos in ein ander Kirchspiel gehört, wer weiß,
wenn der Maxel jeden Sonntag zwei Stunden in der?
Kirch aus der Orgel sitzen müßt, ob er da nit von
selber auf ganz andere Sachen käm als auf Beten und
Singen. — Und dabei fällt der Lifabeth ein, daß der
Maxel vielleicht die Plone gar nit 'mal von Ansehen
kennt — er kommt alle Jahre einmal ins Dors —
und daß er nun so über Hals und Kopf in der Plone
ihre Schlinge stürzen soll.
„O, Du Scheinheilige," denkt die Lisabeth und
schielt nach der Plone, „als ob Du kein Wässerlein
trüben könntest, schaust drein, und bist so 'ne Ausge-
spitzte. Aber heut nachmittag gehen wir in die Dörner,
da werd' ich doch was thun gegen Deine Hexerei."
Und am Nachmittag steigen sie richtig hinauf in
die Dörner, die Mutter, die Lisabeth und — der
Seppel. Dem Seppel ist eingefallen, daß er ganz not-
wendig was mit dem Maxel zu reden hat, was er gar
nicht mehr aufschieben kann, und die Lifabeth hat ge-
sagt, sie thät nichts dagegen haben, wenn er mit geht.
Die erste Strecke Wegs gehen sie ganz stumm neben
einander; die Mutter hat in einer alten Bäuerin, die
daher kommt, eine Schulkameradin entdeckt, und zwi-
schen den zweien hebt ein eifriges Schwatzen an von
früheren Zeiten und von den „Seligen" und den Kin-
dern; die Jungen aber, die sind wie ausgewechselt.
Der Lisabeth ihr Plappermund ist ganz eingerost't,
und der Seppel sieht aus, als hätte er einen gequollenen
Bissen in der Kehle und könnte ihn nicht 'nunter-
schlucken, und darüber wird auch der Lisabeth schwül
und schwüler. Aber an einer Wegbiegung, wo Schleh-
dorn und wilde Rosen den Pfad einengen, da guckt
der Seppel sich vorsichtig nach allen Seiten um, und
saßt die Lisabeth um: „Mögen thät' ich Dich!" stößt
er heraus.
All die schönen Reden, die er sich den ganzen Nach-
mittag zurecht gelegt, hat er vergessen und froh ist er,
daß er die vier Wort' aus seiner zugeschnürten Kehle
herausgebracht hat.
„Jesses Marian Joseph, bist Du ein Wüschter!"
schreit die Lisabeth, aber nicht sehr laut, es könnte ja
einer daher kommen und's hören; „ist das auch eine
Art, die Leut zu überfallen und seine Sach vorzu-
bringen."
„Gered't is gered't," beharrt der Seppel, „eh' ich
den ganzen Nachmittag in den Dörnern sitz' und mir
einbild'. Du wärst um den Maxel 'naufgestiegen, lieber
dreh' ich aus dem Fleck um, wenn Du sagst, daß Du
mich nit magst."
„Warum bist denn mit 'nausgestiegen," lacht die
Lisabeth; „ich thät an Deiner Stell geich wieder 'nunter-
gehen, denn ich geh' gewiß und wahrhaftig wegen
dem Maxel 'nauf."
Aber ihre Augen reden doch 'was anderes wie der
Mund, und der Seppel versteht die Sprach recht gut.
— Wie die Mutter um die Ecke biegt, sitzen der Seppel
und die Lisabeth auf einem Baumstamm gar einträchtig
neben einander und küssen sich aus Herzensgrund.
„Heiraten thun wir zum Herbst!" ruft der Seppel
der Bäuerin entgegen, die schier schwach geworden ist
vor Erstaunen und Verwunderung, und eine Weil'
lang gar nichts sagen kann.
Der Weg nach dem Dörnerhof ist gar lang für
die alte Bäuerin, aber kurz für zwei andere. In
ihrem Glück sällt's mit einemmal der Lisabeth schwer
aufs Herz, daß sie nun doch 'was gegen die Urheberin
desselben unternehmen will. Wissen muß sie jetzt 'mal,
wie das mit dem Seppel so schnell kommen ist, und
sie srägt ihn auch darum.
„Weiß selber nit recht," meint der Seppel, „'s ist mir
die letzten paar Tag' immer nachgegangen, wenn ich
Dich so flink und so nett im Hos hab' herumspringen