Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 1.1912

DOI Heft:
I.1
DOI Artikel:
Robitsek, Alfred: Symbolisches Denken in der chemischen Forschung
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.42094#0098

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
90 Dr. Alfred Robitsek, Symbolisches Denken in der chemischen Forschung

selbst die ersten Schritte zu einer Selbstanalyse, indem er nach den
Ursachen forscht, warum die Keime dieser neuen Ideen gerade in
seinem Kopfe den geeigneten Boden fanden,• er findet sie in seinen
Zeichneranlagen und architektonischen Studien, für die ihn der Vater
bestimmt habe. Während aber, wie er sagt, die Lebensrichtung der
Söhne meistens die Eltern bestimmen, hat er sich frühzeitig von der
Autorität des Vaters frei gemacht. Diese Loslösung ist überaus
wichtig, sie ist immer die Bedingung und das Vorbild jeder Ent-
Wicklung zur selbständigen, freien Persönlichkeit. Wie sie schon ihren
Anfang im infantilen Trotz gegen das väterliche Verbot hat, auf
diese infantile Basis aufgebaut ist, so ermöglicht sie dem Forscher
später, sich vom Einfluß der verschiedenen Schulen frei zu machen.
»Ich gehörte keiner Schule mehr an,« sagt er, und sieht in diesem
Umstand neben dem unwiderstehlichen Bedürfnis nach Anschau^
lidrkeit' —■ dem Sublimierungsprodukt einer starken Triebkomponente
' die Bedingungen seiner Forschererfolge. »Machen Sie sich frei vom
Geist der Schule,« rät er den Jüngeren, »dann werden Sie fähig sein.
Eigenes zu leisten.« Wie ein Ausdruck endopsychischer Kenntnis des
oben angenommenen Zusammenhanges klingt es, wenn er sagt:
»Der Mensch ist eben ein Ausdruck der Verhältnisse, in denen er
groß geworden«, wie ein Wissen um die Determiniertheit alles
geistigen Geschehens, wie ein Ausdrude unbewußter Kenntnis davon,
daß er die Neuheit und Kühnheit seiner Theorien in letzter Linie
der Loslösung von der väterlichen Autorität verdankt, von der
alles Spätere nur die natürliche Konsequenz war, seine bescheidenen
Worte: »ein besonderes Verdienst erwächst ihm daraus nicht.«
Es ist bemerkenswert, daß sich K e k u 1 e in späteren Jahren
gegen die Fortschritte der chemischen Theorien über ihn hinaus sehr
ablehnend verhielt, wie der Verfasser aus seiner eigenen Studienzeit
bei ihm weiß. Er war eben selbst ältere Generation, »Vater« ge-
worden, von dem sich die Schüler frei zu machen hatten. Diese
immer wieder notwendige, ewig sich erneuernde Loslösung der
Jungen von der Autorität der Älteren, dieser ewige Kontrast und
Kampf zwischen den Generationen gehört gewiß zu den wichtigsten
Faktoren, die den Fortschritt der Menschheit bedingen.
 
Annotationen