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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 1.1912

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Jones, Ernest: Die Bedeutung des Salzes in Sitte und Brauch der Völker, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42094#0464

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454

Ernest Jones

Die Bedeutung des Salzes in Sitte und Brauch
der Völker.
Von Professor Dr. ERNEST JONES, Toronto.
<Schluß.)
In dem ersten Teile dieses Aufsatzes habe ich mich vor allem mit
den beiden Erwachsenen auffindbaren Wurzeln von Salz-
Symbolik und Aberglauben beschäftigt ,■ jetzt müssen wir unsere
Aufmerksamkeit den tiefer liegenden infantilen Wurzeln zu-
wenden.
Ehe wir zur nächsten Stufe unserer Forschung übergehen,
wird es nötig sein, kurz auf einige Gegenstände des kindlichen
Geisteslebens hinzuweisen, die, ohne erkannt zu werden, eine
wichtige Rolle im Leben der Erwachsenen spielen, nämlich auf gewisse
Ansichten über die Kinderzeugungl. Diese werden fast immer in
den späteren Jahren vergessen, so daß der Durchschnittserwachsene
sich ihrer Existenz nicht bewußt ist und es ihn aufs äußerste über-
rasdht, von ihrer Häufigkeit zu hören. Das Kind, das bald heraus-
gebracht hat, daß ein Baby von der Mutter geboren wird und in
ihrem Inneren wächst, geht daran, das Problem nach besten Kräften
zu lösen, da die Antwort ihm verheimlicht wird. Da es nichts von
an deren Organen weiß, stellt es sich unter dem »Innern«, vor allem
dem Bauch, einfach einen Sammelplatz für die Nahrung vor, eine
Ansicht, die in hohem Maße durch seine Erfahrung von Ver-
dauungsstörungen und andere Empfindungen bestärkt wird. Das
Baby muß also aus der Nahrung entstanden sein, ein Schluß, der
natürlidi sehr richtig ist,- ferner, da keine andere Möglichkeit des Heraus-
gelangens vorhanden ist, wenigstens so weit das Kind unterrichtet
ist, muß das Baby die Außenwelt auf demselben Wege erreicht
haben wie die verdaute Nahrung <Kloakentheorie>. So entsteht eine
feste Verbindung zwischen der Vorstellung von Nahrung, Faeces
und Neugebornen, was unter anderem viele hysterische Symptome
erklärt. Demnächst kommt dem Kinde die Idee, da die Nahrung
allein dieses Resultat nicht hat, müsse eine Verbindung von zwei
Substanzen nötig sein. Auf der Basis seines Interesses für die Ex-
kremente bemerkt es, daß drei von diesen in Betracht kommen,
gaslörmige, flüssige, feste. Diese kann die Phantasie auf verschiedene
Arten kombinieren, wovon die hauptsächlichsten nach meiner und
anderer Forscher Erfahrung sind: flüssig=fest, flüssig-flüssig, fest-fest
und gasförmig-fest. Eine Kenntnis dieser Tatsachen ist unentbehn-
lieh für das volle Verständnis der Salz^Symbolik. Da man die Ein^
Wendung erheben könnte, daß sie künstliche Produkte der psycho-
analytischen Forschungsmethode sind, wird es gut sein, ein wenig
1 Siehe Freud, Sammlung kleiner Schriften zur Neurosenlehre, zweite Folge,
1911, S. 159— 164, »Über infantile Sexualtheorien«.
 
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