ZEITSCHRIFT FÜR ANWENDUNG DER PSyCHO-
ANALYSE AUF DIE GEISTES WISSENSCHAFTEN
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR S. FREUD
14
SCHRIFTLEITUNG:
OTTO RANK / DR. HANNS SACHS
il'liiiiillllllllllllllllillllllllllllE
1912
Über einige Übereinstimmungen im Seelenleben der
Wilden und der Neurotiker.
Von SIGM. FREUD.
II.
Das Tabu und die Ambivalenz der Gefühlsregungen.
\ yr J ir wollen nun wissen, welchen Wert unsere Gleich-
\ \ J Stellung des Tabu mit der Zwangsneurose und die
V V auf Grund dieser Vergleidiung gegebene Auffassung
des Tabu beanspruchen kann. Ein soldier Wert liegt offenbar nur
vor, wenn unsere Auffassung einen Vorteil bietet, der sonst nicht
zu haben ist, wenn sie ein besseres Verständnis des Tabu ge-
stattet, als uns sonst möglich wird. Wir sind vielleicht geneigt zu
behaupten, daß wir diesen Nachweis der Brauchbarkeit im Vor-
stehenden bereits erbracht haben,- wir werden aber versuchen
müssen, ihn zu verstärken, indem wir die Erklärung der Tabu-
verbote und Gebräuche ins Einzelne fortsetzen.
Es steht uns aber auch ein anderer Weg offen. Wir können
die Untersuchung anstellen, ob nickt ein Teil der Voraussetzungen,
die wir von der Neurose her auf das Tabu übertragen haben, oder
der Folgerungen, zu denen wir dabei gelangt sind, an den Phäno^
menen des Tabu unmittelbar erweisbar ist. Wir müssen uns nur
entscheiden, wonach» wir suchen wollen. Die Behauptung über die
Genese des Tabu, es stamme von einem uralten Verbote ab,
welches dereinst von außen auferlegt worden ist, entzieht sich natür-
lich» dem Beweise. Wir werden also eher die psychologischen
Bedingungen fürs Tabu zu bestätigen suchen, welche wir für die
Zwangsneurose kennen gelernt haben. Wie gelangten wir bei der
Neurose zur Kenntnis dieser psychologischen Momente? Durch das
analytische Studium der Symptome, vor allem der Zwangshand^
Jungen, der Abwehrmaßregeln und Zwangsgebote. Wir fanden an
ihnen die besten Anzeichen für ihre Abstammung von ambi-
valenten Regungen oder Tendenzen, wobei sie entweder gleich^
ANALYSE AUF DIE GEISTES WISSENSCHAFTEN
HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR S. FREUD
14
SCHRIFTLEITUNG:
OTTO RANK / DR. HANNS SACHS
il'liiiiillllllllllllllllillllllllllllE
1912
Über einige Übereinstimmungen im Seelenleben der
Wilden und der Neurotiker.
Von SIGM. FREUD.
II.
Das Tabu und die Ambivalenz der Gefühlsregungen.
\ yr J ir wollen nun wissen, welchen Wert unsere Gleich-
\ \ J Stellung des Tabu mit der Zwangsneurose und die
V V auf Grund dieser Vergleidiung gegebene Auffassung
des Tabu beanspruchen kann. Ein soldier Wert liegt offenbar nur
vor, wenn unsere Auffassung einen Vorteil bietet, der sonst nicht
zu haben ist, wenn sie ein besseres Verständnis des Tabu ge-
stattet, als uns sonst möglich wird. Wir sind vielleicht geneigt zu
behaupten, daß wir diesen Nachweis der Brauchbarkeit im Vor-
stehenden bereits erbracht haben,- wir werden aber versuchen
müssen, ihn zu verstärken, indem wir die Erklärung der Tabu-
verbote und Gebräuche ins Einzelne fortsetzen.
Es steht uns aber auch ein anderer Weg offen. Wir können
die Untersuchung anstellen, ob nickt ein Teil der Voraussetzungen,
die wir von der Neurose her auf das Tabu übertragen haben, oder
der Folgerungen, zu denen wir dabei gelangt sind, an den Phäno^
menen des Tabu unmittelbar erweisbar ist. Wir müssen uns nur
entscheiden, wonach» wir suchen wollen. Die Behauptung über die
Genese des Tabu, es stamme von einem uralten Verbote ab,
welches dereinst von außen auferlegt worden ist, entzieht sich natür-
lich» dem Beweise. Wir werden also eher die psychologischen
Bedingungen fürs Tabu zu bestätigen suchen, welche wir für die
Zwangsneurose kennen gelernt haben. Wie gelangten wir bei der
Neurose zur Kenntnis dieser psychologischen Momente? Durch das
analytische Studium der Symptome, vor allem der Zwangshand^
Jungen, der Abwehrmaßregeln und Zwangsgebote. Wir fanden an
ihnen die besten Anzeichen für ihre Abstammung von ambi-
valenten Regungen oder Tendenzen, wobei sie entweder gleich^