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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 1.1912

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I.3
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Ferenczi, Sándor: Symbolische Darstellung des Lust- und Realitätsprinzips im Ödipus-Mythos: (Gedeutet durch Schopenhauer)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42094#0292

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284

Dr. S. Ferenczi

»Jo käste (zu Ödipus, der, nach der schreddichen Wahrheit
forschend, den einzigen Zeugen des Frevels zu sich be-
scheidet):
. . . Merke nicht darauf und dem
Was sie gesprochen, sinne nicht vergebens nah.
Ödipus: Das sei mir ferne, daß nicht nah diesen, mir
Gehobnen Zeihen, mein Geshleht enthüllen soll!
Jo käste: Nein, bei den Göttern, so gewiß dein Leben dir
Lieb ist, ergründ7 es nicht! — Genug ist meine
Qu a 1!«
Jo käste: Lind dennoch folg7 mir! Tu7 es nicht! Ih bitte däh.
Ödipus: Ih folge nicht dir, eh7 ih klar das alles weiß.
Jo käste: Und wohl es meinend, nur das Beste rat7 ih dir.
Ödipus: Doh eben dieses Beste quält mich lange shon.
Jo käste: Unsehger, daß du nie erkenntest wer
du bist.

Ödipus: Es breche, was da brechen mag,- ich
aber will
Auch wenn es klein ist, mein Geschlecht
ergründet sehen.
Der Hirt <der mit der Tötung des neugeborenen Ödipus
betraut war, ihn aber seinerzeit aussetzen ließ):
Weh7 mir, nun soll ih sagen das Entsetzliche!
Ö dipus: Und ih es hören. Doh es muß gehöret sein!

»Die Jokaste in uns«, wie Schopenhauer sagt, das Lustprinzip,
wie wir es ausdrücken, will also, daß der Mensh »leiht dahinleben
soll, wie er vermag«, daß er die Dinge, die ihn ängstigen, »für
nichtig achte« <unterdrücke>, z. B. Phantasien und Träumen vom
Tode des Vaters und vom Geschlechtsverkehr mit der Mutter mit
der oberflächlichsten Motivierung alle Bedeutsamkeit absprehe, auf
unangenehme und gefährlihe Reden nicht ahte, dem Ursprung der
Dinge niht nahgehe, besonders aber warnt es davor, daß der
Mensh erkenne, wer er ist.
Das Realitätsprinzip aber, der Ödipus in der Menshenseele,
läßt sich durch die Lodcungen der Lust niht davon abhalten, auh
der zunähst bitteren oder gar entsetzlih wirkenden Wahrheit auf
den Grund zu gehen, es shätzt nichts so gering, daß es einer
Prüfung nidit wert wäre, es schämt sih niht, selbst in den aber-
gläubishen Vorhersagen und Träumen den wahren psychologischen
Kern zu sudien, und lernt es ertragen, daß im Innersten der Seele
aggressive und sexuelle Instinkte hausen, die selbst vor den Schranken
niht halt madren, die die Kultur zwischen dem Sohne und seinen
Eltern errihtet hat.
 
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