Zur Determinierung
402
ZUR SYMBOLISCHEN BEDEUTUNG DER ZIFFERN. In
den beiden oben erwähnten Arbeiten über die psychologische Grundlage
gewisser Synästhesien wird auch auf die sonderbare Rolle hingewiesen,
welche den Zahlen im unbewußten Seelenleben häufig zufällt. Ich möchte
dazu einige kleine Beobachtungen aus der letzten Zeit mitteilen.
Ein kleines Mädchen, das die erste Volksschulklasse besucht und eben
die Ziffern sdrreiben lernt, ist zum Verdruß ihrer Eltern und Lehrer nicht
imstande, die 5 zu schreiben. Nähere Erkundigung ergab, daß seit kurzer
Zeit im Hause eine Tante zu Besuch war, die infolge ihrer hochgradigen
Schwangersdiaft das Interesse der Kleinen erregt und sie zu der Frage ver-
anlaßt hatte, warum die Tante einen so großen Bauch habe. Nun war die
Hemmung beim »Bauch« der 5*) verständlich und der Zusammenhang
erschien auch den Angehörigen des Kindes sogleich einleuchtend,- sie unter-
ließen es jedodi, das Kind darüber aufzuklären. Erst nach Abreise der
Tante sdtwand die Hemmung spontan soweit, daß die Kleine die 5, wenn
auch nicht korrekt, schreiben konnte,- die Unkorrektheit zeigt aber deutlich
den Zusammenhang mit dem Bauch, denn das Kind konnte die Ziffer nur
so schreiben, daß es den Kreis ganz schloß und dann erst den oberen Strich
ansetzte (ö), welche Schreibart sie dann auch auf die 6, die sie unmitteL
bar darauf lernte, übertrug.
Eine andere Beobachtung betrifft ein erwachsenes junges Mädchen,
das eine besondere Vorliebe für die 4 hegt und diese Ziffer sehr häufig auf
den Boden <mit dem Schirm) oder auf Papier schreibt, oft auch nur die
Linien markiert. Durch Eingehen auf ihre Tagträume stellte sich mit un^
zweifelhafter Sicherheit <in etwa zo Fällen) heraus, daß die 4 regelmäßig
der begleitende symbolische Ausdruck einer Verführungsphantasie** ist, die
bald mehr, bald minder bewußt sie augenblicklich bcsdräftigt. Natürlich
gehen von dieser Assoziationsbrücke tiefere Verbindungen in ihr gesamtes
psychisdies Erleben und Empfinden, Als Pendant zum ersten Fall sei hier
nur darauf hingewiesen, daß sie schon als Schulmäddien diese Vorliebe für
die 4 faßte und immer bemüht war, diese Ziffer besonders schön und
schwungvoll (nach dem Muster der gedruckten) zu schreiben. Daß das AuL
treten dieser Erscheinung zeitlich mit einer intensiven Verliebtheit in einen
Lehrer zusammenfällt (von dem sie heute nodi bewußt schwärmt und un-
bewußt in ihrer Liebeswahl beeinflußt ist), zeigt, daß die spätere scheinbar
rein assoziative Verwertung des Symbols genetisch begründet ist.
Endlidr sei noch der Beridit eines jungen Mannes erwähnt, der sich
aus seiner Schulzeit der störenden Gewohnheit erinnert, in der Mathematik
statt gewisser Ziffern Buchstaben zu schreiben, bei deren Auswahl das Wortbild
der Zahl eine ähnlidie Rolle spielte, wie die Vokale der Farbenbezeichnung
für das Farbenhören (z. B. e gelb). Nur betrifft diese Ersetzung hier
regelmäßig Konsonanten,- so schrieb er völlig unbeabsichtigt und zu seinem
eigenen Ärger oft statt drei ein r, statt 7 ein langes s und besonders häufig
statt der 2 w, was ihm auch von anderen Kollegen bekannt ist und sich
den Pfisteksdhen Ausführungen (Imago, Heft 3, S. 268) sdiön fügt. Einer
* Stekel (Beiträge zur Traumdeutung, Jahrb. f. psydioanalyt. Forschg. I,
S. 498) erinnert daran, daß die 5 »von Heine als das Symbol der schwangeren
Frau, großer Bauch und kleiner Kopf gedeutet« wird.
®* Auf diese Bedeutung des »Vierer« als Verführer hat bereits Stekel
(1. c.) hingewiesen.
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ZUR SYMBOLISCHEN BEDEUTUNG DER ZIFFERN. In
den beiden oben erwähnten Arbeiten über die psychologische Grundlage
gewisser Synästhesien wird auch auf die sonderbare Rolle hingewiesen,
welche den Zahlen im unbewußten Seelenleben häufig zufällt. Ich möchte
dazu einige kleine Beobachtungen aus der letzten Zeit mitteilen.
Ein kleines Mädchen, das die erste Volksschulklasse besucht und eben
die Ziffern sdrreiben lernt, ist zum Verdruß ihrer Eltern und Lehrer nicht
imstande, die 5 zu schreiben. Nähere Erkundigung ergab, daß seit kurzer
Zeit im Hause eine Tante zu Besuch war, die infolge ihrer hochgradigen
Schwangersdiaft das Interesse der Kleinen erregt und sie zu der Frage ver-
anlaßt hatte, warum die Tante einen so großen Bauch habe. Nun war die
Hemmung beim »Bauch« der 5*) verständlich und der Zusammenhang
erschien auch den Angehörigen des Kindes sogleich einleuchtend,- sie unter-
ließen es jedodi, das Kind darüber aufzuklären. Erst nach Abreise der
Tante sdtwand die Hemmung spontan soweit, daß die Kleine die 5, wenn
auch nicht korrekt, schreiben konnte,- die Unkorrektheit zeigt aber deutlich
den Zusammenhang mit dem Bauch, denn das Kind konnte die Ziffer nur
so schreiben, daß es den Kreis ganz schloß und dann erst den oberen Strich
ansetzte (ö), welche Schreibart sie dann auch auf die 6, die sie unmitteL
bar darauf lernte, übertrug.
Eine andere Beobachtung betrifft ein erwachsenes junges Mädchen,
das eine besondere Vorliebe für die 4 hegt und diese Ziffer sehr häufig auf
den Boden <mit dem Schirm) oder auf Papier schreibt, oft auch nur die
Linien markiert. Durch Eingehen auf ihre Tagträume stellte sich mit un^
zweifelhafter Sicherheit <in etwa zo Fällen) heraus, daß die 4 regelmäßig
der begleitende symbolische Ausdruck einer Verführungsphantasie** ist, die
bald mehr, bald minder bewußt sie augenblicklich bcsdräftigt. Natürlich
gehen von dieser Assoziationsbrücke tiefere Verbindungen in ihr gesamtes
psychisdies Erleben und Empfinden, Als Pendant zum ersten Fall sei hier
nur darauf hingewiesen, daß sie schon als Schulmäddien diese Vorliebe für
die 4 faßte und immer bemüht war, diese Ziffer besonders schön und
schwungvoll (nach dem Muster der gedruckten) zu schreiben. Daß das AuL
treten dieser Erscheinung zeitlich mit einer intensiven Verliebtheit in einen
Lehrer zusammenfällt (von dem sie heute nodi bewußt schwärmt und un-
bewußt in ihrer Liebeswahl beeinflußt ist), zeigt, daß die spätere scheinbar
rein assoziative Verwertung des Symbols genetisch begründet ist.
Endlidr sei noch der Beridit eines jungen Mannes erwähnt, der sich
aus seiner Schulzeit der störenden Gewohnheit erinnert, in der Mathematik
statt gewisser Ziffern Buchstaben zu schreiben, bei deren Auswahl das Wortbild
der Zahl eine ähnlidie Rolle spielte, wie die Vokale der Farbenbezeichnung
für das Farbenhören (z. B. e gelb). Nur betrifft diese Ersetzung hier
regelmäßig Konsonanten,- so schrieb er völlig unbeabsichtigt und zu seinem
eigenen Ärger oft statt drei ein r, statt 7 ein langes s und besonders häufig
statt der 2 w, was ihm auch von anderen Kollegen bekannt ist und sich
den Pfisteksdhen Ausführungen (Imago, Heft 3, S. 268) sdiön fügt. Einer
* Stekel (Beiträge zur Traumdeutung, Jahrb. f. psydioanalyt. Forschg. I,
S. 498) erinnert daran, daß die 5 »von Heine als das Symbol der schwangeren
Frau, großer Bauch und kleiner Kopf gedeutet« wird.
®* Auf diese Bedeutung des »Vierer« als Verführer hat bereits Stekel
(1. c.) hingewiesen.