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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 9.1923

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Heft 1
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Abraham, Karl: Zwei Beiträge zur Symbolforschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.28544#0132

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ZWEI BEITRÄGE ZUR SYMBOLFORSCHUNG
Von Dr. KARL ABRAHAM

I.
ZUR SYMBOLISCHEN BEDEUTUNG DER DREIZAHL
Seit langem ist uns die Häufigkeit der Dreizahl in allen Produkten der
menschlichen Phantasie bekannt. Wir wissen auch, daß ihr verschiedene sym-
bolische Bedeutungen zukommen. Bekannt ist besonders die Bedeutung der
„Drei" als männliches Genitalsymbol, ferner die in ihr enthaltene Anspielung
auf die Dreiheit von Vater, Mutter und Kind. Mehrmals ist mir nun in Träumen
meiner Analysanden die Dreizahl in einer andern, weniger bekannten Bedeu-
tung begegnet. Ich habe hier nicht etwa die mannigfachen Möglichkeiten einer
individuellen Determinierung der Zahlensymbolik im Auge, sondern eine
typische, in allgemein menschlichen Verhältnissen begründete.
Es sind drei Körperöffnungen, welche die Aufmerksamkeit des Kindes im
stärksten Maße auf sich ziehen, weil sie sowohl der Stoffaufnahme bezw. -abgabe
dienen als auch die wichtigsten erogenen Funktionen besitzen: Mund-, Anal-
und Urogenitalzone. Sie scheinen mir in den Träumen besonders dann durch
die Zahl Drei repräsentiert zu werden, wenn die Aufrichtung des Genital-
primates mißlungen ist und jene drei erogenen Zonen einander den Rang
streitig machen. Eine neurotische Patientin, deren Träume mir diese Bedeutung
der Dreizahl besonders eindringlich vor Augen geführt haben, wies in ihrem
Unbewußten ein Höchstmaß von oral-kannibalischen und analen Wunsch-
phantasien auf.
Es schien mir nun von Interesse zu sein, diese nämliche Bedeutung der Drei
etwa auch in Märchen oder Mythen nach weisen zu können, deren weitgehende
psychologische Übereinstimmung mit den Individualphantasien die Psycho-
analyse uns entschleiert hat. Eine sehr eindrucksvolle Parallele bezüglich jener
Bedeutung der Dreizahl bietet nun das Märchen vom „Tischlein deck dich'".
 
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