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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Osborn, Max: Deutsches Kunst-Gewerbe auf der Welt-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0124

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Seite 90

Juni-Heft.

Joseph Hofkmann, Wien.

Aus einem » Wiener Wohn-Zimmer« auf der Pariser Welt-Ausstellung igoo.

zwei schummerige deutsche Märchen-Ecken geschaffen, indem
er hier der Dornröschen-Geschichte, dort der Erzählung von
den sieben Raben die Motive zu dem dekorativen Beiwerk
entnahm. Aber wo sind Keller & Reiner geblieben? Wo
die anderen grossen Berliner Eirmen? Und die Künstler?
Otto Eckmann? Schultze-Naumburg? Sie haben sich
vornehm zurückgehalten und den Münchnern das Feld über-
lassen, die sich diese Lage der Dinge nun auch wacker zu
Nutz gemacht haben.

Die »Vereinigten Werkstätten für Kunst im Handwerk«,
von deren »Einigkeit« jetzt so viel gemunkelt wird, haben
im Auftrage des Ausschusses für Kunst im Handwerk
allein drei Zimmer geliefert. Sie tragen die Namen von
Bruno Paul, Bernhard Pankok, Richard Riemer-
schmid, denen sich der ganze Münchener Künstlerkreis ange-
schlossen hat. Paul's kleines »Jagdzimmer« im derben,kräftigen
Waidmanns-Stil, mit den schlichten, festen Möbeln und der
Wandbekleidung von Rüsternholz, mit dem karakteristischen
Intarsienfries und der originellen Krone ist eine vortreffliche
Leistung, deren erfrischende Eigenart aus dem fast schon wieder
langweilig gewordenen Rahmen der üblichen Modernität sehr
glücklich herausfällt. Pankok's »Erker-Raum« und Riem er -
schmid's »Zimmer eines Kunstfreundes« bringen weniger
Ueberraschendes, aber es sind beides durchaus individuelle
Schöpfungen, die von dem persönlichen Stil der Künstler,
von der Behäbigkeit des einen und der graziöseren Art des
andern, Kunde geben. Daneben stehen weitere Erzeugnisse
des Münchener Fleisses: Gabriel Seidl sucht in einem
sehr prächtigen Raum Renaissance - Motive mit modernen

Elementen zu verschmelzen. Paul Pfann erinnert in
seinem ausserordentlich behaglichen, geschickt abgetheilten
Zimmer mit dem hellen, gewachsten Eichenholz an jüngere
deutsche Muster, und Walther Georgi zaubert durch seine
entzückenden Wandgemälde eine pikante Biedermaier-Stim-
mung hinein. Besonderes Lob aber verdient ein kleines
Herren-Zimmer der »Münchener Möbelfabrikanten«, an
deren Spitze Anton Pössenbacher steht. Dies Kabinet,
das ein wenig versteckt hinter Hulbe's Ausstellungsraum
liegt, ist ein wahres Muster von praktischer Bequemlichkeit
und gutem Geschmack; man darf darauf gespannt sein, wie
es sich gegenüber den amerikanischen Interieurs ähnlichen
Karakters machen wird. Auch der vornehme Raum, den
J. Buyten & Söhne in Düsseldorf ausgestattet, weist auf
München; denn er verdankt Berlepsch und Charles Hinne
seine Gestalt und künstlerische Ausschmückung.

Süd- und Westdeutschland trägt nicht minder in den
anderen Partien der Kunstgewerbe-Abtheilung die Kosten.
Von dem »Empfangs-Zimmer« der Darmstädter Künstler-
Kolonie konnte man freilich in Paris bis zum 1. Mai nur
wenig mehr als die Kisten entdecken, in denen seine Herr-
lichkeiten verpackt waren. (Vollständige Reproduktion dieses
Raumes und aller Details findet sich übrigens bereits in dem
Juli-Heß der »Deutschen Kunst und Dekoration«.) Aber
Karlsruhe ist fertig geworden: man sieht ein Civil-Trau-
Zimmer für das Rathhaus der badischen Hauptstadt, das
Prof. Hermann Götz entworfen hat. Der interessante,
und soviel ich weiss erste Versuch, dies schwierige Problem
zu lösen, ist recht gut gelungen, wenn man auch in
 
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