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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Ausstellung moderner Kunst-Stickereien in Darmstadt, [3]
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August-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 135.

B.Pankok, Frau
Bruno Paul-
Graf, Schmuz-
Baudiss u. a., im
Ganzen nahezu
70 Hand-u.Ma-
schinen-Sticke-
reien ; Frau
Margarethe v.
Brauchitschmxt
6 Schülerinnen
u. insgesammt
ca. 30 Arbeiten,
Hedwig und
Martha Endell,
Friedenau, Else
Oppler, Mün-
chen, Martha Goclitz, Stolberg, Erich und Anna Kleinhempel,
Dresden, Fritz und Helene Rentsch, Dresden; Käthe Sturm-
fels, Hamburg, mit 6 Arbeiten nach Entwürfen von Paul Bürck.

Sehr viel Anregung bietet Else Oppler in München mit
einem zierlichen Mieder für ein Gesellschaftskleid und dem
Entwurf für den Besatz einer Taille, mit denen gezeigt ist,
wie viel Geschmack und ein klein
wenig Nachdenken den Boden
zur Bearbeitung eines weiten
Feldes bereiten können. Das-
selbe trifft auf einen Sonnen-
schirm von Este'bana M. Risse
in Frankfurt zu. Auch dieses
Stück bietet Anregungen in Fülle,
zeigt aber zugleich die schweren
Bedenken, die man einer Ver-
quickung von Stickerei und Ma-
lerei entgegenbringen muss. Bei
manchen Ausstellungs-Stücken,
z. B. den Kissen von Helene
Schräder in Braunschweig, ge-
winnt die Malerei das Ueber-

gewicht, und das ist eben durchaus verkehrt, zumal wenn
das Bemalenwollen so ganz und gar nicht durch Zeichnen-
können, durch keinerlei Empfindung für Raumvertheilung
und Linie unterstützt wird, was doch wohl nöthig wäre.

Die Herstellung und die Verwendung von reinen Luxus-
Gegenständen , seien sie welche sie immer wollen, ganz zu
perhorresziren, um den nur praktischen allein Geltung
zu verschaffen, ist nicht gerecht. Aber ebensowenig
gerecht ist, Kunst nur zu Luxuszwecken in Bewegung
zu setzen und den praktischen Gebrauchs-Gegenstand
als künstlerisches Aschenbrödel zu behandeln. Die-
jenigen haben sehr recht, die dem kleinsten unschein-
barsten aller der tausend Dinge, die uns durchs Leben
begleiten, ein künstlerisches Gepräge zu geben sich
bemühen. Das gute Beispiel hierin, dessen unentwegtes
Vorführen dem Volke endlich das Anregung bietende
Bedürfniss werden lässt, ist ein hohes, sehr werthvolles
Moment beim Beurtheilen der nationalen Kulturstufe.
Und wenn Frau v. Brauchitsch in München sich
bemüht, auf ihrem Gebiet, der künstlerischen Maschinen-
Stickerei, dem verehrlichen Publikum zu zeigen, wie
man ganz alltägliche Dinge, wie ihre Kissen, Tisch-
tücher, Bettdecken und Vorhänge sind, mit künstle-
rischem Geschmack und praktisch und obendrein billig
herstellen und ausstatten kann, dann ist dies werth,
von Hoch und Niedrig anerkannt und beherzigt zu

werden. Diese Leinenkissen mit dem abnehmbaren, mit
Wasser und Seife in jedem Haushalt waschbaren Ueberzug,
den einfache, sicher gezeichnete, mit der Maschine aufgenähte
Flach-Ornamente schmücken, sind in der That berufen, das
viel belachte und dennoch scheinbar nicht auszurottende
»Nur ein Viertelstündchen« endlich einmal abzulösen.

Manche Dame, die selbst »stickt«, wird auf diese bescheiden
dreinschauenden Arbeiten mit stolzem Auge herabschauen und
geringschätzig zur Nachbarin sagen: Nur mit der Maschine
gemacht! — ohne vielleicht zu ahnen, dass in dieser »nur«
Maschinen-Stickerei vielleicht mehr Kunstwerth steckt, als
in eigenen mit weiten groben Stichen auf dürftigen Effekt
berechneten Hand-Arbeiten zuweilen enthalten ist.

Hand-Arbeit, wie sie Hanna Ubbelohde in München nach
den Entwürfen ihres Gatten in Stielstich ausführt — das ist
das am meisten Achtunggebietende in der ganzen Ausstellung.
Das ist aber Luxus-Arbeit, die für die Reichen dieser Erde
bestimmt ist, und zwar für die ganz Wenigen, die ausser
ihrem Reichthum vornehmes, feines, intimes Verständniss für
Kunst haben. Der Durchschnitts - Mensch, namentlich die
stickende Durchschnitts - Dame geht an diesen Dingen acht-
und ahnungslos vorbei. — Hauptsächlich Maschinen - Arbeit
begegnen wir bei den Arbeiten der » Vereinigten Werkstätten«.,

solide, sachgemässe Verarbeitung
phantasievoller Verzierungen in
geschmackvoll zusammengestell-
ten Farben. Wie munter, wie
frisch, wie als Ausdruck hoher
Intelligenz berühren diese ge-
stickten , gesteppten und appli-
zirten Ornamente, welche wohl-
erwägte Stilisirung ehemals
naturalistischer Gebilde mit stets
sicherer Raumvertheilung ver-
einen ! — Der Besuch der Aus-
stellung war dementsprechend
denn auch ein äusserst reger,
namentlich auch von Seiten aus-
wärtiger Interessenten, Vereine,
Künstlerinnen etc. Auch kamen recht zahlreiche Verkäufe
zum Abschlüsse, wodurch sich wohl am deutlichsten darthut,
dass diese Ausstellung einem dringenden Bedürfnisse entsprach
und, trotz aller Einwendungen, die gegen einzelne Stücke zu
erheben sind, segensreich in weiten Kreisen gewirkt und auf
ihrem Gebiete lebhafte Anregung gegeben haben dürfte. —

Carl Spindler, St. Leonhardt.

Intarsirte Füllungen.
 
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