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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Becker, Marie Luise: Kunstgewerbe in der Rue des Nations, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0195

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September-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 147.

zweckmässig und hinderlich — aber »stilvoll« ! Kamine und
Oefen dürften lobend genannt werden. Echt deutsches
Schmiedeeisen hat man mit Glück für Treppengitter und die
Geländer der Seine - Plattform als Zeugen deutschen Hand-
werks verwendet. Rokoko-Zimmer mit Boulle-Möbeln bilden
die Empfangsräume des Reichs-Kommissars. Künstlerhände
schufen auch im Restaurant des Entresols mit und seine
prächtige, behagliche Innen-Dekoration hebt es weit über die
anderen Keller-Lokale des Seinequais. Bruno Möhring in
Berlin hat dies eingerichtet, die Schmiede-Arbeiten dazu gingen
aus den Werkstätten von Ed. Puls in Berlin hervor, der
Springbrunnen im Speisesaal und ein wundervoller Kupfer-
Kamin im behaglichen Nischenstübchen sind prächtige Ar-
beiten des Bildhauers und Ciseleurs O. Scheer, Berlin. Wand-
Malereien und Kunstverglasungen sind auch hier wie in den
Obergeschossen des deutschen Hauses künstlerische Zierden.
Einzel-Darstellungen aus dem deutschen Hause in diesen
Heften verbieten hier ein genaueres Eingehen.

Die spanischen Kunstschätze stehen denen Belgiens und
Ungarns hauptsächlich nahe. Auch hier ein rein dekorativer
Dekorations-Palast, den die Schätze schmücken, welche wir
dem Kunstfleiss früherer Jahrhunderte verdanken. Die Königin,
eine geniale Sammlerin alter Stickereien und Teppiche, hat
ihre Schlösser beraubt, um hier eine Uebersicht seltener
Stickereien, Wandbehänge und Gobelins von höchstem wissen-
schaftlichem Interesse auszustellen. Alte Waffen und Geräthe
geben ein Bild des Reichthums der spanischen Museen. Wenn
Blumen-Arrangements mit hineingehören in das Gebiet des
Kunstgewerbes, so hat Monaco sein gutes Theil zur Aus-
stellung beigetragen. Täglich wechselnd, baut sich in reiz-
vollen Gruppen hier die Blüthenpracht des sonnigen Landes
auf. Die Kopien der Fresken von Monte Carlo bilden den
künstlerischen Mittelpunkt des Palastes. Die Keramik des
kleinen Landes dagegen bietet hier nichts neues; interessanter
sind die feinen Spitzen - Arbeiten und die Intarsien. Und
Griechenland, dessen Kunstgewerbe heut noch in den Kinder-
schuhen der Volkskunst wie in Geschmacklosigkeiten, wie es
eine gestickte naturalistische Landschaft ist, steckt, dürfte
noch einige Jahre ernster Arbeit vor sich haben, ehe es uns
etwas bieten kann. Eine bizarre Silhouette, gelb und weiss,
steigt der Bau Schwedens in die klare Luft. Ein Gemisch von
Gartenhaus und Dom, ein ganz modernes, übermüthiges Kind
skandinavischer Phantasie. Stilrein, stimmungsvoll und ruhig
dagegen ist das Innere. Wir sehen die Kinder des Landes mit
der heimathlichen Industrie beschäftigt — die Dalekarlierin
mit ihrem Durchbruch und ihren Leinen - Techniken, die
Stickerin von Malmö und die Spitzennäherin von Vadstena.
Schöne Teppiche älteren und modernen Stiles schmücken die
Räume, Holzschnitzereien der Landschaft Bleckinge tragen
die Halle. Im Hintergrunde derselben öffnet sich ein breiter
Empfangssaal, elegant und behaglich mit modernen schwe-
dischen Möbeln und Stickereien von der »Gesellschaft der
Handarbeitsfreunde« in Schweden ausgestellt. Das Gemach
ist wie der künstlerische Aufbau des Ganzen in einem sehr
einfachen, durchaus ruhigen, vornehmen Stile gehalten.

Auch im serbischen Pavillon, dessen schwermüthig graue
Mauern leuchtende byzantinische Farben haben, hat man das
einzige im Lande gereifte Kunstgewerbe, die Haus-Industrie,
speziell Stickereien, Kissen und Teppiche, durch Uebertragung
neuer Muster und durch Verbindung mit modernen Möbeln
aufgefrischt. In Mexiko scheint man indessen mit aller Macht
auf eine gesunde Grundlage und Schulung hinzuarbeiten,
wenn sich auch die Pflege des Kunstgewerbes dort noch in
den zartesten Anfängen befindet. Man hat dem römischen
Bauwerk einen Empfangs-Salon im Empire-Stil einverleibt,

und Haupt-Ausstellerin ist die Kunstschule der Hauptstadt.
Nur die alte originelle Spitzenkunst scheint in den 50 Friedens-
jahren glücklich erblüht zu sein — die feinen Gespinnste im
Leinen sind eine reiche Fülle fesselnder Muster. Im rumä-
nischen Pavillon, einem stolzen, romanisch-byzantinischen Bau-
werk des 16.—17. Jahrhunderts, muss man selbst das Haus-
gewerbe suchen gehen. Bis auf die recht glücklichen scheuen
Anfänge einer Keramik, die auf den vorhandenen Kenntnissen
der Bauerntöpferei weiterbaut, ist wenig zu finden von dem
kunstgewerblichen Reichthum des Landes. Und das Vor-
handene ist höchst unharmonisch arrangirt. Breit machen sich
dagegen renommistische Prunkstücke ohne künstlerischen
Werth. So viel für des Landes Kultur gethan sein mag —
kunstgewerblich kann es für uns nicht in Betracht kommen.

Hervorragender und auch glücklicher in der Anordnung
sind die bulgarischen Teppiche dieses kokett-graziösen Palastes
mit seiner anmuthigen Apotheose der Rosen. Bulgarien
erscheint auf seinem ersten Debüt bei einer Welt-Ausstellung,
und es wählte ein byzantinisches Festgewand, in welches sich
der Schmuck seiner feinen, farbenglühenden Emails am glück-
lichsten schmiegt. Ein herbes, aber ein reifes Können, eine
keusche, stolze Arbeitslust und — in seinem engen Räume —
ein höchst eigenartiges Kunstempfinden enthüllt Finland.
Es hat uns, die wir's zwischen Kulturkampf und Naturkampf
ringend gedacht, mit einem ungemein feinsinnig entwickelten
Kunstgewerbe, mit einem genialen Verständniss, einer genialen,
schöpferischen Behandlung der Techniken überrascht! Die
Fresken der Innenräume mit den Heldensagen von Vaina-
moinen und Ilmarinen sind vollendet fein zu dem schlichten,
luftigen Räume abgestimmt, in dessen klare, forciert einfache
Konturen die wundervollen Holzschnitzereien der Friese, der
Basreliefs, der Treppengeländer und Träger ein reiches Leben
zaubern. Bei den Stickereien und Intarsien, deren ich an
anderer Stelle noch eine eingehendere Besprechung widmen
möchte, führten Meisterhände Nadel und Messer. Diese
Arbeiten Finlands gehören zu den besten der Ausstellung.

Der Palast Luxemburgs bietet nur eine volkswirthschaft-
liche Uebersicht, ohne irgend auf die Volkskunst einzugehen,
und der Persische Palast, kostbar in weisser und hellblauer
Dekoration, ist nichts weiter als ein Jahrmarkt.

Peru, das Land wo man zweimal Baumwolle erntet, thut
viel für seine Industrie. Im letzten Winter besuchte ein
Abgesandter der dortigen Kunstschulen unsere Vorlesungen
und Vorträge (auch die meinen) und suchte möglichst mit
jedem neuen künstlerischen Streben und Wollen in Fühlung
zu kommen. Im Süd-Amerikaner steckt viel Farbensinn und
Schmucksinn, wir finden dort eine ganz eigene Spitzenkunst
und die Natur ist gern bereit, allem kunstgewerblichen Streben
hülfreiche Hand zu leihen. Der Indianer in Peru macht
kunstvolle Feder-Arbeiten, in denen die Farben und die
schlanke Linienform jeder einzelnen Feder voll zur Geltung
kommt. Der Peruaner ist ein geschickter Filigran-Arbeiter,
die prächtigen Holzsorten: Palisander, Ceder und Mahagoni
sind ihm zur Hand. Der Pavillon selbst, aus Eisen und Stein
gefügt, wird nach der Ausstellung in der Hauptstadt Lima
als Museum von neuem errichtet werden. Der portugiesische
Pavillon bietet uns nichts Bemerkenswerthes, und so sind wir
von unserer Wanderung am Seinequai und zurück durch die
Völkerstrasse des Quai d'Orsy an der Pont Alexander wieder
angelangt, um vor dem Schluss noch einen Blick in den
Pavillon Dänemarks zu werfen. Ein schlichtes Bürgerhaus aus
Backsteinen und Balken, mit bleigefassten Fensterchen,
geschnitzten Giebelbalken und rothen Ziegeln auf dem Dache.
Der Innenraum bietet eine Reihe kleiner Salons im modernen
Stil — war aber während meines Besuches noch nicht eröffnet. —
 
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