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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Graevèll, A.: Dekorationen auf der Dresdener Bau-Ausstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0220

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Seite 106.

lllustr. kunstgewerbl. ZeitschriftJfür Innen-Dekoration.

Oktober-Heft.

Ausstellungs-Koje der Verlags-Anstalt Alexander Koch—Darmstadt in der Literatur-Abtheilung der Deutschen Bau-Ausstellung zu Dresden.

Kunst - Verglasung entworfen und ausgeführt von Gebrüder Liebert—Dresden.

Stellungslotterie bestimmten hölzernen Muster-Landhause nur
noch vereinzelt Gelegenheiten für die Anwendung dekorativer
Kunst. Das ist zu bedauern und sogar als ein Mangel zu
beklagen, denn gerade die Fortschritte derselben hätten ein
lebensvolles Bild von dem Stande der Bestrebungen für Er-
weckung eines neuen Stiles geben können — ein Moment,
das auch für das grössere Publikum von besonderem Interesse
gewesen wäre. Die seitens einzelner Künstler ausgestellten
Zeichnungen von Interieurs, wie die von D. Blomberg, Erd-
mann & Spindler, A. Schulz, Lehncrt & v. Mayenburg,
Hcino Otto, Karl Pinkert, C. Schümichen & J?. Michael, Rud.
Vogel, Franz Stuck, können für diesen Mangel nur schwache
Entschädigung bieten, denn die temperamentvollsten Zeich-
nungen, wie z.B. die von Ä'. Vogel im Jagdhause »Hubertushof«,
vermögen nicht den Eindruck hervorzubringen, wie die An-
schauung natürlicher Objekte in schön und zielbewusst zu-
sammengestellten Gruppirungen. Hier weist die Dresdener
Bau-Ausstellung offenbar eine Lücke auf, die umsomehr
empfunden wird, als man drüben im Vergnügungs-Eck nicht
unterlassen hat, das Aeussere von Gebäuden in moderner
Gewandung darzustellen. Was ich dort als einen Fehler
bezeichnet habe und deshalb gern vermisst hätte — hier
empfinde ich den Mangel, denn in der Innen-Dekoration
darf die Kunst ihr Fortschreiten zeigen, muss sie es zeigen,
wenn sie die Gebärerin neuer Stile sein will. Eine Folge
von Zimmer-Ausstattungen in den typischen Moderichtungen
der letzten 50 Jahre hätte bildender gewirkt, als alle die vielen
Zeichnungen in den 7 Sälen des Staats- und Privatbauwesens.
Wohl hatte der Geh. Baurath Waldow Recht, wenn er

in seiner Eröffnungsrede betonte, »die Technik sei Wissen-
schaft geworden«. Gewiss ist sie das, und man darf sich
dessen lebhaft freuen. Alle die glanzvollen Leistungen des
staatlichen und kommunalen Hoch- und Tiefbauwesens, von
denen die Ausstellung so beredtes Zeugniss ablegt, sie würden
nicht zu verzeichnen sein ohne die gründliche wissenschaftliche
Durchbildung unserer Bau-Techniker. Dieses Verdienst soll
ihnen ungeschmälert verbleiben. Aber -— die Architektur
ist doch nicht Mos Technik und als solche Wissenschaft. In
den schönsten und praktischsten Bahnhofs-Hallen, Thalsperr-
Anlagen oder Kirchenbauten können die Menschen nicht
wohnen. Und das ist doch allweil die erste und oberste
Aufgabe der Architektur, dass sie den Menschen Wohnungen
schafft. Sie dient damit direkt der Befriedigung eines noth-
wendigen Bedürfnisses der Menschen, ist also Handwerk oder
Industrie; und gerade auf diesem Gebiete ist die Architektur
von Alters her nicht wissenschaftlichen, sondern empirischen
Karakters gewesen. Deshalb hätte man auch der »Wohnungs-
Architektur« einen breiteren Raum gewähren sollen, oder
man müsste von vornherein die Ausstellung als eine »bau-
wissenschaftliche«, nicht als eine Bau-Ausstellung bezeichnen.
Verbot sich dies schon aus praktischen Gründen, so war
hierzu auch umsoweniger Anlass, als Wissenschaft undEmpirik
ja Brüder, und zwar keineswegs feindliche Brüder sind, denn
beider Mutter ist die Anschauung, und die Empirik ist »die
sichere Basis, die den hohen Geistesbau der Wissenschaft un-
erschütterlich fest mit der Welt verbindet«. Eben darum war
es unberechtigt, den ebenbürtigen Bruder so stiefmütterlich
zu behandeln. (Schinss folgt.)
 
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