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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Bredt, Ernst Wilhelm: Emanuel Seidl und sein Wohn-Haus
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0230

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Seite 174

lllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Xovember- Hef t.

Professor Emanuel Seidl, München.

Eingang zum Atelier.

Haus des Künstlers am Bavaria-Ring zu München.

der Eklektizismus nicht das Wesentliche seiner Bauweise ist,
dass jedenfalls unsere ganze eklektische Richtung eine wesent-
lich andere geworden ist, als die bisherige. Auf das Ent-
lehnen der Formen — mehr oder weniger exakt — kommt
es unseren Besten nicht an, sie haben weit mehr gelernt, den
Geist, das Wesen dieses oder jenes Stiles zu erkennen und
so trotz der mehr oder weniger konsequenten Anlehnung an
alte Formen etwas Neues zu schaffen — so wie der begnadete
Dichter dem Geiste, den Idealen seiner Zeit völlig reifen
Ausdruck zu verleihen vermag, obwohl er sich in freier
Weise alter Dichtungsformen bedient.

Unter Münchens jüngeren Architekten sind eine ganze
Reihe solcher Poeten. Einige sind wohl gar so von dem
neuen Geiste erfüllt, dass sie eine völlig neue, ganze Form
für den neuen Inhalt suchen und gewiss — mit ihrer Zeit —
finden werden.

Emanuel Seidl aber gehört zu jenen Bau-Dichtern, welche
die alten Formen nicht als Zwang, sondern als Reichthum
empfinden. Wie andere Münchener Architekten, weiss er
nicht nur den Bedürfnissen unserer Zeit künstlerischen Aus-
druck zu geben, sondern er ist vor allem einer der Ersten
gewesen, die mit souveräner Wahl das Mittel dem markigen,
grosszügigen, oft etwas schweren Wesen des oberbayrischen
Landes und Volkes in ihren Bauwerken gerecht geworden sind.

Das zeigen besonders die Fassaden und Umrisslinien der
Bauten Emanuel Seidl's. In den Wohnräumen lässt es mehr
dem Humor ungezügelten Lauf und von der Ruhe und Würde,
die seine Fassaden zeigen, ist dort oft etwas zu wenig zu
spüren. Aussen meist Grösse, innen viel von jener deutschen
Art, die mehr Sinn für das Kleine und Einzelne, für das

Anektodenhafte und »Sinnige« hat. Seidl's Innenräume werden
dem deutschen Volke gerecht, von deutschen und ausserdeutschen
Künstlern werden die meisten seiner Fassaden gerühmt.

Wie vornehm sind seine Privathäuser an der Prinzregenten-
Strasse und Zvveibrücken - Strasse 19 aus dem Anfang der
neunziger Jahre. Trotz des wenigen ornamentalen Schmuckes
der fast nur verputzten Barock - Fassade, erheben sich die
oberen, vertikal gegliederten Stockwerke äusserst elegant und
fest auf dem nur horizontal geschichteten Rustica-Bau des
Erdgeschosses. Wie die jüngeren Münchener Architekten,
verwendet auch Seidl nur wenig Haustein. Eine reichere
Verwendung davon zeigt von seinen Münchener Bauten das
Palais des Grafen Matuschka an der Brienner Strasse, im
italienischen Barock, mit reichlicher Vergoldung des Wappens
und anderer dekorativer Theile der Fassade. Dass Emanuel
Seidl auch mit den allereinfachsten Mitteln nur durch Gestal-
tung, einfachste Gliederung, schöne Verhältnisse und Umriss-
linien ganz Hervorragendes leisten kann, beweist glänzend
der sehr zweckentsprechende malerische Bau der St. Marien-
Ludwig-Ferdinands-Anstalt mit seinen verschiedenen Gebäu-
lichkeiten. Hier tragen zwei grosse Terrassen nicht unwesent-
lich zu dem schönen Gesammtbilde bei. Mit grossen und
kleinen Terrassen belebt überhaupt Seidl gern seine Bauten
und erhöht gleichzeitig damit ihren wohnlichen Zweck. Zu
den alten Mitteln, mit denen man früher fast allein eine
Fassade zu beleben wusste, wie Balkons und Erkerbauten,
greift Seidl seltener, gern legt er dagegen den Eingang des
Hauses unter schützende Arkaden. Terrassen und Arkaden
gelten gemeinhin als Karakteristik der südlicheren Architektur,
wer aber deren Vortheile ästhetischer wie praktischer Art,
 
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