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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 11.1900

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Graevèll, A.: Dekorationen auf der Dresdener Bau-Ausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6712#0242

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Seite 184.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

November-Heft.

Sehr schade ist es, dass als Gegenstück zu dem Block-
hausbau nicht ein Gebäude der anderen Richtung des Holz-
baues, des Stab-Baues, ausgestellt worden ist. Ich halte gerade
den Stab-Bau für berufen, in der besseren Landhaus-Architektur
eine Rolle zu spielen. Nachdem der Konservirung und Im-
prägnirung des Holzes, wie die ausgestellten Proben in der
Bau-Industrie-Abtheilung beweisen, so zahlreiche Mittel dienst-
bar gemacht sind, kann die Feuergefährlichkeit freistehender
Holzbauten gar nicht mehr in Frage kommen; jedenfalls sind
Wände aus aufrechtstehenden Holzstämmen weit weniger
feuergefährlich als wagrechte Balkendecken. In künstlerischer
Hinsicht aber ist der Stab-Bau zweiselsohne weit nutzungs-
fähiger als der Blockhaus-Bau, und namentlich die dekorative
Kunst fände hierbei, wie das prächtige Romintener Jagdschloss
des Kaisers mit der dazugehörigen Stab-Kirche bezeugt, ein
reiches Feld der Bethätigung bei der baulichen und kunst-
gewerblichen Holz-Skulptur solcher Bauten.

Weniger zierlich als die Diele derselben Architekten ist die
von Th. Zimmer ausgestellte Treppen-Anlage mit Umgang und
Sitzbank, an welch letzterer besonders der grün-weisse Bezug
sehr störend wirkt; zu dem kräftigen Holzton der recht
geschmackvollen Treppen-Skulptur hätte ein einfarbiger Stoff-
oder Lederbezug entschieden besser gepasst.

Ich begreife übrigens nicht, warum man sich so viel Mühe
gibt, in die Dielen-Anlagen die Holz-Treppen wieder einzu-
führen. Eine polternde, knarrende Holz-Treppe ist weder
angenehmer, noch zierlicher, noch billiger und vor Allem nicht
sicherer, als eine moderne Massiv-Treppe etwa in Monier-
Konstruktion, wie sie im Ausstellungs-Parke ebenfalls zu sehen
ist. Sichtbar ist doch immer nur das »Geländer« der Treppe
und dieses kann man ja in Holz-Arbeit herstellen, bezw.
damit die ganze Frontal - Ansicht der Treppe verkleiden.
Weshalb will man sich dann die Errungenschaften der Technik
nicht zu Nutze machen?

In technischer und gewerblicher Beziehung gewährt über-
haupt die Ausstellung sehr viel Sehenswerthes und Lehrreiches,
was die dekorative Kunst sich zu Nutze machen könnte, und
sie gibt zugleich Zeugniss davon, dass unsere Handwerker
durchaus nicht immer aller künstlerischer Begabung und Auf-

fassung bar sind. Die ausgestellten Kunstschlosser- und Kunst-
schmiede - Arbeiten, ebenso wie die Kupferschmiede- und
Klempner-Arbeiten in getriebenem Kupfer und Zink bekunden
nicht nur eine völlige Meisterschaft in der Beherrschung der
Technik und des Materials, sondern auch echt künstlerische
Darstellung in der Zeichnung und Anpassung der Behandlung an
die Erfordernisse der Aesthetik. Auch die Produkte der Kunst-
glaserei verdienen alles Lob, während in der Glas- und Dekora-
tionsmalerei sich der nachtheilige Einfluss einer unverstandenen
oder missverstandenen Technik der Sezession bemerkbar macht.

Sehr interessant ist die Ausstellung der in Xylektipom
hergestellten Thüren und Wand-Verkleidungen; es ist das
ein besonders präparirtes Holz, welches sehr gut politurfähig
ist, und durch die Benutzung der natürlichen Maserung die
Darstellung von allerhand Bildwerken gestattet.

Soll ich nun mein Urtheil über die Dresdener Bau-Aus-
stellung vom Standpunkte der dekorativen Kunst abgeben,
so muss ich offen gestehen, dass ich für die letztere von der
Ausstellung mehr erhofft hätte, namentlich mehr Gelegenheit,
ihre Fortschritte zu zeigen und sich in für den gegenwärtigen
Stand ihrer Aus- und Durchbildung karakteristischen Weise
zu bethätigen. Die Lücke, welche die Ausstellung in der
eigentlichen »Privat-Architektur« gelassen hat, vermag durch
die Reichhaltigkeit der übrigen Abtheilungen nicht verdeckt
zu werden. Nichtsdestoweniger bietet die Dresdener Bau-
Ausstellung genug des Sehenswerthen und Lehrreichen, aus
dem sich erkennen lässt, dass auch die dekorative Kunst nicht
stille gestanden hat, und dass sie im Stande ist, werthvolle
Anregungen zu geben, wie in der Praxis aus dem Gebotenen
mit Nutzen Vortheile gezogen werden können.

Bei einer künftigen Bau-Ausstellung aber — und mit
diesem Wunsche will ich schliessen — gönne man neben der
Konstruktion und der Nutzungstechnik auch der Dekoration
ihren Platz zu freier Entfaltung ihrer künstlerischen Seiten,
denn die Architektur ist Wissenschaft, Handwerk und Kunst
zugleich; in der »Kunst« aber, speziell in der Wohnbau-Kunst,
feiert die Architektur erst die Triumphe ihres Wissens und
Könnens und in der »dekorativen« Kunst die Geburtsstunde
eines neuen, eines nationaldeutschen Stiles.

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