August-Heft.
Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.
Seite 131
in Wien ausgeführt. Auf
weissen Wänden zu halber
Höhe eine Blüthen - Stickerei
entlanglaufend: ruhige For-
men , aus lichtrothem Sammt
aufgelegte, von Silberfäden
begrenzte Blüthen an lang sich
windenden silbernen Blüthen-
stielen. Das gleiche Dekor
wiederholt sich auf den Polster-
Möbeln. Dieses Blüthen-Motiv
ist so einfach erfasst und die
ganze Technik so schlicht und
ungezwungen behandelt, wie
nur irgend eine künstlerische
Arbeit sein kann. Kein Zuviel
beeinflusst die ruhige, unend-
lich vornehme Wirkung dieses
Gemaches, keine Ueberladung
nimmt der abgetönten Einheit
Reiz und Stimmung. Breite, an-
muthig modellirte Stucktrep-
pen schmückt eine Leuchter-
Figur von Prof. Bcnk, Wien,
eine schlanke, blüthentragende
Mädchen-Gestalt aus Marmor
und gelber Bronze. Zum ersten
Male begegnet uns in diesem
Treppenhaus an der Seine der
Stuck nicht als Imitation des
Marmors, sondern als Kunst-
Material an sich, und seine
feinsinnige Zier - Möglichkeit
ist hier überall in den Räumen
und Fluren als meist geschnit-
tene Formenreihe durchge-
führt. Die Heimathkunst der
tschechischen und polnischen
Länder kommt in einer ge-
drängten Sonder-Ausstellung
mit keramischen und textilen
Bauern - Arbeiten zu Worte.
Gar lustig vor den alten
trotzigen Thurm des unga-
rischen Schlosses tritt das farbenfrohe bosnische Haus, in Blau
und Weiss mit rothem Dache gekleidet, zwischen Alt-Oester-
reich und Alt-Ungarn wie ein junges Mädchen, das die Eltern
zum ersten Male in das europäische Konzert mitnehmen,
noch in die muselmanischen Schleier gehüllt, in die duftigen,
künstlerischen Bezgewebe. Das ganze Gebäude ist ein präch-
tiger, zweckentsprechender Bau. Alles von innen heraus
entwickelt, Raum für allerlei Kunst-Nischen und Kunst-Vitrinen
und doch nie Gedränge. Repräsentations-Häuser sollten immer
in erster Linie so gebaut werden, dass keine Anstauung ent-
stehen kann, dass der Menschenstrom ungehindert hindurch-
fluthet! das ist hier die erstnothwendige Zweckform. Wozu
anders sind diese Paläste auf der Welt-Ausstellung, als um
ungehindert gesehen zu werden? In diesem Sinne ist das
deutsche Haus unrichtig gebaut, da es in einem fort wegen
Anstauungen geschlossen werden muss, und der ungarische
Palast ebenso, der dem Publikum gar nicht geöffnet werden
kann. Das stolze, heitere Gebäude Bosniens, in dem der
orientalische Baustil glücklich den Anforderungen eines solchen
Hauses angepasst wurde, umfasst eine Uebersicht des in den
annektirten Ländern durch Oesterreich neubelebten Kunst-
Colonna, Paris.
Theil eines Zimmers aus -»Art nouvrau Bing* auf der Pariser Welt-Ausstellung.
gewerbes, die in ihrer einfachen Sachlichkeit und gewerb-
lichen wie künstlerischen Reife als das Hohelied des öster-
reichischen Verwaltungs-Systems ausklingt. Das Umgestal-
tungswerk Kaiser Franz Josephs ist von bestem Erfolge
gekrönt gewesen: Bosnien und die Herzegowina, in alten
Zeiten durch römische Kolonen, später durch die Venetianer
mit einer nicht unbedeutenden Kultur versorgt, bildeten noch
vor 25 Jahren ein reformfeindliches Insurgenten-Nest, in dem
mit unfehlbarer Sicherheit alle römischen, venetianischen und
asiatischen Kulturreste zum Untergange verdammt schienen.
Es ist ein gutes Zeichen für die Regierung Oesterreichs, dass
sie kunstsinnige Männer unter ihren Beamten besass, die
diese Reste erkannten und dass diese Männer die Macht und
den Raum gewannen, das Gefundene zu erhalten und neu
zu beleben. In der Veranda am Seinestrande sitzt heute
pochend und hämmernd der junge bosnische Meister, der vor
8 Jahren Schüler der Serajewoer Kunstgewerbe-Schule wurde.
Pochend und hämmernd, zeichnend und mit Hammer und
Stichel modellirend. Die Kunstwerke, die unter seinen Händen
erstehen, zeigen theils die dem Volke eigenen Muster, theils
sind die Entwürfe aus den Künstlerhänden des Prof. Kautsch
Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.
Seite 131
in Wien ausgeführt. Auf
weissen Wänden zu halber
Höhe eine Blüthen - Stickerei
entlanglaufend: ruhige For-
men , aus lichtrothem Sammt
aufgelegte, von Silberfäden
begrenzte Blüthen an lang sich
windenden silbernen Blüthen-
stielen. Das gleiche Dekor
wiederholt sich auf den Polster-
Möbeln. Dieses Blüthen-Motiv
ist so einfach erfasst und die
ganze Technik so schlicht und
ungezwungen behandelt, wie
nur irgend eine künstlerische
Arbeit sein kann. Kein Zuviel
beeinflusst die ruhige, unend-
lich vornehme Wirkung dieses
Gemaches, keine Ueberladung
nimmt der abgetönten Einheit
Reiz und Stimmung. Breite, an-
muthig modellirte Stucktrep-
pen schmückt eine Leuchter-
Figur von Prof. Bcnk, Wien,
eine schlanke, blüthentragende
Mädchen-Gestalt aus Marmor
und gelber Bronze. Zum ersten
Male begegnet uns in diesem
Treppenhaus an der Seine der
Stuck nicht als Imitation des
Marmors, sondern als Kunst-
Material an sich, und seine
feinsinnige Zier - Möglichkeit
ist hier überall in den Räumen
und Fluren als meist geschnit-
tene Formenreihe durchge-
führt. Die Heimathkunst der
tschechischen und polnischen
Länder kommt in einer ge-
drängten Sonder-Ausstellung
mit keramischen und textilen
Bauern - Arbeiten zu Worte.
Gar lustig vor den alten
trotzigen Thurm des unga-
rischen Schlosses tritt das farbenfrohe bosnische Haus, in Blau
und Weiss mit rothem Dache gekleidet, zwischen Alt-Oester-
reich und Alt-Ungarn wie ein junges Mädchen, das die Eltern
zum ersten Male in das europäische Konzert mitnehmen,
noch in die muselmanischen Schleier gehüllt, in die duftigen,
künstlerischen Bezgewebe. Das ganze Gebäude ist ein präch-
tiger, zweckentsprechender Bau. Alles von innen heraus
entwickelt, Raum für allerlei Kunst-Nischen und Kunst-Vitrinen
und doch nie Gedränge. Repräsentations-Häuser sollten immer
in erster Linie so gebaut werden, dass keine Anstauung ent-
stehen kann, dass der Menschenstrom ungehindert hindurch-
fluthet! das ist hier die erstnothwendige Zweckform. Wozu
anders sind diese Paläste auf der Welt-Ausstellung, als um
ungehindert gesehen zu werden? In diesem Sinne ist das
deutsche Haus unrichtig gebaut, da es in einem fort wegen
Anstauungen geschlossen werden muss, und der ungarische
Palast ebenso, der dem Publikum gar nicht geöffnet werden
kann. Das stolze, heitere Gebäude Bosniens, in dem der
orientalische Baustil glücklich den Anforderungen eines solchen
Hauses angepasst wurde, umfasst eine Uebersicht des in den
annektirten Ländern durch Oesterreich neubelebten Kunst-
Colonna, Paris.
Theil eines Zimmers aus -»Art nouvrau Bing* auf der Pariser Welt-Ausstellung.
gewerbes, die in ihrer einfachen Sachlichkeit und gewerb-
lichen wie künstlerischen Reife als das Hohelied des öster-
reichischen Verwaltungs-Systems ausklingt. Das Umgestal-
tungswerk Kaiser Franz Josephs ist von bestem Erfolge
gekrönt gewesen: Bosnien und die Herzegowina, in alten
Zeiten durch römische Kolonen, später durch die Venetianer
mit einer nicht unbedeutenden Kultur versorgt, bildeten noch
vor 25 Jahren ein reformfeindliches Insurgenten-Nest, in dem
mit unfehlbarer Sicherheit alle römischen, venetianischen und
asiatischen Kulturreste zum Untergange verdammt schienen.
Es ist ein gutes Zeichen für die Regierung Oesterreichs, dass
sie kunstsinnige Männer unter ihren Beamten besass, die
diese Reste erkannten und dass diese Männer die Macht und
den Raum gewannen, das Gefundene zu erhalten und neu
zu beleben. In der Veranda am Seinestrande sitzt heute
pochend und hämmernd der junge bosnische Meister, der vor
8 Jahren Schüler der Serajewoer Kunstgewerbe-Schule wurde.
Pochend und hämmernd, zeichnend und mit Hammer und
Stichel modellirend. Die Kunstwerke, die unter seinen Händen
erstehen, zeigen theils die dem Volke eigenen Muster, theils
sind die Entwürfe aus den Künstlerhänden des Prof. Kautsch