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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 25.1914

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Goldstein, J.; Michel, Wilhelm: Moderne Technik und Kultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.7708#0233

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206 INNEN-DEKORATION

MODERNE TECHNIK UND KULTUR

Betrachtet man die T echnik als solche, so stellt sie
einen Fortschritt in zwei Richtungen dar. Einmal
in der Steigerung des Nutzeffekts der Rohenergien und
dann in der Beherrschung neuer Energien. Aber be-
trachtet man die Technik als Faktor der Geschichte in
ihrer Verschlingung mit dem Gesamtleben der Mensch-
heit, so bekommt die Frage des Fortschritts einen irratio-
nalen Zug. Es hat den Anschein, als ob, wie in der
Wissenschaft, so auch in der Technik, mit jedem Problem,
das gelöst wird, neue Probleme entstehen. Es scheint,
als ob der Fortschritt mehr in dem Herausarbeiten neuer
Probleme als in dem Vermindern der Probleme bestände.
Die Technik sollte uns befreien von den blinden Gewalten
der Natur. Sie hat es in hohem Maße getan. Aber
gleichzeitig ist das Gebiet der Zwangläufigkeit für
den Menschen in erschreckendem Maße gewachsen. Die
Technik sollte dem Menschen das Dasein übersichtlicher
und zukunftssicherer gestalten; sie hat es auch getan.
Aber gleichzeitig hat sie einen Zustand der Unübersicht-
lichkeit geschaffen, wie er nie zuvor in der Menschheit
vorhanden war. Je weiter die Technik fortschreitet, desto
empfindlicher wird der soziale Organismus gegen äußere
und innere Störungen. Es liegt hier eine Parallel-Er-
scheinung zu der biologischen Entwicklung vor: auch
hier werden die Wesen mit komplizierterer Organisation
leichter anfällig. Im Fortschritt der Technik liegen Pro-

bleme, welche nicht wieder durch die Technik selbst ihre
Lösung finden können. Nur einen Teil der Wun-
den, welche die Technik schlägt, vermag sie
wieder zu heilen. Der Gedanke, den Enthusiasten der
Technik oft geäußert haben, daß der technische Fort-
schritt direkt den der Vernunft bedeute, dieser Gedanke
läßt sich angesichts der Gegensätzlichkeit im Fortschritt
der Technik nicht aufrecht erhalten. — j.goldstein.

*

r^\er Glaube an die Technik läßt sich dem Glauben an
die Naturwissenschaften vergleichen: beide bieten
den wichtigsten menschlichen Problemen gegenüber
(deren individuelle oder kollektive Lösung allein über
das »Glück« des Einzelnen oder der Gesamtheit entschei-
det) keinen wirksamen archimedischen Stützpunkt außer-
halb der Region der Irrungen. Sie liefern dem Geiste
wertvolles Material, sie bereichern die Zahl der Analo-
gien, sie erweitern die Phänomenologie der Begegnungen
zwischen Mensch und Welt. Aber man kann nicht sagen,
daß sie das Machtverhältnis zwischen menschlicher
Geistigkeit und dem entgegenstehenden Stoffe zugunsten
jener verschoben hätten. Im Gegenteil: durch Häuf ung des
Details haben sie dessen Uberwindung erschwert undhaben
auch im übrigen alles getan, um den Menschen aus dem
Mittelpunkte der Welt herauszurücken. Ihre Tendenz war
in jedem Sinne anti-humanistisch. Von der Auf raffung, die
zur Bändigung dieser tellurischen Gewalten nötig sein wird,
kann man sich keinen zu großen Begriff machen, w. michel.

AUSFÜHRUNG: M. BALLIN-MÜNCHEN. ENTWURF: ARCH1T. MATH. FELLER. BQFETT IN ITALIEN. NUSSBAUM MIT EBENHOLZ
 
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