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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 25.1914

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Hirth, Georg: Guter Geschmack und gute Erziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7708#0454

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424

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT GOTTFRIED CZERMAK-BRÜNN

SPIELECKE IM KINDERZIMMER DER WOHNUNG K.

GUTER GESCHMACK UND GUTE ERZIEHUNG

In dem Zauberkreise der Kunst, in welchen uns eine
gute Erziehung einführen und in dem uns eigenes Be-
mühen heimisch machen kann, sollte die künstlerische
Gestaltung unserer Häuslichkeit gewissermaßen
der Mittelpunkt, das erwärmende Herz bilden. Im
Hause ruhen wir aus von des Tages Lasten, hier leben
wir mit den Liebsten, die wir auf der Welt haben, hier
legen wir alle guten Keime in die Herzen unserer Kinder.
Ja wäre es nur dieses eine, handelte es sich auch nur
darum, unsere Kleinen spielend in das Reich des Schönen
einzuführen, von frühester Jugend an ihr Auge für Far-
ben- und Formenharmonie empfänglich zu machen, so wäre
für jeden Familienvater schon Anlaß genug gegeben, auf
die häusliche Einrichtung die größte Sorgfalt zu
verwenden. Leider geschieht dies nur in seltenen Aus-
nahmefällen und der Grund für dieseUnterlassungsünde ist
keineswegs nur in dem äußerlichen, d. h. dem pekuniären,
sondern vielmehr in dem inneren Unvermögen zu suchen,
d. h. in dem Mangel an gutem Geschmack. Mit dem Ge-
schmack in Sachen der bildenden Künste, zu welchen ja
auch die Zimmerdekorationskunst in erster Linie gehört,
hat es seine besondere Bewandtnis. Da glaubt einer etwas
Geistreiches zu sagen, wenn er die beliebte Redensart im
Munde führt: »Die Geschmäcker sind verschieden«. In
Wirklichkeit hat der Mann vielleicht keine Spur von Ver-
ständnis, vielleicht nicht einmal eine natürliche Begabung

für das, was wir auf diesem Gebiete »guten Geschmack«
nennen. Weil aber solche Leute, namentlich wenn sie
sonst mit Recht oder Unrecht sich eines höheren gesell-
schaftlichen Ansehens, eines gewissen moralischen oder
metallenen Gewichtes erfreuen, weil solche Leute durch
ihr unreifes Urteil, durch ihre Unwissenheit und Blindheit
sehr viel Schaden anrichten, so kann es nicht nachdrück-
lich genug betont werden, daß der gute Geschmack einem
nicht wie eine gebratene Taube in den Mund fliegt, son-
dern das Gesamtergebnis einer glücklichen Be-
gabung und sorgfältigen Erziehung ist, und daß
sich eine gewisse Höhe der Anschauung nicht erreichen
läßt ohne Fleiß, Nach denkung und Begeis terun g. . ..
Während die Schönheiten der Musik sich mit einschmei-
chelnder Zärtlichkeit in die Seelen selbst barbarischer
Zuhörer schmiegen, während die Poesie bei einigermaßen
lebendigem Vortrag ihres tiefen Eindruckes auch auf
hölzernere Gemüter nicht verfehlt, will die Muse
Formen- und Farbenfantasie recht eigentlich
obert sein. Sie ist eine spröde Göttin, die ihr
nerstes Wesen nur dem Eingeweihten offenbart ....
Reichtum ist keine unbedingte Voraussetzung für den
guten Geschmack. Die Schönheit kennt kein Ansehen
der Person, sie verlobt sich dem, der offenen Sinnes
um sie anhält, und verklärt auch die Mühsale des ge-
plagten Mannes . . . GEORG H1RTH »Das deutsche Zimmer« 1886.

der
er-
in-
 
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