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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 25.1914

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Otto, Karl Heinrich: Die Zutaten der Wohnung
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Breuer, Robert: Formalismus und echte Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7708#0259

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232

INNEN-DEKORATION

eingerichtete Wohnungen aufweisen. Die Fälle, daß Zu-
taten, planmäßig und sorgfältig aus wirklichem Geschmack
und der in der Wohnung gewonnenen Erfahrung heraus
erworben und eingefügt werden, sind leider noch nicht
allzu häufig. Wir würden wohl öfters Wunderdinge er-
leben, wenn wir Aufnahmen von manchen Künstlerräumen
nach fünf Jahren der Benutzung sehen würden. Hier könnte
man oft mit vollster Berechtigung das viel gebrauchte
Paradoxon »Weniger wäre mehr gewesen« anwenden.
Das gilt namentlich noch oft von jenen Räumen, die
gesondert dem Herrn oder der Dame des Hauses gehören.
Viele Fehler entstehen dadurch, daß von der sonderbaren
Ansicht ausgegangen wird, die Zutaten, der Schmuck der
Wohnung, müßten so bald als möglich beschafft werden.
Man möchte dem Altar der Wohnung Schönheit opfern,
scheut aber Mühe und Kosten dafür. Eigentlich sollte
eine Wohnung in dieser Hinsicht nie fertig sein; man
sollte immer wieder, und zumal bei den so häufig nichtigen
Beiwerken, zu einer Erneuerung schreiten. Anders bei
Kostbarkeiten, die auch hohen inneren Wert haben, mit
dem wir immer mehr verwachsen, um derentwillen wir
einen Raum erst als besonders anheimelnd empfinden. Aber
häufig wäre Wechsel Wohltat; so bei billigen Reproduk-
tionen, Nippsachen, Modedingen, Zeitmöbeln; geradeso
wie Gardinen, Stickereien, ja auch selbst manche Teppiche
infolge Verschleißens ohne weiteres erneuert werden
müssen, und dadurch zur Auffrischung und Verjüngung
der Wohnung auf negative Weise ihr Teil beitragen.
Will man Dauerwertiges, ja der Preissteigerung günstige

Zutaten beschaffen, so Gemälde, Stiche, Porzellane, Bron-
zen, bessere Teppiche und dergleichen, so bedarf es dafür
natürlich nicht nur erheblicher Mittel, sondern eines wirk-
lich gehobenen Geschmackes und eines planmäßigen, sach-
kundigen Handelns; auch der Berücksichtigung derWahr-
heit, daß sich Eines nicht für Alle und besonders nicht
überall hin schickt; und daß es wichtig ist, sich Zeit zu
nehmen, Gelegenheiten abzupassen und aus verschiedenen
Stimmungen heraus Anschaffungen zumachen. Hier wird
es dann nicht selten zutreffen, daß beim Zusammenspielen
solcher Kräfte endlich das auch vom Künstler, der die Woh-
nung etwa schuf, im voraus geschaute Wirklichkeitsbild
der betreffenden Räume erreicht wird, karl heinr. otto.

*

FORMALISMUS UND ECHTE KUNST. Eine
Kunst, die wieder zum Volke spricht, ist gesundet
oder wenigstens auf richtiger Bahn. Der unverstandene
Formalismus der überwundenen Epoche vermochte
nicht die Seele zu rühren und Gedanken zu wecken,
denn er arbeitete ohne unmittelbare und starke Anteil-
nahme des Gefühles und enthielt keine Ideen mehr, die
ohne eindringendes Studium der historischen Stilepochen
verständlich waren. Die neue Kunst dagegen schöpft
ihre Motive aus dem Urgrund des menschlichen Fühlens
und Schaffens und wird daher wieder vom Volke ver-
standen. Die Form entwickelt sich aus der Sache,
die Ausdrucksmittel sind einfach und klar, das Material
spricht eine beredte eindringliche Sprache, Wahrheit ist
die Richtschnur des guten künstlerischen Tuns. — br.
 
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