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Schäfer, Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Starkenburg: Kreis Erbach — Darmstadt, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.18295#0010

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KREIS ERBACH

lieber Funde darthun, dass die nach Weltherrschaft strebenden italischen Eroberer
auch ihre Kunst in dieses Gebirgsland verpflanzt hatten.

Es ist begreiflich, wenn die auf die Römerherrschaft folgende Zeit der allge-
meinen Völkerfluth für die bildende Kunst, wie anderwärts so auch im Odenwald,
ungünstig verlief. Aber auch die Epoche der Merowinger scheint in diesem Be-
tracht spurlos vorübergegangen zu sein. Erst in der Karolingerära tritt die christ-
liche Kunst an den Ufern der Mümling mit einer hervorragenden Schöpfung auf
den Plan. Die Einhard-Basilika zu Steinbach ist es, welche hier zukunftverheissend
die Entwicklung der Sakralarchitektur für den ganzen Odenwald und weit darüber

o o

hinaus einleitet. Dieses in seinem Kerne wohlerhaltene Bauwerk zeigt, dass die
karolingische Architektur für ihre dem Langhaussystem folgenden Gotteshäuser in
gleich strenger Weise dem frühchristlich-römischen Basilikalgrundgesetz folgte, wie
sie in ihren Centraibauten dem byzantinischen Vorbild nachstrebte.

Von Hervorbringungen des romanischen Kunstkreises sind, abgesehen von
Anbauten der Steinbacher Basilika und den Bergfrieden zu Erbach und auf dem
Breuberg, keine in dieser flüchtig einleitenden Umschau nennenswerthen Denk-
mäler auf die Nachwelt gekommen, und auch aus dem Frühstadium der Gothik
ist Erhebliches nicht mehr vorhanden. Dagegen ist die Spätgothik in sakralbau-
licher Hinsicht durch die Pfarrkirche zu Michelstadt gut vertreten, ferner durch
den Chor der ehemaligen Wallfahrtskirche zu Schöllenbach und das Klosterportal
zu Höchst, während im Bereich des Profanbaues die Burgen Breuberg, Fürstenau,
Freienstein und Reichenberg für die Wehrarchitektur Bedeutendes aufzuweisen
haben. Im gothischen Kunstkreis gebührt auch der Plastik eine ehrenvolle Stelle,
einerseits der Steinplastik, welche im 13., 14. und 15. Jahrhundert eine ganze
Reihe trefflicher Grabmäler des Plauses Erbach schuf, anderseits der Holzplastik,
die in dem grossartigen spätestgothischen Schöllenbacher Flügelaltar, jetzt zu Erbach,
durch Kraft und Fülle der Gedanken wie durch Rhythmus der Komposition und
meisterhafte Technik dem Besten dieser Art ebenbürtig an die Seite tritt.

Gleichwie die Dynasten des Hauses Erbach die Kunst im Mittelalter gepflegt,
so geschah dies auch beim Heranbrechen der Neuzeit durch ihre Gräflichen Nach-
folger, welche mit den Grafen von Wertheim in den Ruhm sich theilen, der
Kunst der Renaissance würdige architektonische Aufgaben gestellt zu haben, die
in den Palatial- und Festungsbauten des Schlosses Breuberg gipfeln. Der Plastik
aber fiel um die gleiche Zeit die dankbare Rolle zu, der Verherrlichung dieser
Dynastengeschlechter, der Grafen von Erbach insbesondere, glänzende Mausoleen
zu errichten, wovon die Grabmäler in der Kirche zu Michelstadt rühmlich Zeugniss
geben. Und noch am Schluss des vorigen Jahrhunderts geschah Hochbedeutendes
für die bildende Kunst durch die Gründung der berühmten Erbacher Sammlungen,
welche seitdem in stetem Wachsthum erfreulich fortgeschritten sind und die ge-
schichtliche Entwicklung namhafter Kunstzweige in vortrefflicher Weise zur An-
schauung bringen. Den hier vereinigten Schätzen antiker Plastik und Keramik
sowie mittelaltriger Waffenschmiedekunst —- um nur diese Zweige zu nennen —
hat kein Museum im Umfang der Mittelrheinzone etwas Aehnliches gegenüber zu
stellen. Wir bemerken ausdrücklich, dass das, was wir davon den Lesern durch
 
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