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Schäfer, Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Starkenburg: Kreis Erbach — Darmstadt, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.18295#0125

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EULBACH

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VII. EULBACH

AGDSCHLOSS des Gräflichen Hauses Erbach, nordöstlich von der
Stadt Erbach, östlich von Michelstadt gelegen. Eulbach, in früheren
Jahrhunderten Vlenbuoch (819), Vlnbuch (1398), Vlnbach (1443),
Eulenbach (1522) und Eulebach (1532) genannt, war ehedem ein

Dorf, das im dreissigjährigen Kriege ausstarb. Die Gemeindegüter wurden in
Folge dessen als herrenlos eingezogen und theils zu Waldungen benützt, theils in
ein Hofgut verwandelt, aus welchem 1799 der jetzige herrschaftliche Park ent-
standen ist.

Das 1770 im ländlichen Villencharakter als Jägerhaus gegründete Gebäude jagdschioss
wurde 1802 durch Aufführung eines zweiten Geschosses als Sommeraufenthalt der
Gräflichen Familie vergrössert und das hinter dem Schlösschen gelegene Forsthaus
hinzugefügt. Die Korridore sind mit Emblemen des Waidwerks, namentlich mit
einer Sammlung von Geweihen, überreich ausgestattet. In den Wohnräumen
befinden sich werthvolle ältere wie neuere Erzeugnisse der bildenden Kunst und
des edleren Kunstgewerbes. Unter den Werken der älteren Malerei sei ein aus
der Wende des 15. und 16. Jahrhunderts stammendes oberdeutsches Flügelaltärchen
erwähnt, auf dessen Mitteltafel die Madonna mit dem Jesuskinde erscheint. Die
Flügel zeigen die Oelbergscene mit dem durch den Engel gestärkten Heiland und
die Gruppe der schlafenden Jünger, worin die Figur des Apostels Petrus in
kompositioneller Hinsicht Beachtung verdient, jüngeren Ursprungs ist eine kleine,
figurenreiche Anbetung der Hirten, die nach Stil und Farbengebung an die Rich-
tung des gegen Ende des 16. und im beginnenden 17. Jahrhundert zu München
und Augsburg thätigen Malers Johann Rottenhammer erinnert. — Mehrere Hieb-
und Stichwaffen,, darunter schmuckvoll ausgestattete Säbel und Jagdmesser, sind
türkischer Herkunft und ebenso schöne wie gediegene Leistungen orientalischer
Waffentechnik.

In der hier vorüberziehenden römischen Grenzwehr Mümlinglinie*) und in Römerkastell
geringer Entfernung vom Jagdschioss erhob sich ein Kastell, dessen Abmessungen
von 57 Schritt Länge und 51 Schritt Breite die Aufnahme einer Besatzung von
einer Kohorte (360 Mann) Legionsinfanterie ermöglichten. In südlicher Richtung
vermittelte eine Reihe von vier Wartthürmen, von denen noch jetzt zwei Trümmer-
stätten und ein Brandhügel Kunde geben, die Verbindung mit dem bei Würzberg
gelegenen Kastell. Gegen Nord folgten bis zum Kastell Hainhaus bei Vielbrunn
sieben Wachtstationen, deren Ruinen aus je einem eingeebneten oder zerstörten
Thurm und je einem Brandhügel bestehen. Am Eulbacher Kastell konstatirte

*) Vergl. das Nähere über den Zug dieser Wehrlinie und über das System der römischen Lagerbefestigung
in den Abschnitten XI Hesselbach und XXXIII Würzberg der vorliegenden Abtheilung.

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