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Schäfer, Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Starkenburg: Kreis Erbach — Darmstadt, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.18295#0299

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VIELBRUNN

XXXI. VIELBRUNN

267

FARRDORF, nordöstlich von Erbach gelegen, erscheint urkundlich zum
ersten Male im 11. Jahrhundert unter dem Namen Villebrunnen.

Der Ort hat nichts gemein mit dem 795 im Lorscher Kodex erwähnten,
in der sogen. Streitbach am Anfang des Hiltersklinger Thaies zu
suchenden Vlisbrunnen. Die Schreibung Fiilbronn, Fülbron und Fulbrünn
kommt in Urkunden von 1432 und 1462 vor. In Druckschriften des 18. Jahr-
hunderts (u. a. bei Luck 1772) heisst der Ort Villbronn.

Die evangelische Pfarrkirche war in vorreformatorischer Zeit — wie nach Kirche
einer in der Thurmhalle befindlichen, durch neueren Anstrich leider verdeckten
Heiligenfigur mit dem Attribut des Feuerrostes angenommen wird — dem h. Lau-

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rentius geweiht und gehört zwei unterschiedenen Stilepochen an. Der das Gebäude
im Westen abschliessende Thurm entstammt, laut der an der Südwestecke einge-
meisselten, durch Verputz fast unkenntlich gewordenen Jahreszahl 1X9 7 (1495),
aus dem Stadium der Spätgothik, während das um die nämliche Zeit erbaute Lang-
haus nebst Chor wiederholten Renaissance-Umbauten weichen musste. Luck (S. 185)
berichtet über die Bauveränderungen Folgendes: »Die "Kircfye allster tüuröc 51t
öen Reiten öes Pfarrers, Daniel £orsbad?ers (\569—{6X2), erfyöfyet, inöem fte
nur tuie eine Kapelle geroefen. Sie ift in öen 3afyren \729 un6 \750 neu gebaut
unö mit einer 0rgel t>erfefyen tDoröen. 3n anno tmirben 2 neue ©locfert,

tüouon 6ie eine auf Kird)en= o6er (Oofter="Koften (J)öcfyft) umgegoffen, 6ie anöere
aber von 5er (Semeinöe neu angefcfyaft tporöen, aufgefyänget, fo öafj jeijo ein febönes
(Beläute porfyanöen. \770 tr»ar5 öie "Kirche inroenMg reparirt, im 6 mit einer
neuen (£mporbüfyne perfefyen, aud) neue Kirchen = (Befäffe, 2lltar= unö tEaufftein-
Befleiöuitg angefcfyaft.«

Vom gothischen Thurm, mit kräftigem Wasserschlag am Sockel, sind die Thurm
drei unteren Geschosse erhalten, deren schlichte Simszüge nur noch an den Seiten-
wänden hinlaufen, an der Fassade jedoch fehlen. Die Eindeckung des verjüngt
anhebenden modernen Obergeschosses besteht aus einer achttheiligen, birnförmig
eingezogenen sogen, welschen Haube, die mit krönender Laterne und kleiner
Kuppelbedachung abschliesst und zweifelsohne den Bauveränderungen des vorigen
Jahrhunderts ihr Dasein verdankt. Auf die nämliche Zeit deuten das rundbogige
Thurmportal und die form verwandten Geschossfenster, mit Ausnahme von zwei
älteren, schiessschartenartigen Oeffnungen und einem im Untergeschoss befindlichen
Spitzbogenfenster mit einfacher Passform im Giebel und breiter Kehlung an den
Gewänden. Die Thurmhalle ist von einem Kreuzgewölbe überspannt, in dessen
Scheitel die durch Plattstäbe und Hohlkehlen gegliederten Rippen ohne Schlussstein
sich schneiden. Eine Spitzbogenthiire an der Nordwand ist vermauert. Der
steinerne Treppenaufgang zum Thurm ist neu.
 
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