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Schäfer, Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Starkenburg: Kreis Erbach — Darmstadt, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.18295#0023

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BREITENBRUNN

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gebaut und erhielt einen ungegliederten Abschluss im Rundbogen. Das ältere
Nordportal ist im Stichbogen geschlossen, an den Wandungen leicht gegliedert und
im Sturz mit einem Medaillonornament versehen. Stichbogenartis- schliessen auch

o o

die Fenster, von denen je zwei an den Seiten des flach eingedeckten Langhauses
sich befinden und ein drittes Fensterpaar den dreiseitigen Chorraum erhellt. Die
Kanzel ruht auf einer in der Spirale gewundenen Säule. Kleinere Spiralsäulen
flankiren die Oktogonflächen der Kanzelbrüstung und stützen ihren ausladenden
Simszug. Die Ornamentation des Orgelgehäuses zeigt die verklingenden Formen
des Rococo.

Unter den liturgischen Gefässen verdient ein Messkelch mit kräftigem Kn auf Altargetässe
und breiter Rundschale Beachtung. Das Material ist vergoldetes Silber. Den runden
Fuss ziert ein Krucifixus in Relief. Die fünf Rotuli des Knaufes sind mit tief-
rothen Emailstreifen umrändert und zeigen innerhalb ihrer kleinen Metallfelder
gravirte Vogelgestalten, die auf jedem Rotulus in paarweiser Anordnung sich wieder-
holen. Oberhalb und unterhalb des Knaufes vermitteln Eichenlaub und Kleeblatt-
pässe die Verbindung mit Schale und tFuss. Die gothische Stilisirung aller dieser
Schmucktheile deutet auf die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts. — Eine Abend-
mahls kanne von Zinn zeigt auf sämmtlichen Flächen gravirte, verschlungene Rauten-
muster, worin der symbolische Granatapfel als Ornamentmotiv vorwaltet. Auf dem
Deckel sitzt ein Löwe, dessen Pranken ein von Putten begleitetes Medaillon halten.

Darunter steht die Widmungsinschrift: J. P. HENNING PASTOR BREITEN-
BRUNNENSIS. 1718. — Die Pfarrkirche zu Lützel - Wiebelsbach besitzt ein
ähnliches Altargefäss, worauf der Name desselben Geistlichen als Stifter und die
gleiche Jahreszahl steht, jedoch mit der Ortsbezeichnung Lützelbach, woraus
hervorzugehen scheint, dass Breitenbrunn zur Zeit des freigebigen Pastors Henning
im Filialverhältniss zu Lützelbach sich befunden.

Auf dem die Kirche umgebenden Friedhof steht noch heute die alte, pyramiden- Gerichts-Linde
förmig in drei verjüngten Zweiggruppen ansteigende Linde mit breiter Astkrone
aufrecht, unter welcher einst das Dorf- oder Hubgericht Recht gesprochen.

Eine südwestlich von der Kirche ansteigende Bodenerhöhung, im Volksmund Kömersiedeiung
Steinbuckel genannt, birgt unter der mit Graswuchs und Obstbäumen bepflanzten
Erdkrume die Grundmauern einer Niederlassung, deren römischer Ursprung durch
die an verschiedenen Stellen zu Tage geförderten Gegenstände ausser Zweifel
steht. Unter diesen Fundstücken, welche sich im Besitz des Anwohners und Eigen-
thümers des Anwesens, Kirchenrechner Ph. Schäfer, befinden, seien erwähnt; eine
Kupfermünze des Kaisers Antoninus Pius, Pfeilspitzen, eine Patera aus terra
sigillata mit dem Töpferzeichen »TOCCA« und andere Ueberreste von Thongefässen.

Drei Wohngebäude aus dem 17. Jahrhundert, im Erdgeschoss aus Haustein- Wohngebäude
material, im O.bergeschoss aus Fachwerk bestehend, haben im allgemeinen ihr
alterthümliches Gepräge bewahrt und sind nur an wenigen Stellen von modernen
Ergänzungen berührt.
 
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