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Schäfer, Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Starkenburg: Kreis Erbach — Darmstadt, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.18295#0054

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KREIS ERBACH

Lichtöffnungen getreten sind.' Den Eingang zum Chor bildet ein derber Rundbogen
mit Kämpfern von schlichter, aber unverkennbar spälromanischer Gliederung. Am
südlichen Bogenpfeiler ist das Facsimile eines römischen Votivaltars des Centurio
Lucius Favonius Seccianus eingelassen, dessen Original in das Museum zu Mann-
heim gekommen ist. Die Nachbildung zeigt die Inschrift:

FORTVNAE
L\ FAVONVS
SECCIANVS
> . LEG. VIII ÄTG, *)

mit einer Bekrönung von fünfstrahligen Rosetten, die an den Seiten der Ära voluten-
Tirtig verlaufen. — Im vierseitigen Chorraum treten aus den Ecken konsolenlose
Ansätze von Gewölberippen hervor, die auf eine Veränderung der ehemaligen
romanischen Eindeckung durch die Spätgothik schliessen lassen. Der gothischen
Blüthezeit gehört der mit stilreinem Passwerk und aufstrebenden Lilien meisselfertig
ornamentirte Fuss eines Taufsteines an, welcher jetzt als Podium einer modernen
Holzkanzel dient. — Vom älteren Thurmbau ist nur noch das an den Ecken mit
kräftigem Quaderwerk gesäumte Untergeschoss erhalten; das schieferbedeckte, als
Glockenhaus dienende neuere Obergeschoss schliesst mit stumpfem Helm ab.

Epitaph und Am unteren Theil der Nordwand des Kirchthurmes ist in das Mauerwerk eine

Grabsteine

Gedenktafel mit karniesförmiger Leistenumrahmung eingelassen, deren Inschrift
besagt, dass Martin Walter von Bullau, Pastor zu Reichenbach, dieses Epitaph
seinen Eltern und anderen Angehörigen seiner Familie widmete, die der Pest zum
Opfer gefallen waren. Bei dem Interesse, welches die vom Steinfrass stark be-
schädigte und mehrfach unleserlich gewordene Inschrift in ihrem gegenwärtigen Zu-
stand als eine crux philologorum den Freunden der Epigraphik einflösst, möge
der Text in ausführlicher Fassung, nach einer um 1770 gemachten Aufzeichnung,
hier folgen:

»Theobaldo Vualthero Wattenbacensi, pagi quondam hujus incolae, patri suo colendo, Ao.
Domini 1571. defuneto, & elizabethae Listin, Bullaviensi, matri suae percharae, nec non Georgio
Sclilemio, itidem, Wattenbacensi, Vtrico suo: cui mater ao. 1572. nupserat, ut & fratribus Sc
sororibus suis uterinis Catharinae 1557. Ursulae 1559. Johanni Ildo 1571. natis, sed Iiis iterum,
quibusdam quidem prius vita funetis, nonnullis autem cum matre, vitricoque annis intra 1573. &
1574. peste per hasce tunc oras Ottosylvaniae passim grassante, simul extinetis, prope sacelli
hujus sinistrum angulum consepultis, hoc /uvrjunov filius & frater unicus superstes M. Martinus
Walterus 1567 mense Novembri natus, Michelstadii, Erbaci, Argentinaeque educatus ac literis bonis
et sacris imbutus Reichenbachianae jam per annos 33 ecclesiae pastor, suos amore prosequens
P. Anno per Chiistum recuperatae salutis 1632. Animae justorum in manu Dei sunt, non tangit
illos tormentum mortis, Sap 3.«**)

Unter den aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammenden Grab-
platten, welche ehedem die Grufträume in der Kirche bedeckten und jetzt auf dem
nahen Friedhof zu einer Gruppe vereinigt sind, möge die Erwähnung des in ge-
drängter Reliefornamentation ausgeführten Denkmals des »Hochgräflich Erbach-

*) ^ , Abkürzung für »centurio«.

**) Vergl. Luck S. 127 und 128.
 
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