ERBACH
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handlung des Fusses überein und zeigt einen Blumenstrauss als krönenden Abschluss.
Gothik und Renaissance durchdringen sich und deuten auf die Wende des 15. und
16. Jahrhunderts.
Ein im Aufbau wie im verzierenden Schönen den Gesetzen der Renaissance
des vorgerückteren 16. Jahrhunderts folgender, stellenweise vergoldeter Silberpokal
(Fig. 52 b) ist auf der Vorderseite mit einem Relief geschmückt, welches das Er-
scheinen der Tochter der Herodias mit dem Haupte des Täufers Johannes vor
Herodes zum Gegenstand hat. Die Rückseite ist von zierlichem Rankenwerk be-
deckt und enthält als Reliefdarstellung eine die Fruchtbarkeit symbolisirende Herme
mit zwei Faunen an den Seiten. Auf dem Deckel ragt aus einer Gruppe von vier
Genien die Figur eines keulenschwingenden nackten Mannes empor, welcher ein
zu seinen Füssen kauerndes Weib mit dem Tode bedroht.
Eine ovale Prachtschale von Bergkrystall (Fig. 52 c) stammt aus der besten
Zeit deutscher Hochrenaissance und ist ein 1558 von Kurfürst Otto Heinrich von
der Pfalz dem Hause Erbach verehrtes Geschenk. Fuss und Knauf sind mit Edel-
metall und kostbaren Steinen verziert, ebenso der Henkel, welcher als ein um-
gebogenes Blatt in einen aus Korallen geschnitzten Delphin verläuft.
Unter den aus unedlem Metall gearbeiteten Werken der Kleinkunst seien Anderes Metall°-
technisches
zunächst zwei kirchliche Gegenstände genannt: ein Fliigelaltärchen und ein
Krucifixus. Das kupfervergoldete Altärchen ist nach Stil wie Technik eine
Leistung des 12. Jahrhunderts; es enthält im Mittelfelde eine Kreuzigungsgruppe,
während auf den Seitenfeldern die evangelischen Zeichen Engel, Adler, Stier, Löwe
in blauem, weissem und grünem Zellenemail ausgeführt sind. Die Rückseite zeigt
eine Verkündigung von gleicher romanischer Schmelztechnik. — Der Krucifixus hat
vergoldete Bronze zum Material. Die Augen des Heilandes sind offen; die Lenden
umgibt ein kurzes Gewand; die durchbohrten Füsse stehen nicht übereinander
sondern nebeneinander auf einem Podium; in die ausladenden Quadrate der Kreuz-
balken sind Halbedelsteine eingelassen: alles Merkmale, welche mindestens auf das
13. Jahrhundert zurückdeuten. Gravirungen auf der Rückseite zeigen das symbolische
Lamm mit der Siegesfahne in der Mitte und die evangelischen Zeichen an den
Enden der Kreuzbalken. Unter dem Lamm steht eine Gewandfigur mit Lilie und
Weltkugel in den Händen. — Einige Degengriffe und Degenknöpfe der Renais-
sance sind hervorragende Arbeiten der Eisenschnitzkunst von grosser Schönheit der
Formmotive, während andere Waffenstücke, u. a. Jagdmesserscheiden und Ring-
kragen aus der Barockzeit mit vortrefflich getriebenen Reliefzügen, darunter lebhaft
bewegte Reitergefechte, verziert sind. — Ein wahres Kleinod feinster Kunstschlosserei
ist das von einem Herrn von Villiers in die Gräflichen Sammlungen gestiftete
Eisenschloss. (Fig. 53.) In seiner Grundgestalt bildet das kunstreiche Prachtschloss
einen aus drei Baldachinen bestehenden Aufbau in den Formen der Gothik des
15. Jahrhunderts. Unter dem Hauptbaldachin steht das Agnus Dei; die Seiten-
baldachine enthalten Heiligenfiguren. Die Erscheinung des Lammes Gottes, als
beziehungsvoller Mittelpunkt des Ganzen, macht die Bestimmung des Zierschlosses
als Bestandtheil eines Tabernakels oder Sakramentshäuschens wahrscheinlich. Das
Figürliche wird von dem Ornamentalen weitaus übertroffen, sowohl im Stil wie in
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handlung des Fusses überein und zeigt einen Blumenstrauss als krönenden Abschluss.
Gothik und Renaissance durchdringen sich und deuten auf die Wende des 15. und
16. Jahrhunderts.
Ein im Aufbau wie im verzierenden Schönen den Gesetzen der Renaissance
des vorgerückteren 16. Jahrhunderts folgender, stellenweise vergoldeter Silberpokal
(Fig. 52 b) ist auf der Vorderseite mit einem Relief geschmückt, welches das Er-
scheinen der Tochter der Herodias mit dem Haupte des Täufers Johannes vor
Herodes zum Gegenstand hat. Die Rückseite ist von zierlichem Rankenwerk be-
deckt und enthält als Reliefdarstellung eine die Fruchtbarkeit symbolisirende Herme
mit zwei Faunen an den Seiten. Auf dem Deckel ragt aus einer Gruppe von vier
Genien die Figur eines keulenschwingenden nackten Mannes empor, welcher ein
zu seinen Füssen kauerndes Weib mit dem Tode bedroht.
Eine ovale Prachtschale von Bergkrystall (Fig. 52 c) stammt aus der besten
Zeit deutscher Hochrenaissance und ist ein 1558 von Kurfürst Otto Heinrich von
der Pfalz dem Hause Erbach verehrtes Geschenk. Fuss und Knauf sind mit Edel-
metall und kostbaren Steinen verziert, ebenso der Henkel, welcher als ein um-
gebogenes Blatt in einen aus Korallen geschnitzten Delphin verläuft.
Unter den aus unedlem Metall gearbeiteten Werken der Kleinkunst seien Anderes Metall°-
technisches
zunächst zwei kirchliche Gegenstände genannt: ein Fliigelaltärchen und ein
Krucifixus. Das kupfervergoldete Altärchen ist nach Stil wie Technik eine
Leistung des 12. Jahrhunderts; es enthält im Mittelfelde eine Kreuzigungsgruppe,
während auf den Seitenfeldern die evangelischen Zeichen Engel, Adler, Stier, Löwe
in blauem, weissem und grünem Zellenemail ausgeführt sind. Die Rückseite zeigt
eine Verkündigung von gleicher romanischer Schmelztechnik. — Der Krucifixus hat
vergoldete Bronze zum Material. Die Augen des Heilandes sind offen; die Lenden
umgibt ein kurzes Gewand; die durchbohrten Füsse stehen nicht übereinander
sondern nebeneinander auf einem Podium; in die ausladenden Quadrate der Kreuz-
balken sind Halbedelsteine eingelassen: alles Merkmale, welche mindestens auf das
13. Jahrhundert zurückdeuten. Gravirungen auf der Rückseite zeigen das symbolische
Lamm mit der Siegesfahne in der Mitte und die evangelischen Zeichen an den
Enden der Kreuzbalken. Unter dem Lamm steht eine Gewandfigur mit Lilie und
Weltkugel in den Händen. — Einige Degengriffe und Degenknöpfe der Renais-
sance sind hervorragende Arbeiten der Eisenschnitzkunst von grosser Schönheit der
Formmotive, während andere Waffenstücke, u. a. Jagdmesserscheiden und Ring-
kragen aus der Barockzeit mit vortrefflich getriebenen Reliefzügen, darunter lebhaft
bewegte Reitergefechte, verziert sind. — Ein wahres Kleinod feinster Kunstschlosserei
ist das von einem Herrn von Villiers in die Gräflichen Sammlungen gestiftete
Eisenschloss. (Fig. 53.) In seiner Grundgestalt bildet das kunstreiche Prachtschloss
einen aus drei Baldachinen bestehenden Aufbau in den Formen der Gothik des
15. Jahrhunderts. Unter dem Hauptbaldachin steht das Agnus Dei; die Seiten-
baldachine enthalten Heiligenfiguren. Die Erscheinung des Lammes Gottes, als
beziehungsvoller Mittelpunkt des Ganzen, macht die Bestimmung des Zierschlosses
als Bestandtheil eines Tabernakels oder Sakramentshäuschens wahrscheinlich. Das
Figürliche wird von dem Ornamentalen weitaus übertroffen, sowohl im Stil wie in