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Schäfer, Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Starkenburg: Kreis Erbach — Darmstadt, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.18295#0269

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SCHNELLERTS 237

Auge unschwer erkennbar, auf der Ostseite, da wo die Kuppe durch eine Einsattelung
mit dem angrenzenden Gebirge zusammenhängt und ihre Angriffsfronte zu suchen
ist. Dieser Eingang führte in den Zwinger, aus welchem man zum Kern der Veste
an der Stelle gelangte, wo der gegenwärtige Zugang eine Oeffnung im inneren'

Wehrring bildet. Hindurchgeschritten betritt man den erwähnten geebneten, jetzt
mit Ahorn und anderen Zierbäumen bepflanzten Raum. Von dem ehemaligen
Wohnbau ruht kein Stein mehr auf dem anderen. Von Wehranlagen ist ausser
der Beringung dicht an ihrem östlichen Zuge nur noch ein dem Eingang gegenüber
liegender, grasbewachsener runder Mauertorso von 1 m 5 cm Höhe übrig, der von
Manchen für einen verschütteten Brunnen gehalten wird, dem jedoch, in Anbetracht
seiner Stellung hoch über der Angriffsfronte, weit eher die Bedeutung eines Thurm-
stumpfes zukommt. Damit würde denn auch übereinstimmen, dass im Lichtraum
des Torso, unter der das Innere bedeckenden Schuttmasse, Treppenstufen sich
befinden sollen. Der Mauerzug des in der Richtung von Ost gen West nahezu
36 m im Durchmesser betragenden Plateau's folgt den Unebenheiten des Bodens
und umschliesst ein unregelmässiges, im Ganzen einem Sechseck sich näherndes
Polygon. Die Höhe der Beringung misst an manchen Stellen der Aussenseite noch
bis zu 3 m und darüber; auf der Innenseite gleicht der Mauerzug einer meterhohen,
im 75 cm dicken Brüstung und lässt den Blick in die waldige Umgebung nach
allen Seiten frei.

Wie diess bei altem trümmerhaftem Steinwerk im Dekumatenlande vielfach Ursprung
zu geschehen pflegt, ist auch die Schnellertsruine in's graue Alterthum versetzt und
ihr bald römischer, bald vorrömischer Ursprung zugesprochen worden. Weder die
eine noch die andere Meinung ist angesichts des Thatbestandes stichhaltig. Die
Mauertechnik deutet ebenso wenig auf das ungeregelte mörtellose Steingefüge alt-
germanischer Ringwälle, wie auf die gediegene Steinschichtung und den eigentüm-
lichen Mörtelverband römischer Wehrbauten. Ueberall verräth vielmehr der Mauerbau
die Technik des Mittelalters, sowohl in der Anordnung der derben horizontalen
Werksteinlagen, wie vornehmlich im starken Auftrag des mit dem Gestein eine fast
untrennbare Masse bildenden Mörtels, dessen Festigkeit in Erstaunen setzt und zu
dessen Wiederbesitz wir ungeachtet aller Versuche noch nicht gelangt sind. Von
ansehnlicheren Werkstücken ist nichts mehr vorhanden als geringe Ueberreste un-
gegliederter, pfeilerartig behauener Sandsteine, die als Thürgewände gedient haben
mögen; sie liegen im Gebüsch unweit des westlichen Theiles des Mauermantels
und seines Zuganges. Die erwähnten technischen Merkmale, zusammengehalten
mit dem Charakter der ganzen Plananlage, stellen den mittelaltrigen Ursprung der
Schnellertsveste ausser Zweifel.

Was die verhältnissmässig bescheidenen Abmessungen des Gebäudes betrifft, Bedeutung
so vermögen dieselben die Bestimmung des Schnellerts als Wehr- und Wohnbau
ebenfalls nicht in Frage zu stellen. Das Mittelalter errichtete nicht immer umfang-
reiche Burgen, sondern auch kleinere Vesten des niederen Adels, die sogen. Burg-
ställe. Das Aufblühen der Geschlechter schuf in der Folge aus manchem Burgstall
eine beträchtlichere Wehr- und Wohnanlage, eine Herrenburg. Dazu ist es augen-
scheinlich beim Schnellerts nie gekommen. Die Veste war und blieb bis zu ihrem
 
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