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Schäfer, Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Starkenburg: Kreis Erbach — Darmstadt, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.18295#0273

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SCHÖLLENBACH

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Ein gothisirender moderner Wandschrein enthält liturgische Gefässe aus Zinn, Aitargefässe,

3.11 Z0I

darunter eine Hostienbüchse und eine Taufkanne nebst Schüssel. Die Spiralorna-
mentation der Gefässwandungen zeigt verklingende Formen des Rococo im Ueber-
gang zum sogen. Zopfstil. — Die schlichte Kanzel von 1783 ruht auf dem Rumpf
einer gothischen Arkadensäule des niedergelegten Langhauses. Der Schaft hat die
von der Spätgothik wieder aufgenommene Rundform; sein attisirendes Basament
besteht aus zwei schmalen Pfühlen mit dazwischen lagernder breiter Kehlung; da-
gegen ist der polygone Fuss wieder streng gothisch. — An der Nordwand sind
die historischen Daten des Bauwerkes auf einer Steintafel in folgender Fassung
kurz zusammengestellt :

ANNO DOMINI 1465 ERBAUTE SC LI EN K PHILIPP IV VON
ERBACH DIESE KIRCHE; SIE WURDE EINGEWEIHT DEN 8. SEP-
TEMBER 1465. AUS IHREM VERFALLE AUFGERICHTET, WURDE
SIE AM 11. NOVEMBER 1783 DEM GOTTESDIENST ÜBERGEBEN.

IN DEN JAHREN 1863 — 1865 NEU IM INNERN HERGERICHTET,

FEIERTE SIE AM 8. SEPTEMBER 1865 IHR 400JÄHRIGES JUBILÄUM.

DESS ZUM GEDÄCHTNISS IST DIESE TAFEL HIER EINGEMAUERT.

Ps. 26, 8.

Wie verschieden von der in der Inschrift erwähnten, zwar verdienstlichen,
aber immerhin bescheidenen Erneuerung aus den Jahren 1783 und 1865 muss die
künstlerische Pracht gewesen sein, welche den heiligen Raum im 15. Jahrhundert
schmückte? Anstatt der drückenden Flachdecke schloss eine hochragende luftige
Wölbung den Bau. Ueber der Altarmensa erhob sich ein grossartiger Flügelschrein,
prangend in reichster plastischer, malerischer und polychromer Ausstattung. Hören
wir auch darüber, ohne alle Umschreibung des Sinnes, die Worte von Dan. Schneider
aus dem Beginn des vorigen Jahrhunderts:

»(Ein nadj alter 2lrt fdjön unb aus ruuben ^iguren, tfyeils in £ebens=(Sröf;e, ttjeils auf
£3ruft=23ilber=3X>eife gefdjntfjter 2IItar, bte (Seburts=£iuie unferes £}eylanbes 3efu üorftellenbe, ift
batjiu, tr>ie bas baran fid; ftnbenbe JDappeu anstreifet, r>on Sdjencf (Eberfyarb unb ITTarten nou
tüertfyeim rerfd^affet uiorben; au beffeu (Efyür^liigel jeigen ficb intuenbig bie uornefytnfte gufälle
ber 3UTT9fraueTt IHarieu audj gefdinitjt, austoertbig ift fie mit bem (Ettglifcbeu ©ruf; gemattet, tueldjes
bann befräftiget, ba§ foldje Capelle fyauptfädjlidj 311t (Efyre ber 3utigfrau UTarien geftifftet n>orbeu
fey. llian l]at ihn nou Sdjellnbad;, bamit er nidjt bafelbft tDeggenommeit ober cerberbet roerben
mödite, uieil er in feiner HTaaffe ein rares Stüif unb alles ftarf tiergolbet ift, in bie 23egräbni§-

Kirdjeu ttadi (Erbacfy gebracht, allmo er uod? 31t feigen ftefyet.«

Der in gutem Zustand erhalten gebliebene Flügelaltar hat seit einigen Jahren
seinen Standort gewechselt und ziert jetzt in stilkundiger Erneuerung die St. Hubertus-
Schlosskapelle zu Erbach; auf Seite 6 2 u ff. dieser Schrift ist der kostbare Kunstschatz
ausführlich besprochen. — Denkt man sich das herrliche Schnitzwerk am ursprüng-
lichen Widmungsort unter der Chorwölbung aufgestellt, den Lichtgaden der sieben
Fenster mit strahlenden, farbenreichen Glasgemälden geschmückt, und nimmt man
alle sonstige Zier hinzu, woran es der bevorzugten Wallfahrtskirche nach der Sitte
der Zeit nicht gefehlt haben kann, so erhält man eine ungefähre Vorstellung von
der einstigen Pracht des Heiligthums und von der regen Kunstliebe seiner hohen

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