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Schäfer, Georg
Kunstdenkmäler im Grossherzogthum Hessen: Inventarisirung und beschreibende Darstellung der Werke der Architektur, Plastik, Malerei und des Kunstgewerbes bis zum Schluss des XVIII. Jahrhunderts: Provinz Starkenburg: Kreis Erbach — Darmstadt, 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.18295#0304

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KREIS ERBACH

Auf der Innenseite folgte die Wallstrasse (via angularis) dem Zuge der Um-
mauerung. An den beiden Langseiten dienten in der Richtung der Principal-Quer-
strasse zwei Thore (porta principalis dextra und porta principalis sinistra) als
Ausfallthore. Auf der via praetoria stand' das Prätorium, das Gebäude des Be-
fehlshabers, und weiterhin bis zur via angularis das Quästorium, die Wohnung
des Intendanten. Ringsum war die Besatzung untergebracht, aller Wahrscheinlich-
keit nach in Zelten oder Hütten; wenigstens kommen in keinem der Odenwald-
kastelle Mauerbestandtheile von Kasernenanlagen, wohl aber freie Plätze mit Ueber-
resten von Feuerstätten vor. Mitunter wurden die vier Thore durch je zwei Flanken -
thürme verstärkt, so dass das Kastell von acht Thorthürmen umgeben war.

Nicht sämmtliche Limeskastelle besassen eine solche Ausdehnung. Die meisten
Kastelle der Mümlinglinie sind einfacher angelegt und hiernach richtete sich die
Stärke ihrer Besatzung. Die Abmessungen des Würzberger Kastells von 105 Schritt
Länge und 95 Schritt Breite berechtigen zur Annahme einer Besatzung von zwei
Kohorten (720 Mann) Legionsinfanterie. Nach einer Urkunde Kaiser Heinrichs II
v. J. 1012 zog die östliche Grenze des odenwälder Bannforstes per destructam
Vullonoburg (ohne Frage gleichbedeutend mit Vullineburch), also mitten durch
die zerstörte Veste, woraus gefolgert werden darf, dass dieses Römerwerk schon
sehr früh der Vernichtung verfallen war. Die folgenden Jahrhunderte haben seine
Ueberreste nicht geschont; noch in den vierziger Jahren wurden Steine von Würz-
berger Heunhaus als Wegbaumaterial verwendet. Jetzt wurzelt auf der Stätte ein
Bestand von Laub- und Nadelholz und wilder Rasen bedeckt das Gemäuer. Der
Zug von Wall- und Graben ist deutlich kennbar. Vor mehreren Jahrzehnten sah
Staatsrath J. F. Knapp die Gesimse der ohne Mörtelverbindung aufgeführten Um-
mauerung 6 — 8 Fuss über den Boden ragen und noch heute erreichen einzelne
Stellen dieser von Pflanzenwuchs überwucherten Erhebungen die gleiche Höhe.
Eine grosse Anzahl von Werkstücken, die auf eine saubere und korrekte Mauer-
technik schliessen lassen, liegen in der Grabenniederung zerstreut umher. Nach
dem Bericht des genannten Gewährsmannes war der Graben an den Thoren nicht
unterbrochen, sondern diesen Zugängen gegenüber so weit ausgemauert, um als
Brückenauflager zu dienen. Mit dem erwähnten Mauerzug lief nach innen eine
zweite Mauer dicht parallel, und den Zwischenraum füllte eine Schuttmasse von
Erde und kleinem Gestein. Wider die Futtermauer lehnte sich ein Erdwall. An
den Seiten lagen die vier üblichen Thore, und im Mittelpunkt der Gesammtanlage
befand sich ein Brunnen. Von Gebäuden war jede Spur verschwunden. Damalige
Funde bestanden in Pfeilspitzen, Gefässfragmenten aus terra sigillata und opalisirtem
Glas. — In einiger Entfernung von der südlichen Lagerecke liegen unter der
Bodenfläche die Substruktionen eines aus mehreren Räumen bestehenden Gebäudes,
dergleichen auch in der Nähe anderer Kastelle gewöhnlich in Verbindung mit Heiz-
einrichtungen vorkommen, und von deren Zweckbestimmung bereits S. 1 57 11 ■ 158
die Rede war. — Südlich vom Kastell Hainhaus vermitteln zwei Schutthücrel-

o

paare von ehemaligen Wachtthürmen und weiterhin noch ein fünfter Thurmhügel
die Verbindung mit dem Kastell Liesselbach, während gegen Norden zwei Thurm-
ruinen und ein Brandhügel die Grenzwehrlinie mit dem Kastell Eulbach herstellen.
 
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