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Oechelhäuser, Adolf von; Kraus, Franz Xaver [Hrsg.]
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden (Band 8,2): Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Heidelberg (Kreis Heidelberg) — Tübingen, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.1227#0233
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220 KREIS HEIDELBERG

der Kirche zu gelegt. Drei Haupttreppen und eine Nebentreppe verbanden die Stock-
werke.

Zurzeit ist nur noch die als katholisches Pfarrhaus benutzte und entsprechend
umgebaute Nordostecke des ehemaligen großartigen Baukomplexes im Besitz der katho-
lischen Kirche. Der langgestreckte Flügel in der Kettengasse ist zur städtischen
Oberrealschule eingerichtet worden. Auch die ehemaligen Stallungen und das
Kelterbaus in der Schulgasse sind unlängst einem durchgreifenden Umbau für moderne
Zwecke unterzogen worden. (Aus den Akten im Karlsruher GLA. erfahren wir, daß
i. J. 1804 der Plan bestand, das Heidelberger Jesuitenkollegium samt der Kirche für die
Universität, und das Universitätsgebäude für die Landvogtei und die beiden Oberämter
einzurichten. Von 1803 bis 1808 war badisches Militär hier untergebracht.)

Baubeschreibung

Den Hauptschmuck des Gebäudes bildet das am Platze vor der Kirche gelegene
schöne Barockportai, das unsere Fig. 142 zeigt. Leider steht das Figürliche nicht auf
der Höhe des Architektonischen. Nur das kurfürstliche Wappen innerhalb des Segment-
bogens ist von vornehmster Wirkung, während die auf den Ecken, wie angeklebt, hocken-
den Figuren mit ihren ekstatischen Gesten die Kontur unruhig beeinflussen. Auch die
Christusstatue in ihrer barocken Beweglichkeit entbehrt jeder Größe; die Halbfigur Gott-
Vaters als oberster Abschluß fällt ganz aus dem Rahmen.

Im übrigen ist bei der umfangreichen, an sich durch ihre Abmessungen imponierende n
Baulichkeit auf Anbringung ornamentalen oder figürlichen Schmuckes ebenso wie auf
architektonische Gliederung verzichtet worden. Als Eigentümlichkeit fallen die oben in den
Ecken der Fenster- und Türamrahmungen überall wiederkehrenden kleinen Halbkugeln ins
Auge. Die in der Kettengässe liegenden schmalen Seiteneingänge entbehren jeder bau-
lichen Hervorhebung. Die auch beim Kollegiengebäude der Universität und dem ehemaligen
Jesuitengymnasium vorkommende Eigentümlichkeit der Verbindung der Fenster einer
Achse durch Mauerstreifen, welche etwa 10 cm vor die Mauerflucht vorspringen, legt
unwillkürlich die Annahme nahe, daß hier derselbe Baumeister Adam Breunig, welchen
wie wir sahen, die Jesuiten bald darauf den Bau ihrer Kirche und des Gymnasiums
übertragen haben, als Urheber tätig gewesen ist. Auch die großen Eckpilaster sind in
ihrer Formgebung für den Meister charakteristisch. Wenn dagegen die Profilierung der
Fenster und die Einzelheiten des Portals mancherlei abweichende Züge aufweisen, so
ist zu berücksichtigen, daß es sich hier um ein Erstlingswerk handelt, nach welchem der
Künstler seine Formensprache verändert haben kann. Wir würden somit in diesem groß-
zügigen Bauwerke die erste Leistung Breunigs im Dienste der Jesuiten, deren Le: -
architekt er fortan werden sollte, vor uns haben.

Der auf unserem Plane (Fig. 141) eingezeichnete Sakristeiflügel D ist in seinem süd-
lichen Teile, d. h. von der Durchfahrt an, dem Neubau des Großh. Amts- und Land-
gerichts zum Opfer gefallen.

Das Innere ist den jetzigen Zwecken entsprechend umgebaut. Am meisten den
alten Charakter bewahrt hat noch der als Pfarrhaus benutzte vordere Teil, obgleich auch
hier in neuester Zeit einschneidende Änderungen vorgenommen worden sind. So ist uns
stattliche Treppenhaus in der Nordostecke gänzlich verschwunden und in einen für Ge-
 
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