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Oechelhäuser, Adolf von; Kraus, Franz Xaver [Hrsg.]
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden (Band 8,2): Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Heidelberg (Kreis Heidelberg) — Tübingen, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.1227#0626
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6o3 KK'KIS.HEIDjy.lJfiJlG

vorgenommen. Die zweite Vergrößerung, die fast einem Neubau gleichkommt (1907
bis 1908), hat durch Einfügung eines breiten Kreuzflügels und abermalige Verlängerung
des Schiffes um 4 m, durch Anbau seitlicher Treppenhäuser, Erhöhung des Turmes
und eine einheitliche Renovation des Innern dem Gotteshause seinen alten Charakter
völlig genommen.

Nur der Chor im Turm unten zeigt noch das alte .Rippenkreuzgewölbe, von
hübschen Konsolen mit naturalistischem Laubwerk ausgehend und in einem Schlußstein
endigend, der eine Maske mit geöffnetem Munde und Eichenblättern ringsum aufweist.
Die Weite der spitzbogigen Choröffnung beträgt 2,85 m. 'Das .alte gotische Maßwerk-
fenster hinter dem Altar scheint erneuert zu sein.

An der Südseite im Chor schönes Renaissanceepitaph des HANNS WIS-
BRODT, ZINTGRAF ■ VND SCHVLTHEIS ALHIE ZV' RORBACH (ge-
storben 1590) und dessen Gattin CATHARINA. Die Mitte des Steines enthält in
Hochrelief das kniende Elternpaar mit der Kinderschar dazwischen, alle mit erhobenen
Händen aufschauend zu dem Auferstehungsbilde im oberen Teile. Neben diesem links
ein Wappen mit Brezel (Weißbrot?), rechts mit Schere. Leider sehr restauriert und
angestrichen.

Das nahe gelegene Pfarrhaus trägt über der Eingangstür die Inschrift: IOHANN
GEORG ERB-PFARRER-CATHARINA CHRISTINA ERBIN GEBOHRNE
BASSERMA.NNIN mit der Jahreszahl 17 64 auf einem Wappenschild. (Nach Stock er
ist dieser Erb von 1757 bis 1796 Pfarrer hierorts gewesen.)

Im Pfarrgarten, als Tischplatte benutzt, ein Grabstein (r. S.) der 1530 verstorbenen
Elisabeth Remi von Rotenburg, Witwe des Edlen Rucker(?) von Menzängen.
' Westlich vom Dorf liegt in einem Park das vom letzten LIerzog von Pfalz-Zwei
• brücken'Karl August (gestorben 1795) i. J. 1770 erbaute Schlößchen, das diese!
Fürst von Mannheim aus, worein Vater am kurfürstlichen Hofe gelebt hatte, zu besuchen
pflegte. Hier wohnten 179/ bis 1799 Max Joseph I. von Bayern und Ludwig I. in
ifeer Jugend. Die letzte fürstliche Bewohnerin war Markgräfin Amalie Friederike,
die den Hof von ihrem Schwiegersohn Max Joseph i. J. 1799 zum Geschenk erhalten
hatte. Bald darauf (1831) ging derselbe in Privatbesitz über (vgl. K. Christ in Heidel-
berger Illustrierter Kalender 1897 und Mannh. Geschichtsbl. IX, 151).

Wie eine alte Zeichnung (s. Abbildung in Pfaffs Heidelberg 3. Aufl. S.342) zeig',
war es ursprünglich ein bescheidenes, zweistockiges Lusthaus inmitten eines weiten Parkes
gelegen, mit einem Teich davor, der jetzt zugeschüttet ist. Die Umwandlung zu dem
vornehmen Bau, den unsere Abbildung (Fig. 395) wiedergibt, ist zu der Zeit erfolgt, als das
Anwesen in markgräflich badischen Besitz übergegangen war, offenbar unter Weinbrenners
Leitung. Durch Anlage der dorischen Vorhalle, Erhöhung des Mitteltraktes mit einem
reich dekorierten Fries und durch Aufbau eines Giebels ist dem kleinen Bauwerk, ohne
ihm Zwang anzutun, ein gefälligeres Aussehen gegeben worden, Seit 1899 (aus Mitteln der
Großherzog-Friedrich-Jubiläums-Stiftung) ist es in ein Arbeitergenesungsheim umgewandelt.
Im Innern einige hübsche Marmorkamine und einfache Stuckdecken aus markgräf-
licher Zeit.

Das ehemalige herzogliche Stallgebäude mit hübschem klassizistischen Stein-
portal wird jetzt als Magazin verwendet. Die Ständer und Pferdekrippen in der drei-
schiffigen Halle sind noch vorhanden.
 
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