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Oechelhäuser, Adolf von; Kraus, Franz Xaver [Editor]
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden (Band 8,2): Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirks Heidelberg (Kreis Heidelberg) — Tübingen, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.1227#0505
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4,S6 KREIS HEIDELBERG

der Universität, der letzte Sproß der alten Witteisbacher Kurlinie [s. Abbildung Fig. 314]).
IV. Reihe: 13. Fridericus Pius 1576 (der erste Kurfürst aus dem Hause Simmern, ein
frommer und wohlwollender, aber zu sehr von den Pfaffen beeinflußter Herrscher);
14. Ludovicus 15S3 (Ludwig VI, der schwärmerische Lutheraner, der bereits im
44. Lebensjahre starb); ig. Joannes Casimirus 1592 (der streitbare Administrator
von Kurpfalz während der Unmündigkeit Friedrichs IV., der Schöpfer des Faßbaües);
16. Fridericus 1607 (der Bauherr selbst, damals 33 Jahre alt).

Die Auswahl der Figuren kann als eine glückliche nicht bezeichnet werden.
Ludwig V., der große Schloßbauherr, fehlt, und statt dessen erscheinen Persönlichkeiten,
wie der Ungarn- und Dänenkönig, lediglich wie Reklamehelden eingefügt. Auch hin-
sichtlich der beigesetzten Jahreszahlen läßt sich, von den zahlreichen Irrtümern abgesehen,
kein bestimmtes Prinzip in der Auswahl erkennen; meist bezeichnen sie das Todesjahr
des betreffenden Fürsten;

Diese Unzulänglichkeiten treten jedoch der hohen künstlerischen Vollendung der
Ahnenreihe gegenüber völlig in den Hintergrund.. Es ist nicht anzunehmen, daß der
jugendliche Meister ganz unvorbereitet an eine derartige Aufgabe herangetreten ist;
beruft er sich doch auch selbst bei den Verhandlungen darauf, daß er »zu München
bereits habe helffen fürstliche Bilder machen«. Mit sicherem Gefühl ist die ganze Arbeil
angepackt, mit bewunderungswürdiger Meisterschaft in der verhältnismäßig kurzen Zeit
von drei bis vier Jahren vollendet worden. Schoch und Götz waren kongeniale Naturen.
Von der derben Charakteristik der Bauformen ist etwas in die kräftigen Witteisbacher
Recken übergegangen: die Anpassung des Figürlichen an das Architektonische ist
unübertrefflich.

Man denke sich die markigen Gestalten des Friedrichsbaues
mit den schwächlichen Figuren des Ottheinrichsbaues vertauscht, un-1
die Wirkung beider Fassaden ist dahin.

Die Nischen des Friedrichsbaues sind offenbar zu klein geworden für die Recken-
gestalten, die sie aufnehmen sollten. Es ist deutlich zu sehen, wie die Vorderseiten
der Konsolen, auf denen dieselben stehen, nachträglich »vorgeschuht« worden sind, um
genügenden Standraum zu geben. Also auch hier die Enge, die wir in bezug auf die
architektonische Entwicklung der Einzelteile am Bau als charakteristisch hervorgehoben
haben, dasselbe Überquellen der Kraft aus dem gegebenen Rahmen heraus.

Auch im einzelnen verdient die Arbeit des Churer Bildhauers alles Lob. Welche
Auffassung der Persönlichkeiten eines-Otto von Witteisbach, Rirpertus senior oder eines
Fridericus Victoriosus (s. Abbildung Fig. 316); welche Charakterisierung bei dem Ungarn-
könig; welche Hoheit in der Erscheinung eines Ludwig des Bayern oder König Ruprecht.
Dabei eine natürliche Abwechslung in den Stellungen und Bewegungen und eine un-
erschöpfliche Mannigfaltigkeit des Ausdruckes. Die Behandlung des Stofflichen erscheint
hier und da etwas massig, aber im ganzen doch gut und übersichtlich in der Fattengebung-
Nicht am wenigsten Lob verdient die Ausarbeitung der Köpfe, besonders in der unteren
Reihe, wo es sich um Porträts handelt. Man trete näher heran, und man wird staunen
über das Leben in dem Antlitz eines Fridericus Pius und Ludovicus VI. Selbst arge
Verstümmelungen, wie z. B. im Gesicht des erstgenannten, haben den lebensvollen Ein-
druck nicht ganz zu zerstören vermocht.
 
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