graver", d.h. als Graphiker ernannte. Sein großes
radiertes Lebenswerk hatte die Akademie wäh-
rend der Entstehungszeit verachtet: nun er
sich aber gewissermaßen als Maler durchgesetzt
hatte, — denn diese mehrfarbige Bildniskunst
kann wohl als Malerei, jedenfalls gar nicht als
Graphik gelten, — erkannte sie ihn nicht etwa
als solchen, sondern „nur" als Radierer, streng
genommen als Reproduzenten an!
Praktisch freilich war das belanglos. Gerade
wie bei uns ein jeder unterschiedslos Geheim-
rat tituliert wird, er mag nun wirklicher Ge-
heimrat, oder nur Geheimer Regierungsrat, oder
gar nur Geheimer Hofrat sein, so war Strang,
einmal Mitglied der Akademie, für das eng-
lische Publikum eben unter die Unsterblichen
gelangt. Er konnte überdies zu den jährlichen
Ausstellungen auch Gemälde einschicken und
war nicht etwa auf die Graphik beschränkt.
Diese Zeichenkunst aber, die Strang endlich
in den Sattel gesetzt hat, ist nicht seine große
Leistung gewesen. Viel ernster und kräftiger
waren seine reinen Kreidezeichnungen, und ganz
wundervoll, als Empfindung sowohl wie als Tech-
nik, waren seine Silberstiftblätter. Da hat er, wie
sein Lehrer, der große Alphonse Legros, ein fabel-
haftes Feingefühl für den Reiz, der im Material
liegt, kundgegeben. Das hat seine Arbeiten in
diesem Mittel zu dem Schönsten gemacht, was
man überhaupt an Kunstwerken sehen kann.
Es hat noch keinen Künstler gegeben, dem
der rechtzeitig erlangte Ruhm nicht geschadet
hätte. Wenn's nichts Schlimmeres war, so ist
er zur Überproduktion verleitet worden. Ganz
eigentümlich ist es, wie Strang betroffen wurde.
Die schroffen Ecken seiner Künstlerschaft, —
als Mensch hat er eigentlich kaum je welche
gehabt, — sind rasend schnell abgeschliffen
worden. Sein Grundsatz scheint wie umge-
wandelt. Anstatt den Bürger vor den Kopf
stoßen, — immer mit dem Hintergedanken,
daß man ihn zum Genuß einer wirklich hohen
Kunst erziehen will, — lautet jetzt der Wahl-
spruch, man muß mit den Wölfen heulen. Ja,
noch mehr, — ich möchte sagen, Strang hat
für die Wölfe geheult. Als Maler wurde er
geradezu sensationell, so sensationell, wie es
sich ein Akademiker drüben allenfalls leisten
darf. Er ging zu einer grellen, harmonielosen
Palette über, und statt der romantischen, immer
mit der lyrischen Poesie Englands in Verbin-
dung tretenden Vorwürfe, wählte er sich über-
laute Szenen aus dem täglichen Leben jener
Kreise, die möglichst weit entfernt von der Vor-
nehmheit sonstiger englischer Kunst daherliefen.
Strangs Bilder sind stofflich „aktuell" geworden,
— Picknicks, Restaurantepisoden, Spießerfami-
lienszenen, Ladenmädelbildnisse weisen nichts
mehr von dem poetischen Zauber seiner frühe-
ren Kunst auf, und die schreienden Farben
sind berechnet auf den Geschmack derjenigen
Menschheit, die er in den Mittelpunkt seiner
Kunst gerückt hat. Er hatte Paris und Deutsch-
land besucht und war offenbar zum Schluß
gekommen, man muß Aufsehen erregen, man
muß den Mann von der Straße interessieren
wollen, dann geht die Geschichte: das aber
kann ich auch auf meine Weise. Immer bleibt
das rein maltechnische Können virtuos: aber
sonst trug auch diese Malerei ihr Scherflein
bei zur Umgestaltung einer Kunst, die sich
nicht länger von inneren Regungen bestimmen
lassen wollte, sondern sich um fremde Rück-
sichten kümmerte und ihrerseits politisierte.
Eine eigene Note hat auch diese Malerei
Strangs behalten, — wenigstens kenne ich ein
genaues Pariser Vorbild nicht und ein deutsches
gibt es gewiß nicht. Aber der Drang, „mit der
Zeit fortzuschreiten", hat den Meister auch ver-
anlaßt, Extratouren auf seinem eigentlichen Ge-
biet, der Radierung, vorzunehmen und dabei hat
er sich seinen Vorbildern gegenüber, — es waren
Rodin und besonders Forain, — nicht so selb-
ständig gehalten. Er hatte die französischen
Blätter in Dresden kennenlernen, und auf ein-
mal kamen neue Arbeiten von ihm mit dem
lockeren, mutwilligen Strich, den niemand für
Strang erklärt haben würde.
Strang hat uns noch 1912 und 1913 besucht,
unter anderem, um in Bayreuth seine Hans-
Richter-Radierung zu schaffen. Es wäre interes-
sant gewesen zu erfahren, inwieweit diese ver-
schiedenen Umfälle auf Selbsttäuschung bei ihm
beruhten. Daß er ganz kalt berechnend sich
hinsetzte und zur Geldgewinnung neue Mode-
strömungen mitmachte oder selbst einleitete,
ist wohl nicht anzunehmen. Aber der frühere
Ernst war verflüchtigt. Man konnte ihn nicht
einmal im Alltagsgespräch festhalten. Als ich
ihn sondieren wollte über die Stimmung in
England und Eduards VI. Pläne uns gegenüber,
wich er aus. Wie ein Mann, dem es endlich
gut geht, der genug von den Ärgernissen des
Lebens gehabt hat und nun allem derartigen
aus dem Wege geht.
Diese Neigung zum Gefälligeren also schleicht
sich auch bei der Radierung ein, insbesondere
beim Bildnis seit den großen Erfolgen mit den
Kiplingplatten. Gewiß sind der Cox, der Brock,
der Chamberlain, der Goulding, der Hans
Richter noch ganz vorzügliche Arbeiten. Aber
sie nähern sich den Allüren der Photogravüre
(die Strang einst so streng verwarf), vergleicht
man sie mit so etwas wie dem Justice Lindley,
oder dem Cripps, oder dem Hardy. Das wären
drei der Bildnisse des ganz großen Strang.
3°
radiertes Lebenswerk hatte die Akademie wäh-
rend der Entstehungszeit verachtet: nun er
sich aber gewissermaßen als Maler durchgesetzt
hatte, — denn diese mehrfarbige Bildniskunst
kann wohl als Malerei, jedenfalls gar nicht als
Graphik gelten, — erkannte sie ihn nicht etwa
als solchen, sondern „nur" als Radierer, streng
genommen als Reproduzenten an!
Praktisch freilich war das belanglos. Gerade
wie bei uns ein jeder unterschiedslos Geheim-
rat tituliert wird, er mag nun wirklicher Ge-
heimrat, oder nur Geheimer Regierungsrat, oder
gar nur Geheimer Hofrat sein, so war Strang,
einmal Mitglied der Akademie, für das eng-
lische Publikum eben unter die Unsterblichen
gelangt. Er konnte überdies zu den jährlichen
Ausstellungen auch Gemälde einschicken und
war nicht etwa auf die Graphik beschränkt.
Diese Zeichenkunst aber, die Strang endlich
in den Sattel gesetzt hat, ist nicht seine große
Leistung gewesen. Viel ernster und kräftiger
waren seine reinen Kreidezeichnungen, und ganz
wundervoll, als Empfindung sowohl wie als Tech-
nik, waren seine Silberstiftblätter. Da hat er, wie
sein Lehrer, der große Alphonse Legros, ein fabel-
haftes Feingefühl für den Reiz, der im Material
liegt, kundgegeben. Das hat seine Arbeiten in
diesem Mittel zu dem Schönsten gemacht, was
man überhaupt an Kunstwerken sehen kann.
Es hat noch keinen Künstler gegeben, dem
der rechtzeitig erlangte Ruhm nicht geschadet
hätte. Wenn's nichts Schlimmeres war, so ist
er zur Überproduktion verleitet worden. Ganz
eigentümlich ist es, wie Strang betroffen wurde.
Die schroffen Ecken seiner Künstlerschaft, —
als Mensch hat er eigentlich kaum je welche
gehabt, — sind rasend schnell abgeschliffen
worden. Sein Grundsatz scheint wie umge-
wandelt. Anstatt den Bürger vor den Kopf
stoßen, — immer mit dem Hintergedanken,
daß man ihn zum Genuß einer wirklich hohen
Kunst erziehen will, — lautet jetzt der Wahl-
spruch, man muß mit den Wölfen heulen. Ja,
noch mehr, — ich möchte sagen, Strang hat
für die Wölfe geheult. Als Maler wurde er
geradezu sensationell, so sensationell, wie es
sich ein Akademiker drüben allenfalls leisten
darf. Er ging zu einer grellen, harmonielosen
Palette über, und statt der romantischen, immer
mit der lyrischen Poesie Englands in Verbin-
dung tretenden Vorwürfe, wählte er sich über-
laute Szenen aus dem täglichen Leben jener
Kreise, die möglichst weit entfernt von der Vor-
nehmheit sonstiger englischer Kunst daherliefen.
Strangs Bilder sind stofflich „aktuell" geworden,
— Picknicks, Restaurantepisoden, Spießerfami-
lienszenen, Ladenmädelbildnisse weisen nichts
mehr von dem poetischen Zauber seiner frühe-
ren Kunst auf, und die schreienden Farben
sind berechnet auf den Geschmack derjenigen
Menschheit, die er in den Mittelpunkt seiner
Kunst gerückt hat. Er hatte Paris und Deutsch-
land besucht und war offenbar zum Schluß
gekommen, man muß Aufsehen erregen, man
muß den Mann von der Straße interessieren
wollen, dann geht die Geschichte: das aber
kann ich auch auf meine Weise. Immer bleibt
das rein maltechnische Können virtuos: aber
sonst trug auch diese Malerei ihr Scherflein
bei zur Umgestaltung einer Kunst, die sich
nicht länger von inneren Regungen bestimmen
lassen wollte, sondern sich um fremde Rück-
sichten kümmerte und ihrerseits politisierte.
Eine eigene Note hat auch diese Malerei
Strangs behalten, — wenigstens kenne ich ein
genaues Pariser Vorbild nicht und ein deutsches
gibt es gewiß nicht. Aber der Drang, „mit der
Zeit fortzuschreiten", hat den Meister auch ver-
anlaßt, Extratouren auf seinem eigentlichen Ge-
biet, der Radierung, vorzunehmen und dabei hat
er sich seinen Vorbildern gegenüber, — es waren
Rodin und besonders Forain, — nicht so selb-
ständig gehalten. Er hatte die französischen
Blätter in Dresden kennenlernen, und auf ein-
mal kamen neue Arbeiten von ihm mit dem
lockeren, mutwilligen Strich, den niemand für
Strang erklärt haben würde.
Strang hat uns noch 1912 und 1913 besucht,
unter anderem, um in Bayreuth seine Hans-
Richter-Radierung zu schaffen. Es wäre interes-
sant gewesen zu erfahren, inwieweit diese ver-
schiedenen Umfälle auf Selbsttäuschung bei ihm
beruhten. Daß er ganz kalt berechnend sich
hinsetzte und zur Geldgewinnung neue Mode-
strömungen mitmachte oder selbst einleitete,
ist wohl nicht anzunehmen. Aber der frühere
Ernst war verflüchtigt. Man konnte ihn nicht
einmal im Alltagsgespräch festhalten. Als ich
ihn sondieren wollte über die Stimmung in
England und Eduards VI. Pläne uns gegenüber,
wich er aus. Wie ein Mann, dem es endlich
gut geht, der genug von den Ärgernissen des
Lebens gehabt hat und nun allem derartigen
aus dem Wege geht.
Diese Neigung zum Gefälligeren also schleicht
sich auch bei der Radierung ein, insbesondere
beim Bildnis seit den großen Erfolgen mit den
Kiplingplatten. Gewiß sind der Cox, der Brock,
der Chamberlain, der Goulding, der Hans
Richter noch ganz vorzügliche Arbeiten. Aber
sie nähern sich den Allüren der Photogravüre
(die Strang einst so streng verwarf), vergleicht
man sie mit so etwas wie dem Justice Lindley,
oder dem Cripps, oder dem Hardy. Das wären
drei der Bildnisse des ganz großen Strang.
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