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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 39.1923-1924

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Singer, Hans Wolfgang: William-Strang-Erinnerungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14151#0038

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Der „große" Strang hat seinen Höhepunkt,
meines Erachtens, etwa mit dem Jahre 1897
erreicht. Bis dahin hatte er seine schier un-
erschöpfliche Formenphantasie entfaltet, ein
großartig sicheres Zeichentalent obwalten lassen,
und durch Anschneiden wirklich geistiger Pro-
bleme uns auch als Mensch zu fesseln ge-
wußt. Das Wunderbarste aber, was er leistete,
war das Herausarbeiten, die Veredelung und
Vereinfachung seiner Kunst der Linie. Schon
auf dem Titel und dem achten Blatt (auf dem
der Tod in den Koben gebannt wird) aus der
Folge vom „Tod und des Pflügers Weib" stoßen
wir auf eine Linienführung, der schlechthin
nichts anderes als jene in Dürers Holzschnitten
zur Seite zu setzen ist. Am allerheroischsten
und gewaltigsten tritt sie hervor auf solchen
Blättern, wie „Tod und Tod im Leben" und
dem „Brautzug" aus Coleridges „The Ancient
Mariner". Etwas Monumentaleres gibt es, glaube

ich, in der ganzen Kunst des Schwarzweiß
nicht. Aber Strang selbst hat ihm manches
Ebenbürtige zur Seite gestellt, so z. B. die
beiden Kompositionen „Krieg" und „Anarchie".

Seltsam war es, daß der große Zug bei
Strang immer wieder einmal sich durchdrückte,
auch lange nachdem er eigentlich seine Kon-
zessionen an den Erfolg gemacht hatte. Zur
gleichen Zeit, als er die Blätter in der Manier
Forains geschickt hatte, legte er einige Land-
schaften bei, die ganz die Gewalt des alten
Strang zeigten. Auch späte Blätter wie „The
flower seller" oder „The wine drinkers" sind
von einer Herbheit und einem Ernst in der
Anlage sowohl wie der Linienführung, daß
man sie, wenn man es nicht anders wüßte,
ohne weiteres in die Zeit versetzen würde,
als der Meister noch zäh die allerhöchsten
Ideale des Schwarzweiß verfolgte.

Prof. Dr. Hans W. Singer

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