J. STURSA
DAS LEBEN ENTFLIEHT
bei jedem Stück des Eisens die Form, die er
hervorrufen wollte, im Sinne hatte, wie er
eigentlich mit Eisen und Schlegel in den Mar-
mor gezeichnet, denselben gleichsam wie Wachs
geknetet hat. Die unmittelbare Anschauung
großer Bildwerke von Michelangelo — im Dom
ist eine Pietä und in der Gallerie eine Büste
des Brutus, — hat von allem, was ich hier
erlebt, den größten, tiefsten Eindruck auf mich
gemacht. Und ich weiß mich in der Kürze
nicht anders auszudrücken, als daß ich Michel
Angelo mit Napoleon vergleiche. Wie dieser
seine Kriegskunst mit der Staatskunst ver-
wechselt, wie Napoleon nur ein kecker, ver-
wegener Techniker auf dem Schlachtfeld ge-
wesen, seinen Beruf ganz verfehlt und unsäg-
lich geschadet hat; so Michel Angelo in seinem
Kreis. Man begreift das gewaltsame Wesen des
Michel Angelo um so weniger, wenn man ihn
im Verhältnis zu den ihm vorhergehenden und
gleichzeitigen, hiesigen Bildhauern betrachtet.
Denn diese sind so ausgezeichnet und so sehr
vom wahren Kunstsinne beseelt, als es in der
Malerei die Vorgänger Raphaels waren, der-
maßen, daß auf sie ein christlicher Phidias hätte
folgen können; nun aber kam dieser titanische
Mensch, der in allen Zweigen der Kunst die
Grenzen überschritt, dadurch Bildhauer, Maler
und Architekten in Verwirrung, die Kunst über-
haupt in unabsehbares Verderben brachte, (sie !)
Was die älteren Maler des 14. Jahrhunderts,
Cimabue, Giotto, Orcagna usw. bis Fiesole be-
trifft, so stehen sie alle nicht nur in der Farbe,
sondern auch in der Rundung hinter unseren
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DAS LEBEN ENTFLIEHT
bei jedem Stück des Eisens die Form, die er
hervorrufen wollte, im Sinne hatte, wie er
eigentlich mit Eisen und Schlegel in den Mar-
mor gezeichnet, denselben gleichsam wie Wachs
geknetet hat. Die unmittelbare Anschauung
großer Bildwerke von Michelangelo — im Dom
ist eine Pietä und in der Gallerie eine Büste
des Brutus, — hat von allem, was ich hier
erlebt, den größten, tiefsten Eindruck auf mich
gemacht. Und ich weiß mich in der Kürze
nicht anders auszudrücken, als daß ich Michel
Angelo mit Napoleon vergleiche. Wie dieser
seine Kriegskunst mit der Staatskunst ver-
wechselt, wie Napoleon nur ein kecker, ver-
wegener Techniker auf dem Schlachtfeld ge-
wesen, seinen Beruf ganz verfehlt und unsäg-
lich geschadet hat; so Michel Angelo in seinem
Kreis. Man begreift das gewaltsame Wesen des
Michel Angelo um so weniger, wenn man ihn
im Verhältnis zu den ihm vorhergehenden und
gleichzeitigen, hiesigen Bildhauern betrachtet.
Denn diese sind so ausgezeichnet und so sehr
vom wahren Kunstsinne beseelt, als es in der
Malerei die Vorgänger Raphaels waren, der-
maßen, daß auf sie ein christlicher Phidias hätte
folgen können; nun aber kam dieser titanische
Mensch, der in allen Zweigen der Kunst die
Grenzen überschritt, dadurch Bildhauer, Maler
und Architekten in Verwirrung, die Kunst über-
haupt in unabsehbares Verderben brachte, (sie !)
Was die älteren Maler des 14. Jahrhunderts,
Cimabue, Giotto, Orcagna usw. bis Fiesole be-
trifft, so stehen sie alle nicht nur in der Farbe,
sondern auch in der Rundung hinter unseren
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