Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 39.1923-1924

DOI Artikel:
Nasse, Hermann: Sulpiz Boisserée und die Kunst, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14151#0068

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
altkölnischen Malern des 14. Jahrhunderts zu-
rück. In der Zeichnung hingegen, besonders
in der Zeichnung der Gestalten und ihrer Be-
wegungen, sind sie unsern Malern vorzuziehen...

Es ist überhaupt nach allen Spuren, die ich
von einzelnen Wandgemälden hier und dort in
Deutschland gefunden, gar nicht zu bezweifeln,
daß, wenn unsere Kirchen und Klöster in ihren
alten Malereien so wären erhalten worden, wie
die hiesigen (nämlich in Florenz), wir vieles
würden aufzuweisen haben, was vollkommen
die Wage hielte. . . .

In Mantua haben wir uns 2 Tage aufgehalten,
die Werke von Giulio Romano, besonders der
Palast del T. sind zu merkwürdig, als daß ich
mich mit einer flüchtigen Ansicht hätte be-
gnügen können. Sie geben überdem den besten
Aufschluß über das, was der König in Mün-
chen mit der Glyptothek und dem Königsbau be-
absichtigt, so wie überhaupt über das ganze
Wesen der Dekoration und Ausstattung mit
historischen und mythologischen Freskomale-
reien."

Zucheros Malereien in der Kuppel des Flo-
rentiner Doms „gebieten", wie Sulpiz weiterhin
ausführt, „die größte Achtung". Aber er be-
dauert, daß der Maler „kolossale lebende, halb-
geschundene Menschen dargestellt hat": „Der
Künstler hat nämlich seine genaue Kenntnis
der Muskeln und aller weichen Teile des mensch-
lichen Körpers bei dieser so schicklichen Ge-
legenheit (in den acht Höllenabteilungen) zeigen
wollen, daher hat er in den vier Figuren vier
verschiedene Grade von Aufdeckung dieser Teile
beobachtet, so daß in der letzten Figur die Schin-
derei am ärgsten und das ganze Innere des Bauches
und der Brust zu sehen ist." —

In Rom findet dann aber doch Michel Angelos
Decke Bewunderung, aber Sulpiz schränkt sie
ein: „So bekundet sich selbst an diesem vor-
züglichsten Werk des Michel Angelo, daß es
ihm an einem gewissen Takt und Mäßigung
fehlte, die ich ein musikalisches Gefühl nennen
möchte und welche die Bedingung aller wahren
Grazie ist" usw.: „Wie ganz anders ist es mir
dagegen bei dem himmlischen Raphael zu Muthe
geworden ! — er ist immer ein Engel und Michel
Angelo ein Titan." —

Zum Schluß noch einiges über Cornelius und
andere aus dem „Briefwechsel mit Goethe" im
2. Bande:

Sulpiz an Goethe am 29. Juli 1811:

„In Frankfurt habe ich den Cornelius fröh-
lich und guter Dinge gefunden. Ihr Beifall und
die Aussicht, die ich ihm mit Reimer in Berlin er-
öffnet, hat hingereicht, den Buchhändler Wenner
in Frankfurt zur Unternehmung des Werks
(Faust-Zeichnungen) zu bewegen. Cornelius

sieht sich dadurch im Stande, seine Reise nach
Italien auszuführen. Er vollendet vorher noch
drei Zeichnungen, eine: „Gretcheninder Kirche",
ist schon fertig, die andere, „Gretchen vor der
Mater dolorosa", wird es bald, dann folgt die
dritte, „Gretchen bei Faust in der Laube". Im
September geht er mit einem braven jungen
Kupferstecher, der die Blätter unter seinen
Augen stechen soll, nach Rom."

Goethe an Sulpiz am 14. Februar 1814:
„Von Cornelius und Overbeck haben mir
Schlossers stupende Dinge geschickt. Der Fall
tritt in der Kunstgeschichte zum erstenmal ein,
daß bedeutende Talente Lust haben, sich rück-
wärts zu bilden, in den Schooß der Mutter zu-
rückzukehren und so eine neue Kunstepoche
zu gründen. Dieß war den ehrlichen Deutschen
vorbehalten und freilich durch den Geist be-
wirkt, der nicht Einzelne, sondern die ganze
gleichzeitige Masse ergriff. Ihre Sammlung und
Ihr Dom wirken ja aus gleichem Grunde und
aus gleicher Richtung."

Sulpiz an Goethe am 13. Januar 1828:
„Neben Cornelius sind seit kurzem (in Mün-
chen) zwei junge Männer von sehr schönem
Talent an der hiesigen Akademie angestellt wor-
den, Heinrich Hess und Julius Schnorr. Beide
haben auch schon wichtige Aufträge vom König,
ersterer soll nämlich die neue Schloßkapelle, der
andre aber den neuen Schloßflügel in Fresko ma-
len. Sie fangen bereits an, Entwürfe zu diesen gro-
ßen Arbeiten zu machen. Von Hess sieht man ein
vortrefflich ausgeführtes Gemälde, „Apoll unter
den Musen", in Lebensgröße, welches er in Rom
gemalt hat, und Schnorr hat ganz kürzlich die
Cartons zu den Gegenständen aus Ariost auf-
gestellt, welche er in der Villa Massini in Fresko
gemalt hat. Der junge Langer, der nun nicht
mehr bei der Akademie angestellt ist, hört in-
dessen nicht auf, in seiner Kunst tätig zu sein;
er hat in seinem Landhaus einen Saal in Fresko
gemalt, woran manches zu loben ist. Genug,
man hört und sieht hier jetzt nichts als Fresko
und Fresko, die Ölmalerei ist jetzt ganz auf
die Porträt- und auf die Landschafts- und
Genremalerei beschränkt. Das Porträt begün-
stigt der König nun sehr, indem er sich und
die Königin im Krönungsornat und sonst ver-
schiedentlich von Stieler malen läßt, ganz be-
sonders aber auch dadurch, daß er diesem
Künstler immer Aufträge gibt, die ausgesuch-
testen Schönheiten abzubilden, die dann später
in eine Sammlung vereinigt werden sollen. Die
Genremalerei hingegen, welche von König Max
fast ausschließlich begünstigt wurde, überläßt
König Ludwig ihrem Schicksal, sie findet außer
dem Beifall vieler einzelner Liebhaber ihre
Hauptstütze im Kunstverein." Nasse
 
Annotationen