griffen; ob aus „Bilderhunger",
d. h. Verlangen nach Anschauung
oder aus Abneigung gegen Lesen,
Denken und Anstrengung des Ge-
dächtnisses, wollen wir lieber nicht
untersuchen. Zuweilen scheint uns
der erzieherische Wert solcher
Bilderbücher fraglich, wenn die
Grundlage wissenschaftlicher Ar-
beit fehlt oder gar zu unsichtbar
bleibt. Wie der Aktensammlung
der historische Roman, so steht
dem Bilderatlas die historische
Malerei gegenüber, die ihre Kennt-
nis von den Ereignissen und de-
ren äußerem Rahmen in sichtbare
Darstellung von Vorgängen um-
setzt. Wir haben diese, von Staats-
und Vereinswegen geförderte Art
von Malerei noch erlebt. Die Ge-
fahr ihrer Wiederkehr ist gering.
Aber statt ihrer droht eine Illu-
strationssucht, vorder nachgerade
kein alter Schmarren mehr sicher
ist. Eine Flut von Bildern ist so
entstanden, die, mögen sie künst-
lerisch wertvoll sein, von den Er-
gebnissen historischer Forschung
keine Notiz nehmen, angeblich,
weil solche Rücksichten den freien
WOLFGANG ZELLER VO RALFEN LANDSCHAFT pjug ^ phantasie und die Aus.
druckskraft der Bilder schädigen.
von Fritz Krischen, also im Gegenstande dem Natürlich hat man früher historische Vorgänge
Echnatonbuch zeitlich nah verwandt. Krischen ohne jede Rücksicht auf sachliche Richtigkeit
hat eine zusammenhängende Bild-Erzählung er- dargestellt, wenn man sie nur zum Vorwand für
funden, angeregt von der reichen bildlichen künstlerische Fragen, z. B. Farben und Beleuch-
Hinterlassenschaft aus der Blütezeit der kre- tung nahm, wenn es mehr auf den seelischen
tischen Kultur. Der archäologisch unterrichtete Gehalt ankam, oder wenn solche Werke in einer
Betrachter wird in Krischens flotten und oft Zeit entstanden, die den archäologischen Rah-
humorvollen Steinzeichnungen manche Vor- men der alten, zumal der biblischen Erzählungen
bilder leicht und mit Vergnügen erkennen, der weder kannte noch in der Darstellung verlangte.
Laie wird bei dem engen Anschluß an kretische Aber wir haben doch nun die Kenntnisse;
Reliefs, Dolchklingen, Wandmalereien die histo- sollen wir freiwillig darauf verzichten?
rische Echtheit unbewußt und angenehm emp- Gewiß ist die sachliche Richtigkeit nicht ent-
finden. Aber auch Krischens Zeichnungen sind scheidend für den künstlerischen Wert histo-
von dem Stil der Vorbilder ganz unabhängig; rischer Darstellungen. Aber sachliche Verkehrt-
sie wirken wie eine gelungene Übersetzung, in heit verrät doch, daß der Gegenstand dem Künst-
deren modernem Deutsch hier und da eine Wen- 1er nicht ganz vertraut war, und so wird auch
dung an den Urtext erinnert. Eine Vergleichung die Wirkung nicht vollkommen sein, zumal bei
der beiden Tafelwerke, die sich mit Nutzen bis dem Wissenden, den die Fehler nicht zum Ge-
ins Einzelne durchführen ließe, führt auf die nuß kommen lassen. Feuerbachs Berliner Sym-
Frage, wie unsere gegenwärtige Generation sich posion hat unvergleichliche Schönheiten; aber
verhalten soll, die sich der dringenden Aufgabe die römische Architektur und die ganz unantiken
bewußt ist, die Barren der Forschung auszu- Hausgeräte müssen jedem die Freude schmälern,
münzen. Man hat begriffen, daß es bei der der nur eine Ahnung von dem Lebensstil der
Kunst auf das Sehen ankommt. „Bilderbücher" Platonischen Zeit hat. Das ist wie auf der Bühne,
heißt daher die von den Verlegern ausgegebene Man denkesichVerdisMaskenballmitgepuderten
Parole; das Publikum hat sie begierig aufge- Perücken! (Keine Erfindung!) Damit solider
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d. h. Verlangen nach Anschauung
oder aus Abneigung gegen Lesen,
Denken und Anstrengung des Ge-
dächtnisses, wollen wir lieber nicht
untersuchen. Zuweilen scheint uns
der erzieherische Wert solcher
Bilderbücher fraglich, wenn die
Grundlage wissenschaftlicher Ar-
beit fehlt oder gar zu unsichtbar
bleibt. Wie der Aktensammlung
der historische Roman, so steht
dem Bilderatlas die historische
Malerei gegenüber, die ihre Kennt-
nis von den Ereignissen und de-
ren äußerem Rahmen in sichtbare
Darstellung von Vorgängen um-
setzt. Wir haben diese, von Staats-
und Vereinswegen geförderte Art
von Malerei noch erlebt. Die Ge-
fahr ihrer Wiederkehr ist gering.
Aber statt ihrer droht eine Illu-
strationssucht, vorder nachgerade
kein alter Schmarren mehr sicher
ist. Eine Flut von Bildern ist so
entstanden, die, mögen sie künst-
lerisch wertvoll sein, von den Er-
gebnissen historischer Forschung
keine Notiz nehmen, angeblich,
weil solche Rücksichten den freien
WOLFGANG ZELLER VO RALFEN LANDSCHAFT pjug ^ phantasie und die Aus.
druckskraft der Bilder schädigen.
von Fritz Krischen, also im Gegenstande dem Natürlich hat man früher historische Vorgänge
Echnatonbuch zeitlich nah verwandt. Krischen ohne jede Rücksicht auf sachliche Richtigkeit
hat eine zusammenhängende Bild-Erzählung er- dargestellt, wenn man sie nur zum Vorwand für
funden, angeregt von der reichen bildlichen künstlerische Fragen, z. B. Farben und Beleuch-
Hinterlassenschaft aus der Blütezeit der kre- tung nahm, wenn es mehr auf den seelischen
tischen Kultur. Der archäologisch unterrichtete Gehalt ankam, oder wenn solche Werke in einer
Betrachter wird in Krischens flotten und oft Zeit entstanden, die den archäologischen Rah-
humorvollen Steinzeichnungen manche Vor- men der alten, zumal der biblischen Erzählungen
bilder leicht und mit Vergnügen erkennen, der weder kannte noch in der Darstellung verlangte.
Laie wird bei dem engen Anschluß an kretische Aber wir haben doch nun die Kenntnisse;
Reliefs, Dolchklingen, Wandmalereien die histo- sollen wir freiwillig darauf verzichten?
rische Echtheit unbewußt und angenehm emp- Gewiß ist die sachliche Richtigkeit nicht ent-
finden. Aber auch Krischens Zeichnungen sind scheidend für den künstlerischen Wert histo-
von dem Stil der Vorbilder ganz unabhängig; rischer Darstellungen. Aber sachliche Verkehrt-
sie wirken wie eine gelungene Übersetzung, in heit verrät doch, daß der Gegenstand dem Künst-
deren modernem Deutsch hier und da eine Wen- 1er nicht ganz vertraut war, und so wird auch
dung an den Urtext erinnert. Eine Vergleichung die Wirkung nicht vollkommen sein, zumal bei
der beiden Tafelwerke, die sich mit Nutzen bis dem Wissenden, den die Fehler nicht zum Ge-
ins Einzelne durchführen ließe, führt auf die nuß kommen lassen. Feuerbachs Berliner Sym-
Frage, wie unsere gegenwärtige Generation sich posion hat unvergleichliche Schönheiten; aber
verhalten soll, die sich der dringenden Aufgabe die römische Architektur und die ganz unantiken
bewußt ist, die Barren der Forschung auszu- Hausgeräte müssen jedem die Freude schmälern,
münzen. Man hat begriffen, daß es bei der der nur eine Ahnung von dem Lebensstil der
Kunst auf das Sehen ankommt. „Bilderbücher" Platonischen Zeit hat. Das ist wie auf der Bühne,
heißt daher die von den Verlegern ausgegebene Man denkesichVerdisMaskenballmitgepuderten
Parole; das Publikum hat sie begierig aufge- Perücken! (Keine Erfindung!) Damit solider
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